Rumpfgeschwindigkeit

Rumpfgeschwindigkeit

Die Rumpfgeschwindigkeit ist ein theoretischer Maximalwert für die bei Verdrängerfahrt mögliche Höchstgeschwindigkeit eines Schiffes. Sie errechnet sich näherungsweise aus der Quadratwurzel der Wasserlinienlänge lwl des Schiffes in Metern multipliziert mit dem Faktor 4,5 (Ergebnis in Kilometern pro Stunde) oder 2,43 (Ergebnis in Knoten):

v \approx 4{,}5 \cdot \sqrt{l_\mathrm{wl}}\;\mathrm{km/h} \; \approx \; 2{,}43\cdot\sqrt{l_\mathrm{wl}}\;\mathrm{kn}

Die Rumpfgeschwindigkeit ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit des vom Schiff selbst erzeugten, aus Bug- und Heckwelle bestehenden Wellensystems. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt die Wellenlänge der Bugwelle zu, bis sich Bug- und Heckwelle überlagern und das Schiff zwischen seiner Bug- und Heckwelle „gefangen“ ist. Die Rumpfgeschwindigkeit beträgt für einen Rumpf mit einer Länge der Konstruktionswasserlinie

  • von 10 Metern etwa 7,7 Knoten,
  • von 100 Metern etwa 24 Knoten,
  • von 300 Metern etwa 42 Knoten.

Die Tatsache, dass die Rumpfgeschwindigkeit nur von der Wasserlinienlänge abhängt, ist der Grund, warum größere Schiffe – bei entsprechend starkem Antrieb durch Wind oder Motorleistung – in Verdrängerfahrt höhere Geschwindigkeiten erreichen können als kleinere Schiffe. Dies spiegelt sich in der Redewendung „Länge läuft“ wider.

Wirtschaftlich akzeptabel sind bei ihnen normalerweise nur Geschwindigkeiten bis ca. 2\;\cdot\sqrt{l_\mathrm{wl}}\;\mathrm{kn} .

In den 1920er und 1930er Jahren wurde zunächst im Bereich des militärischen Schiffbaus spezielle Rumpfkonstruktionen für Zerstörer und Torpedoboote entwickelt, die bei Rumpflängen von 100 m bis 130 m Geschwindigkeiten von ca. 33 kn bis 38 kn erreichen können, bei Testfahrten sogar über 40 kn. Typisch für diese Rümpfe ist die extrem schlanke Form mit einem Verhältnis von Länge:Breite um 10:1; dem langgezogenen Bug, so dass der größte Spantquerschnitt erst in der hinteren Hälfte erreicht wird sowie scharfen Abrisskanten am Heck. Die Maschinenleistung musste entsprechend dimensioniert werden: 22000 kW bis über 51000 kW kamen zum Einsatz. Diese Art der Rümpfe entspricht aus heutiger Sicht einem Halbgleiter: Schiffe, die zumindest zu einem Teil ins Gleiten kommen können.

Unter bestimmten Umständen kann auch ein Verdränger zu gleiten beginnen, zzum Beispiel bei Segelschiffen bei der Abfahrt von einer Welle (surfen). In solchen Situationen können beim Eintauchen in eine Welle oder auch beim Passieren von Wellenkämmen durch Vibrationen und die Addition der Wellenenergie und der kinetischen Energie des Rumpfes erhebliche Schäden am Fahrzeug entstehen, wenn der Rumpf für die dabei auftretenden Kräfte nicht ausgelegt ist[[]]. Das „Surfen“ in Sturmfahrt lässt sich durch eine Verringerung der Fahrt vermeiden (zum Beispiel durch Nachschleppen von Trossen oder eines Treibankers). Die Rumpfgeschwindigkeit kann auch beim Schleppen überschritten werden: Schleppt ein Schiff mit einer hohen Rumpfgeschwindigkeit ein Schiff mit einer geringeren Rumpfgeschwindigkeit, das nicht in der Lage ist zu gleiten, so kann das hintere Schiff in Kentergefahr geraten. Durch eine hohe Schleppgeschwindigkeit hebt sich der Bug des hinteren Schiffes immer weiter, bis Wasser ins Heck läuft. Im Allgemeinen erfordert es aber eine spezielle Rumpfform, damit Schiffe (oder Boote) aus eigener Kraft in Gleitfahrt übergehen können. Eine solche ist - neben den erwähnten militärischen Konstruktionen - bei kleinen Motorbooten und Segeljollen üblich.

Die oben angegebene Formel ergibt sich aus der Näherungsformel v \approx \sqrt{g \lambda / 2 \pi} für die Geschwindigkeit einer Oberflächenwelle in tiefem Wasser. Dabei ist v die Geschwindigkeit der in diesem Fall vom Schiff erzeugten Welle, g die Schwerebeschleunigung an der Erdoberfläche (9,81 m / s2) und λ die Wellenlänge, also bei Rumpfgeschwindigkeit die Wasserlinienlänge des Schiffes.

Hintergrund

Bei Schiffen steigt der Wellenwiderstand ab einer Froudezahl um 0,35 sehr stark an. Dies liegt daran, dass zum einen die Amplituden der Querwellen stark ansteigen, zum anderen, dass sie die Wellen des schiffseigenen primären Wellensystems ungünstig überlagern. Bei einer Froudezahl um 0,4 überlagern sich die Heck- und die Bugwelle stets so, dass der zweite Wellenberg der Bugwelle auf die Heckwelle trifft. Bei einer Froudezahl um 0,56 trifft das Tal der Bugwelle auf die Heckwelle, so dass diese sich in etwa neutralisieren. Zu Zeiten in denen der Begriff der Rumpfgeschwindigkeiten geprägt wurde, war dies die Geschwindigkeit, die mit damaligen Leistungen und Schiffsformen nicht überschritten werden konnte.

Schiffsformen, die darauf ausgelegt sind, die Rumpfgeschwindigkeit dennoch zu überwinden sind solche, die die Wellenbildung möglichst minimieren, und solche, die durch den hydrodynamischen Auftrieb an ihrem Boden in der Lage sind zu gleiten.

Beispiele:

  • Kanus haben durch ihr großes Längenbreitenverhältnis nur eine geringe Krümmung entlang ihrer Form. Dadurch sind die Wellenamplituden kleiner. Durch das spitze Heck haben sie auch keine ausgeprägte Heckwelle. Die notwendige Energie, die aufgewendet werden muss, diese Wellen zu erhalten ist folglich geringer.
  • Schnellboote haben eine ausgeprägte Gleitfläche mit konstanter Breite bis zum Heck. Durch den zusätzlichen Auftrieb verringert sich die benetzte Fläche und die Reibung wird so reduziert.

Siehe auch


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