Rudolf Ruscheweyh

Rudolf Ruscheweyh

Rudolf Ruscheweyh (* 31. Dezember 1905 in Erfurt; † 15. Januar 1954 in Schaan, Liechtenstein) war ein niederländisch-liechtensteinischer Waffenhändler, Geheimdienstmitarbeiter und Parteispender.[1]

Inhaltsverzeichnis

Aktivitäten als Waffenhändler

Niederlande

Seit 1936 führte Ruscheweyh in den Niederlanden ein Unternehmen, welches beschusssichere Reifen herstellte, die Hollandsche Maatschappij voor Fabricatie en verkoop van Cellastic-Banden („niederländische Gesellschaft zur Herstellung und Vertrieb von Cellastic-Reifen“). Mit diesen wurde der DAF M39 Pantserwagen[2] ausgerüstet. Das Unternehmen war mit der “Rhodius Koenigs Handelmaatschappij” verbunden, was gleichzeitig eine Verbindung zum deutschen Geheimdienst bedeutet.[3] 1940 überführte Ruscheweyh das Patent Cellastic, Niederlande als Patva nach Liechtenstein. Ruscheweyh war Vertrauter von Heinrich Himmler und Wilhelm Canaris. Von 1940 bis 1943 war Ruscheweyh von der „Abwehr“ als Wirtschaftsexperte mit Dienstort Paris eingesetzt.

Zürich

20 mm Oerlikon-Kanone

Als es für die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon-Bührle (WO) im Sommer 1940 nicht möglich war, an Frankreich und Großbritannien zu liefern, wurde die Kanonenproduktion an Deutschland geliefert. Ruscheweyh war im Zweiten Weltkrieg Generalvertreter für das Deutsche Reich von WO. Die Geschäftstätigkeit der WO mit den Ländern der Achse – Deutschland, Italien und Rumänien – erreichte in den Jahren 1940 bis 1944 einen Gesamtumfang von 543,4 Millionen Schweizer Franken und umfasste die Lieferung von 7.013 Stück 20-mm-Kanonen, 14.758.489 Schuss Munition, 12.520 Ersatzrohren und 40.092 Magazinen. Als Entgelt erhielt Ruscheweyh Provisionen von über 10 Millionen Schweizer Franken. Emil Georg Bührle initiierte Mitte 1941 die Gründung der Press- und Stanzwerk AG Eschen, welche Hülsen für die 20-mm-Munition von Oerlikon herstellte.

1944 tauschte Ruscheweyh seinen deutschen gegen einen Liechtensteiner Diplomatenpass.[4]

Liechtenstein

Ruscheweyh verbrachte Gold und Devisen von Pierre Laval nach Liechtenstein. Laval war bis 20. August 1944 Ministerpräsident des Vichy-Regimes. Anschließend wurde er nach Sigmaringen gebracht, wo er mit Philippe Pétain gemeinsam das Schloss bewohnte, eine Exilmarionettenregierung mit Kabinettssitzungen und eigener Wache führte, bis er im Mai 1945 nach Spanien floh. Ruscheweyh versuchte Laval über die Schweizer Grenze zu bringen.[5]

Ernst Kaltenbrunner beriet nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 mit neu in das Amt VI des RSHA integrierten Offizieren der Abwehr, auf welchem Weg Kontakt mit den Westalliierten für einen Separatfrieden aufzunehmen sei. Franz Josef II. wurde von einem SD-Major, Bernhard Schlütter, als möglicher Vermittler vorgeschlagen. Ruscheweyh nahm mit anderen Offizieren des Amtes VI Kontakt mit Franz Josef II. auf. Ruscheweyh arrangierte, dass Franz Josef II. seine Wiener Kunstsammlung aus der deutschen Beschlagnahmung zurückerhielt. Dafür schützte Franz Josef II. Ruscheweyh, der auf der alliierten Kriegsverbrecherliste stand, vor Bestrafung. Die Regierungen von Großbritannien und der USA forderten Ruscheweyhs Auslieferung. Rusheweyh war vor dem 8. Mai 1945 mit seiner Frau, seinen beiden Söhnen und seinem Millionenvermögen nach Liechtenstein übersiedelt. Am 4. Mai 1948 erhielt Rudolf Ruscheweyh das Liechtensteiner Bürgerrecht.[6]

Octogon-Trust

Die Villa Ruscheweyh in Schaan,[7] in der Steinegerta 26, hat acht Ecken. Am 24. Januar 1952 wurde der „Octogon-Trust“ mit Sitz in Schaan gegründet, welchen Ruscheweyh leitete. Der „Octogon-Trust“ hatte sich im Handelsregister von Vaduz für Geschäfte aller Art eintragen lassen. Der Octogon-Trust war der Akquisiteur der Hispano-Suiza Genf. Bemerkenswerterweise konnte die Hispano-Suiza HS.404 während des gesamten Krieges an Großbritannien geliefert werden. Die Aufgabe des Octogon-Trust war, aus dem Waffenhandel der deutschen Wiederaufrüstung, bundesdeutsche Parteien zu finanzieren, welche die unpopuläre Wiederaufrüstung durchsetzten. Der so geschaffene Reptilienfonds wurde Exponenten aus der deutschen Parteienlandschaft bekannt gemacht. Gottfried Treviranus übergab eine Liste von zehn Begünstigten des Octogon Trusts, zwei Stunden vor einem Staatsbesuch von Harold Macmillan am 8. Oktober 1958, 10.30 Uhr, an Franz Josef Strauß. Er verhinderte nicht, dass Leyland Motors an der HS 30-Produktion verdiente. Treviranus sah sich in der Rolle des Laokoon, während Strauß existenzielle Gefahren für die Finanzierung seiner Partei sah.[8]

Mit von der Oerlikon zur Octogon herübergewechselt war Hans Klein, besser bekannt als China-Klein.

