Rupert Egenberger

Rupert Egenberger

Rupert Egenberger (* 29. Dezember 1877 in Obergermaringen; † 3. Mai 1959 in Bad Tölz) war ein deutscher Sonder-/Heilpädagoge.

Inhaltsverzeichnis

Leben und wissenschaftlich-pädagogisches Wirken

Rupert Valentin August Egenberger war der erste von zwei Söhnen des Lehrers Rupert Egenberger und dessen Ehefrau Wilhelmine, geb. Beitelrock. Den größten Teil seiner Jugend verlebte er in Thalfingen bei Ulm an der Donau. In späteren Jahren erzählte er gern davon: vom Leben auf dem Dorf, dem Fischfang in der Donau, der Jagd auf den weiten Feldern, den Spaziergängen in das nahegelegene Kloster Elchingen und der abenteuerlichen Kutschfahrt nach Neu-Ulm, der Grenzstadt zum damaligen Königreich Württemberg. Der junge Mann folgte seinem Vater und ergriff ebenfalls den Beruf des Schulmanns. Seine Studien absolvierte er in Lauingen/Donau, an der dortigen Lehrerbildungsanstalt, ferner an den Universitäten in München (u. a. bei Theodor Lipps und Georg Kerschensteiner) und in Leipzig (u. a. bei Wilhelm Wundt). An genannten Universitäten belegte er die Fächer Psychologie, Psychiatrie, Physiologie und Sprachheilkunde. Nachfolgend galt sein besonderes Interesse dem Hilfsschulwesen und kämpfte vehement dafür, dass die „sprech-, lese-, schreib-, rechen- oder bewegungsgestörten Hilfsschüler“ nicht „als Schwachsinnige“ gesehen wurden. Ab Herbst 1902 unterrichtete in der ersten von ihm eröffneten Münchener Hilfsschulklasse, die in einer Baracke an der Bergmannstrasse untergebracht war. 1911 wurde er zum Ersten Vorsitzenden der Sektion Hilfsschulwesen des Münchener Lehrervereins gewählt und führte ab 1918 den Vorsitz des Hauptverbandes der Hilfsschulen Deutschlands. Ferner wurde Egenberger 1922 zum Ersten Vorsitzenden der Gesellschaft für Heilpädagogik berufen, die er mitbegründete. Zudem war er Mitherausgeber (1923-1935) der Zeitschrift für Kinderforschung. Als Lehrgangsleiter der einjährigen staatlichen heilpädagogischen Lehrgänge zur Ausbildung der (damaligen) Hilfsschullehrer (1908/09 wurde der erste Kurs in München durchgeführt) gab er sein fundiertes fachspezifisches Wissen diesem Personenkreis weiter.

Mit Beginn der Nazi-Diktatur trat Egenberger immer mehr von seinen öffentlichen Ämtern zurück und ging 1943 in den Ruhestand. Von 1933 an war er Leiter der Münchener Schwindschule. Noch gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er ausgebombt. Daraufhin übersiedelte er nach Wörleschwang (bei Zusmarshausen), wo der Pensionist in der Pfarrkirche sowie der benachbarten Wallfahrtskirche in Violau Organistendienste leistete.

1949 gründete er die Joseph Haas Gesellschaft. Diese Gründung galt nicht bloß dem Freund, den er auf dem Lehrerseminar in Lauingen an der Donau kennengelernt hatte, sondern gerade ihm als Kulturschaffenden. Diesbezüglich schrieb Egenberger: Die Notwendigkeit der Gründung von Gesellschaften zur Förderung der Kunst eines Großen ist nicht eine Liebhaberei, sondern Dienst an der Kultur.[1]

1952 zog er nach Jachenau bei Lenggries. Hier verbrachte Rupert Egenberger seinen Lebensabend und fand dort auch seine letzte Ruhestätte. Nach längerer schwerer Krankheit starb er im Krankenhaus von Bad Tölz.

Rupert Egenberger war mit Rosa Strödel (seit 1902) verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, eine Tochter und ein Sohn.

