Ruß

Ruß
Ruß. Oben Furnace, unten Channelruß (TEM-Abbildung).

Ruß (von ahd. ruos, dunkel-, schmutzfarben) ist ein schwarzer, pulverförmiger Feststoff, der je nach Qualität und Verwendung zu 80 bis 99,5 Prozent aus Kohlenstoff besteht.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Je nach ihrem Anwendungsgebiet besitzen Ruße spezielle Eigenschaftsprofile, die durch die Art des Herstellverfahrens und durch Variation der Prozessparameter gezielt beeinflusst werden.

Ruß besteht aus kleinsten, meist kugelförmigen Teilchen, die auch Primärpartikel genannt werden. Diese haben meist eine Größe von 10-300 Nanometer, daher spricht man auch von sogenannten Nanoteilchen. Sie sind somit mehr als tausend Mal kleiner als der Durchmesser eines Haars. Diese Primärpartikel sind zu kettenförmigen, teilweise klumpenartigen Aggregaten zusammengewachsen. Viele dieser Aggregate lagern sich zusammen und bilden so die Agglomerate. Durch Variation der Herstellbedingungen können sowohl die Größe der Primärteilchen als auch deren Aggregierung gezielt eingestellt werden.

Bei diesen Dimensionen ist es nicht mehr nur die chemische Zusammensetzung allein, sondern auch die Größe und Form der Partikel, die die Eigenschaften bestimmen. Hinzu kommen Einflüsse durch jene Strukturen, die zwischen dem reinen Kohlenstoff und den großen Molekülen von Kohlenwasserstoff(resten) liegen. Optische, elektrische und magnetische Eigenschaften, aber auch Härte, Zähigkeit oder Schmelzpunkt von Nanomaterialien unterscheiden sich deutlich von denen der makroskopischen Festkörper, darin lassen sich besondere Eigenschaften des Rußes begründen. Die spezifische Oberfläche von Rußpartikeln beträgt etwa 10-1000 m2/g.

Neben dem amorphen Kohlenstoff als Ruß gibt es noch weitere Modifikationen:

  • der ideal in dichtester Packung kristallisierte Diamant,
  • der in Schichten aufgebaute Graphit und
  • sphärische Fullerene.

Schadwirkung

Ruß tritt bei Verbrennungsvorgängen als unerwünschtes Produkt auf und enthält an seiner Oberfläche adsorbierte Pyrolyseprodukte, je nach den Ausgangsstoffen auch ölige Bestandteile aus unvollständiger Verbrennung.

Solcher Ruß (englisch soot) hat im Tierversuch das Potential, Krebs auszulösen. Eine vollständige Verbrennung führt zu Kohlendioxid (CO2). Ruß entsteht bei einer unvollständigen Verbrennung zusammen mit Kohlenmonoxid (CO). Bei der unvollständigen Verbrennung entstehen als Zwischenprodukt polyzyklischen Aromaten (PAK), die die Krebsgefährdung bedingen.

In alten Heizungsanlagen setzte sich Ruß beim Abkühlen als Produkt der unvollständigen Verbrennung ab und verursachte (nicht als alleiniger Auslöser) das Versotten von Schornsteinen. Die Schadwirkung von Ruß geriet wiederholt in den Blickpunkt der Medien; ein Beispiel dafür ist die Diskussion um den Dieselruß in Lastkraftfahrzeugabgasen.

Siehe auch: Rußzahl

Herstellung

Ruß ist ein wichtiges technisches Produkt (Industrieruß, englisch carbon black), das durch unvollständige Verbrennung oder Pyrolyse von Kohlenwasserstoffen in großen Mengen hergestellt wird.[1]

Industrieruß ist heutzutage ein Hochtechnologie-Werkstoff und unterliegt genauer Prozessführung, um die gewünschten Eigenschaften gezielt zu erzeugen.

Das wichtigste (weltweit 98%) Herstellungsverfahren für Industrieruß ist der Furnace-Prozess. Bei diesem Verfahren wird in einer Brennkammer (engl. furnace) ein Heißgas von 1200 bis 1800 °C durch Erdgas- oder Ölverbrennung erzeugt. In dieses Heißgas wird dann ein Rußrohstoff, meist aromatenreiche kohle- und erdölstämmige Ruß-Öle, eingedüst. Durch unvollkommene Verbrennung und thermische Spaltung (Pyrolyse) des Rußrohstoffs wird dabei der Ruß gebildet. Nach einer bestimmten Verweilzeit wird das Prozessgasgemisch durch Wassereindüsung schlagartig abgekühlt (Quenching), und der Ruß wird in Schlauchfiltern abgetrennt. Die Brennkammern werden ganzjährig durchgehend ("24/7") im Schichtbetrieb gefahren. Die verzögerte Abkühlung im Vergleich z.B. zum kontinuierlich arbeitenden Gasruß- bzw. Channel-Verfahren begünstigt größere Rußpartikel, siehe Bild oben.

Neben Furnace- und Gasruß-Verfahren gibt es noch das Flammruß-, Acetylenruß- und Thermalrußverfahren.