Joachim Oster war Gründungsmitglied der CSU und Duzfreund von Franz Josef Strauß. Von 1946 bis 1948 arbeitete er als Sekretär der CSU-Landesleitung und von 1948 bis 1949 als deren Geschäftsführer. Ruscheweyh kannte Hans Oster und dessen Sohn Joachim Oster aus ihrer gemeinsamen Zeit bei der Abwehr. Oster war im Vorstand des Octogon Trusts. Seinen häufigen Aufenthalt in der Villa Octogon 1952 und 1953 begründete er später mit seiner Funktion als Leiter des Militärischen Abschirmdienstes. Ruscheweyh habe Oster im Keller der Villa Octogon die gesamten Wirtschaftsspionage-Akten der Canaris-Abwehr gezeigt. Die Erklärung hat mehr Stil als die von Reinhard Gehlen, er hätte die Ostaufklärung mikroverficht auf einer Almwiese vergraben.

Die Villa Octogon ist mittlerweile ein Erwachsenenbildungszentrum in Schaan. Das Bundesinnenministerium unter Robert Lehr hatte mit Zustimmung des zuständigen Bundestagsausschusses und des Alliierten Sicherheitsamts über Ruscheweyh „Octogon“ bei Hispano-Suizza Genf 20-mm-Kanonen für den Seegrenzschutz eingekauft.[9]

Friedrich Holzapfel war vom 21. September bis 30. September 1949 Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Am 20. Januar 1953 legte er sein Bundestagsmandat nieder und wurde Gesandter der Bundesrepublik Deutschland in der Schweiz in Bern. Holzapfel war 1953 auf den Generalbevollmächtigten der Hispano-Suiza, Conrado José Kraémer, und Rudolf Ruscheweyh aufmerksam geworden, nachdem Berner Bundesbehörden den Octogon-Händlern die Ausfuhr von 100 HS-Kanonen für Bonns Seegrenzschutz verboten hatten. Holzapfel teilte seiner Dienststelle, dem Außenministerium, Walter Hallstein und Konrad Adenauers Kanzleramt, Hans Globke mit:

  • „Ruscheweyh und somit auch der Octogon-Trust stehen in dem Ansehen der ausgesprochenen „Waffenschieber', wie mir wörtlich von einem maßgebenden Herrn der Bundesverwaltung gesagt worden ist“.
  • „Eingeweihte Kreise des alten deutschen Militärs“ wüssten, dass der Octogon-Berater „Klein auf dem Gebiet der Bestechung ganz besondere Fähigkeiten entwickelt hat“.
  • „Daß Bestechungsversuche gemacht werden, unterliegt auch nicht dem geringsten Zweifel.“

Holzapfel wurde nach Bonn zitiert. Zur Vorbereitung des Gespräches in seiner Dienststelle hatte der Personalchef Josef Löns eine „besondere Aufzeichnung für Herrn Staatssekretär“ Hallstein gefertigt. Holzapfel sollte nahegelegt werden, „sofort ein Gesuch um Versetzung in den Wartestand“ einzureichen, denn dann könne er „keine Geschichten machen, da er nach wie vor zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet ist“. Hallstein, so berichtete später Holzapfel, habe ihm damals „in einer sehr scharfen Form“ erklärt, „ich solle mich aus der ganzen Sache heraushalten“ – andernfalls stehe ihm die „sofortige Einleitung eines Disziplinarverfahrens“ ins Haus. Holzapfel fand „keine Gelegenheit, zu den Waffengeschäften irgend etwas Sachliches vorzutragen“.[10]

Als Spätfolge des Octogon-Trust kann der Selbstmord des Schweizer Bundesanwalts René Dubois am 23. März 1957 gesehen werden. Dubois hatte engagiert in der Affäre Octogon Trust ermittelt.[11]

Dokumentationen

Jean-Michel Meurice: Schwarze Kassen , Dokumentarfilm, ARTE France, Maha und Anthracite (2008; 70’), Jean-Michel Meurice, Frankreich 2008

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Diplomatische Dokumente der Schweiz, „Gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren in Sachen OCTOGON“ vom 18. Oktober 1955 DoDis, Dokument-Nr.: 12615, Seite: 1 biographische Daten Ruscheweyh (eingesehen am 18. Aug. 2009)
  2. Abbildung Daf M39 "Pantserwagen" (auch Pz Sp Wg DAF 210)
  3. Pressebericht “Morgenster, 26 januari 2000 met een forse update in april 2001” de CDU-affaire, Abschnitt “Richard en Rudolf” (eingesehen am 18, Aug. 2009)
  4. David Beattie: Liechtenstein: A Modern History. Tauris I B, 2004, ISBN 978-1-85043-459-7.
  5. Report on one Rudolf Ruscheweyh, who „must be considered one of the biggest war-profiteers and unscrupulous ‚fixers‘ of World War II,“ July 11, 1945, 4 pp. Among other things, Ruscheweyh was suspected of being „one of the key figures in the transfer of German capital to Liechtenstein.“
  6. Wie sich der Fürst von Liechtenstein seine Gemäldesammlung von den Nazis retten ließ. In: Berliner Zeitung, 17. April 2004
  7. Villa Ruscheweyh in Schaan
  8. HS 30 – oder wie man einen Staat ruiniert. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1966 (online).
  9. Kanonen für Lehr. In: Der Spiegel. Nr. 37, 1953 (online).
  10. In der Nische. In: Der Spiegel. Nr. 52, 1967 (HS 30 Ausschuß, online).
  11. Jürg Schoch: Der Bundesanwalt lag tot auf dem Estrich. In: Tages-Anzeiger, 22. März 2007, S. 12.(PDF)

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