Rundlingsdorf

Rundlingsdorf
Rundlingsdorf Köhlen im Wendland 1830

Der Rundling, auch als Runddorf, Rundlingsdorf, Rundplatzdorf bezeichnet, ist eine im Mittelalter entstandene Siedlungsform mit hufeisenförmiger Anordnung der Gehöfte. Der Verbreitungsraum des Rundlings erstreckt sich streifenförmig zwischen der Ostsee und dem Erzgebirge in der Kontaktzone zwischen Deutschen und Slawen während des Mittelalters. Am besten erhalten haben sich Rundlingsdörfer im hannoverschen Wendland.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Sonderformen

Vereinfachtes Beispiel eines Rundplatzdorfes mit einer Zuwegung
Reetgedecktes Fachhallenhaus bei Gifhorn von 1779

Rundlinge liegen jeweils an einer erhöhten Stelle nahe einer Niederung mit einem Gewässer. Die Zuwegung kommt von der erhöht und trocken gelegenen Ackerflur, die Sackgasse besteht in Richtung der feuchten Niederung mit Wiesenflächen.

Eine Sonderform des Rundlings ist das Wurtendorf, das auf einem künstlich aufgeschüttetem Hügel (der Warft) angelegt wurde. Beispiele dafür sind die Ortsteile Grabau und Nienwedel der Stadt Hitzacker im Landkreis Lüchow-Dannenberg.

Beschreibung

Rundlingsdörfer sind ein kleinräumiger Siedlungstyp. In der Gründungsphase bestanden sie aus bis zu 10 Höfen. Typisch für Rundlinge sind mindestens drei Hofstellen, die hufeisenförmig um den Dorfplatz (den Anger oder Plan) gruppiert sind. In späteren Jahrhunderten ist die Hufeisenform durch weitere Höfe geschlossen worden, so das heute in viele Dörfern die Gebäude kreisförmig um einen zentralen Platz stehen. Typisch für die ursprüngliche Form ist, dass es anfänglich nur einen einzigen Zufahrtsweg gab, der keinen Durchgangsverkehr zuließ. Man spricht auch von einem Sackplatzdorf. Wurden entlang des Zufahrtsweges weitere Gehöfte angelegt, bildete sich ein Sackgassendorf als Erweiterung des Rundlings heraus. In späterer Zeit entstanden weitere Wege aus dem Dorf, wie Verbindungswege zu Mühlen.

Es gibt unter den gewachsenen und geplanten bäuerlichen Siedlungsgebilden der europäischen Landschaften keine Dorfform, die eine derartige bauliche Geschlossenheit bietet. Die Ausrichtung aller Höfe mit dem Giebel der Hauptgebäude zum Dorfplatz hin ist ein baulich besonders charaktervoller Ausdruck dieses bäuerlichen Lebensraumes.

Bei der Gebäudeform gab es kein typisches Rundlingshaus. In Rundlingsdörfern kommen die traditionellen Hausformen wie in anderen Dörfern vor. Meist ist es der Typ des Fachhallenhauses.

Verbreitungsgebiet

Dorfzentrum des Rundlingsdorfs Rühen

Der heutige Landkreis Lüchow-Dannenberg (auch Hannoversches Wendland) ist ein nahezu geschlossenes Verbreitungsgebiet der Rundlinge, die fast alle slawische Ortsnamen tragen. In diesem Gebiet hat sich die Art der Dorfanlage gut erhalten. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Region seit dem Mittelalter schon immer wirtschafts- sowie strukturschwach war und abseits der großen Handelswege lag. In anderen Regionen mit einer wirtschaftlich dynamischeren Entwicklung löste sich diese Dorfform durch Neubauten schon vor Jahrhunderten auf.

Aber auch die Altmark, Mecklenburg und Brandenburg sowie östliche Teile der Landkreise Lüneburg, Uelzen und Gifhorn weisen ebenfalls eine erhebliche Zahl von Rundlingen auf. Diese sind aber im Gegensatz zu denen des Hannoverschen Wendlandes häufig stärker überformt und die historischen Bauernhäuser sind nur in geringerem Maße erhalten geblieben. Dies gilt auch für etliche Wolfsburger Ortsteile auf dem Vorsfelder Werder, wie Wendschott, Brackstedt, Rühen sowie andere nahe Orte wie Barwedel und Velpke. Ein gut erhaltener Rundling findet sich außerdem in Hamburg-Neu-Rahlstedt.

Entstehungszeit

Über die Entstehungszeit der meisten Rundlinge ist wenig bekannt. Die ältesten Rundlinge tauchen bereits in Urkunden des 9. Jahrhundert im Ilmenaugebiet (Kreis Uelzen) an der Westgrenze des slawischen Siedlungsgebietes auf, im Wendland stammen die ersten Erwähnungen aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Eine erstmalige urkundliche Nennung von Ortsnamen ist zumeist für das 14. Jahrhundert nachweisbar. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass vom 8. bis zum 11. Jahrhundert eine kontinuierliche slawische Bevölkerung für das ganze Gebiet zwischen Elbe und Ilmenau angenommen werden kann.