Für viele Anwendungen werden notwendigerweise geeignete Nachbehandlungen des Rußes durchgeführt. Beispielsweise werden Ruße für hochfarbtiefe Lacke durch eine nachträgliche Oxidation aus Basisruß hergestellt. Die oxidischen Gruppen ergeben eine bessere Benetzung mit Bindemitteln und Harzen.

Füllstoffruß

Industrie-Ruß wird zu über 90 Prozent als Füllstoff in der Gummiindustrie verwendet, hauptsächlich für Autoreifen und Förderbänder.

Für Autoreifen gibt es ungefähr 40 verschiedene Rußtypen, die dem Gummi jeweils spezifische Eigenschaften vermitteln. International üblich ist die Klassifizierung von Standardrußen nach der US-amerikanischen ASTM-Norm. Im Bereich der GUS-Staaten ist auch die abweichende GOST-Norm gebräuchlich.

Durch die Nanostrukturierung wird im Herstellungsprozess angestrebt, die drei wichtigsten Kenngrößen von Autoreifen gezielt zu optimieren, dieses sind Rollwiderstand, Nassrutschfestigkeit und Abrieb.

Bezeichnung Abkürzung ASTM-Code Anmerkung
Super Abrasion Furnace SAF N 110 sehr abriebfester Typ
Intermediate S.A.F. ISAF N 220 Ruß für Reifenlaufflächen
ISAF - Low Modulus ISAF-LM N 234 ISAF Variante mit besseren Verarbeitungseigenschaften
Super Conductive Furnace SCF N 294 elektrisch leitfähiger Typ
High Abrasion Furnace HAF N 330
HAF - Low Structure HAF-LS N 326 für Haftmischungen verwendete Type und Verbrauchmaximierung
HAF - High Structure HAF-HS N 347 ähnlich wie N 220
Fine Furnace FF N 440 US-Type (in Europa nicht gebräuchlich)
Extra Conductive Furnace XCF N 472 nicht mehr gebräuchlicher Typ
FEF - Low Structure FEF-LS N 539
Fast Extrusion Furnace FEF N 550 Einsatz z.B. in Profilen
FEF - High Structure FEF-HS N 568
High Modulus Furnace HMF N 601 US-Type (in Europa nicht gebräuchlich)
General Purpose Furnace GPF N 660 Karkassenruß
SRF - Low Modulus, non staining SRF-LM-NS N 762 Type für nicht verfärbende technische Artikel
Semi Reinforcing Furnace SRF N 770
Multi Processing Furnace MPF N 785 selten eingesetzte Type
Fine Thermal FT N 880 US-Type (in Europa eher nicht gebräuchlich)
Medium Thermal MT N 990 inaktivster Typ

Leitruß

Besitzt der Ruß kleine Primärteilchen und hat weitverzweigte Aggregate, so ermöglicht er eine elektrische Leitfähigkeit in verschiedenen Anwendungen. Man spricht daher speziell von Leitruß oder Leitfähigkeitsruß für diese Produktqualitäten.

Leitfähigkeitsruß wird in der Elektroindustrie genutzt und als Rohstoff für Ingenieurkeramiken, sowie für Elektrodenmaterial verwendet. Eine spezielle Anwendung besteht in der Herstellung elektrisch leitfähiger Druckfarben, die als Sicherheitsmerkmal für Dokumente dienen. Mit diesen schwarzen, leitenden Druckfarben werden auch Leiterbahnen gedruckt.

Farbruß (Flammruß, lamp black)

Farbruß

Ruß wird als Schwarz-Pigment (C. I. Pigment Black 7) für Druckfarben, Tuschen, Lacke zur Einfärbung von Kunststoffen (insbesondere als UV-Schutz) genutzt. Auch in Spezialitäten wie Maskara, Graberde, Dekorpapier und Fasern dient er als Schwarzpigment.

Farbruße sind nanoteilige Ruße, die durch ihre Feinheit zunehmend den braunen Grundton verlieren. Ihre Verwendung erfolgt insbesondere bei der Herstellung von schwarzen Druckfarben der unterschiedlichsten Druckverfahren. Da die gedruckten Schichten sehr dünn und teilweise transparent sind, ist eine besondere Rußqualität erforderlich. Für eine ausreichende Farbtiefe (Schwarzton) von preiswerteren Rußqualitäten, insbesondere bei Zeitungsdruckfarben, wird oft mit Blaupigmenten geschönt.

Ruße für hochfarbtiefe Lacke werden durch nachträgliche Oxidation des Basisrußes hergestellt. Die oxidischen Gruppen ergeben eine bessere Kompatibilität mit den Bindemitteln und Harzen.

Weitere Anwendungen

Acetylen-Ruß (engl. acetylene black) wird als Zusatz bei der Herstellung von Kathoden für Zink-Kohle-Batterien verwendet. Die Zugabe von Acetylen-Ruß erhöht die elektrische Leitfähigkeit des elektrochemisch aktiven Mangandioxids (Braunstein) und erlaubt eine bessere Aufnahme von Elektrolytlösung in der Kathode.


Einzelnachweise

  1. Brockhaus ABC Chemie, VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig 1965, S. 1219.

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