Der Hilfsschullehrer und Heilpädagoge war rege publizistisch tätig, meist in Fachzeitschriften, und verfasste auch grundlegende Schriften wie „Psychische Fehlleistung“ (1913) und „Das lernbehinderte und leistungsschwache Schulkind“ (1932). Sein zusammenfassendes Lehrbuch „Heilpädagogik“, nach wie vor ein Standardwerk der Sonder-/Heilpädagogik, erschien 1958. Innerhalb der sonder-/heilpädagogischen Literatur verwandte Rupert Egenberger erstmals den Begriff der „Behinderung“, der allerdings von ihm nicht definiert und eher im Sinn von "Schädigung" gebraucht wurde. Mit seinen wissenschaftlichen Forschungen gilt Egenberger als Pionier der Pädagogik für geistig behinderte Kinder, der Hilfsschulpädagogik, der Sonder-/Heilpädagogik allgemein.

Für seine Leistungen wurde Rupert Egenberger als "Bahnbrecher der Heilpädagogik in Bayern" 1954 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. In seinem Geburtsort erinnert der Egenbergweg an ihn. Mehrere Sonderschulen in Bayern sind nach Egenberger benannt, darunter in Amberg, Bad Aibling, Höchberg, Neu-Ulm und Unterschleißheim.

Ein Teil seines Nachlasses befindet sich im Ida-Seele-Archiv in Dillingen an der Donau.

Werke (Auswahl)

  • Psychische Fehlleistungen. Langensalza 1913.
  • Die reine Kinderleistung. Langensalza 1914.
  • Die Ausbildung der Heilpädagogen. In: Hans Goeppert (Hrsg.): Bericht über den ersten Kongress für Heilpädagogik in München. Berlin 1923, S. 79-87.
  • Das lernbehinderte und leistungsschwache Schulkind. Langensalza 1932.
  • Heilpädagogik. München 1958.

Literatur

  • M. Atzesberger: Rupert Egenberger 1877 -1959. Schulreformer - Heilpädagoge - Lehrerführer - Wissenschaftler. Bonn-Bad Godesberg 1971.
  • Manfred Berger: Rupert Egenberger. Sein Leben und Wirken. In: heilpaedagogik.de 2008/H. 2, S. 27-30.
  • Rupert Egenberger zum 80. Geburtstag. In: Joseph Haas: Reden und Aufsätze. B. Schott´s Söhne, Mainz 1964, S. 134-136.

Einzelnachweise

  1. M. Atzesberger: Rupert Egenberger 1877 -1959. Schulreformer - Heilpädagoge - Lehrerführer - Wissenschaftler. Bonn-Bad Godesberg 1971, S. 49 f.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Egenberger — Rupert Egenberger (* 29. Dezember 1877 in Obergermaringen; † 3. Mai 1959 in Bad Tölz) war ein deutscher Sonder /Heilpädagoge. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und wissenschaftlich pädagogisches Wirken 2 Werke (Auswahl) 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Rupert — bzw. Ruprecht ist ein männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung 2 Varianten 3 Namenstag 4 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Kirche St. Rupert — Rupert / Ruppert ist ein männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung 2 Namenstag 3 Varianten 4 St. Rupert geweihte Kirchen 5 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Ketterschwang — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Eg — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Obergermaringen — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Bad Tölz — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Joseph Haas — ( March 19, 1879 ndash; March 30, 1960) was a German late romantic composer and music teacher.BiographyHe was born in Maihingen, near Nördlingen to teacher Alban Haas from his second marriage, being half brother to theologist and historian Alban… …   Wikipedia

  • 1877 — Portal Geschichte | Portal Biografien | Aktuelle Ereignisse | Jahreskalender ◄ | 18. Jahrhundert | 19. Jahrhundert | 20. Jahrhundert | ► ◄ | 1840er | 1850er | 1860er | 1870er | 1880er | 1890er | 1900er | ► ◄◄ | ◄ | 1873 | 1874 | 1875 | 18 …   Deutsch Wikipedia

  • 29. Dezember — Der 29. Dezember ist der 363. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 364. in Schaltjahren), somit bleiben 2 Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage November · Dezember · Januar 1 2 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”