Entstehungstheorien

Die besondere Form der Dörfer hat seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu verschiedenen Hypothesen über deren Entstehung geführt, deren wissenschaftliche Diskussion noch nicht abgeschlossen ist. Unbestreitbar ist der Rundling eine Siedlungsform der frühen deutschen Ostsiedlung. Nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse war die Siedlungsform weder im Gebiet der westdeutschen Altstämme noch in den Ursprungsgebieten der slawischen Völkergruppen anzutreffen. Mittelalterliche Runddörfer sind nahezu ausschließlich in den Durchdringungszonen der slawischen und deutschen Volksgruppen zu finden. Formenmäßige Vorläufer [1] könnten slawische Radial-Waldhufendörfer darstellen, wie sie in Böhmen mit stärkster Verbreitung im Bergland um das Kloster Tepl zu finden sind.

Offenbar erfolgte in der Zeit der frühen Ostkolonisation im 12. Jahrhundert eine Ordnung der slawischen Kleinsiedlungen unter deutschem Einfluss. Zur Regelung von Abgaben und Diensten wurden innerhalb eines Dorfes in der Größe etwa übereinstimmende Höfe (Vollhufner) gebildet. Zur Verbindung zwischen den slawischen Bauern und der deutschen Grundherrschaft wurde in jedem Ort ein Dorfschulze eingesetzt.

Bäuerliche Grundbesitzformen

Die Bevölkerung in den Rundlingsdörfern wuchs, je besser der Boden und damit der Ertrag war. Besonders in der fruchtbareren niederen Geest kam es zu Nachsiedlungen und frühe Halbrunde wandelten sich zum vollausgebildeten Rundling, während sich in der hohen Geest mit leichten Böden die Halbrunden erhielten. Zu der Schicht der ersten Siedler, der Vollhufner, kamen seit dem 14. Jahrhundert in den meisten Dörfern etwa einem Viertelhufner gleichgestellte Nachsiedler (Kossater), deren Ansiedlung oft den Abschluss des Dorfplatzes in runder Form bewirkte. Die im 15. bis 17. Jahrhundert zu verfolgende Teilung der Vollhufen in Halb-, Drittel- und Viertelhufen führte dazu, dass zahlreiche Hauptgebäude auf die Hofplätze zurückgenommen werden mussten. Oft entstand dadurch aus kleinen Halbrunden ein wirklicher Rundling. Zu einer weiteren Verdichtung der eng bebauten Rundlinge trugen im 15.-17. Jahrhundert weitere Nachsiedlungen durch Kossater sowie Brinksitzer, An- und Abbauer im 17.-19. Jahrhundert bei. Zahlreiche Brände der weichgedeckten Häuser hatten meist verheerende Ausmaße und führten zur Ausdünnung der engen Bebauung, in einigen Fällen auch zur teilweisen oder völligen Neuordnung der Siedlungsform.

Rundlinge im Wendland

Bei über 100 Dörfern im Wendland ist diese Siedlungsform noch heute im Ortsbild ablesbar. Typische Beispiele sind Jameln und Schreyahn. Der klassische Wendland-Rundling liegt abseits von großen Verkehrswegen, ist ursprünglich mit drei bis zehn keilförmigen Vollhofstellen sehr klein und hat normalerweise nur einen einzigen Zugang. Die dicht nebeneinander stehenden niederdeutschen Hallenhäuser gruppieren sich um einen verschieden variierten rundförmigen Dorfplatz, die Wirtschaftsgiebel sind alle diesem Platz zugewandt.

Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass im Wendland schon seit den ersten kolonisatorischen Vorgängen voll ausgebildete Rundlingsdörfer vorkamen. Bei der Ordnung der slawischen Kleinsiedlungen durch die deutsche Grundherrschaft scheinen vielfach kleine halbrunde sackgassenartige Anlagen entstanden zu sein. In ihnen wurden Slawen an- und umgesiedelt, später auch deutsche Zuwanderer angesetzt. Im gesamten deutsch-slawischen Grenzstreifen entwickelten sich aus ihnen Rundlinge, wenn der Anteil der slawischen Bevölkerung zur Zeit der deutschen Ostkolonisation größer war. Damit dürfte es sich um eine Siedlungsform der westslawischen Bevölkerung im heutigen östlichen Niedersachsen handeln.

Erscheinungsbild im Wendland

Das heutige Erscheinungsbild der Rundlinge im Wendland ist nicht nur durch die Siedlungsform, sondern ebenfalls durch den Haustyp und seine Erhaltung geprägt. Die kulturhistorisch ansprechende, einmalig erhaltene Bausubstanz der heutigen Rundlinge entstand im Wesentlichen zwischen 1770 und 1870. Dies war die Zeit der großen Agrarreformen sowie der intensiven hausgewerblichen Leinwandherstellung. Nach dieser relativen wirtschaftlichen Blütezeit, in der sich ein verhältnismäßig wohlhabender Bauernstand entwickeln konnte, kam es nie wieder zu einer positiven Agrarkonjunktur im Wendland und das Ausbleiben neuer Bauphasen führte zum Erhalt der traditionellen vorindustriellen Siedlungs- und Bauformen

Literatur

  • Wolfgang Meibeyer: Rundlinge und andere Dörfer im Wendland, Weddel, 2005, ISBN 3-9810610-0-4
  • Rundlinge und Slawen, Beiträge zur Rundlingsforschung, Hrsg.: Wolfgang Jürries, Lüchow, 2004, ISBN 3-9806364-0-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rundlinge und Slawen, Beiträge zur Rundlingsforschung: "Der slawische Rundweiler ...als Vorläufer des...Rundlings der mittelalterlichen ...Kolonisation"

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