Röntgenteleskop

Röntgenteleskop

Röntgenteleskope sind Instrumente zum Empfangen und Messen der aus dem Weltall kommenden Röntgenstrahlung. Man unterscheidet abbildende Teleskope, welche die flächenhafte Intensitätsverteilung von Röntgenquellen untersuchen können, und Instrumente ohne optisches Abbildungssystem.

Die Röntgenastronomie ist ein sehr junger Forschungszweig. Astronomische Röntgenquellen sind v.a. die Sonnenkorona, junge oder sehr heiße Sterne (über 100.000°), Supernova-Explosionen, aktive Galaxienkerne und energiereiche Synchrotronstrahlung in starken Magnetfeldern. Sie sind vom Erdboden aus nicht beobachtbar, weil die Atmosphäre in diesem Energiebereich der elektromagnetischen Strahlung nicht durchlässig ist. Deswegen werden Röntgenteleskope meist in Forschungssatelliten oder Weltraumobservatorien eingesetzt. Frühe Messungen in den 1960er Jahren wurden auch mit Hilfe von ballistischen Raketenflügen (Höhenforschungsraketen) durchgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Abbildende Instrumente

Der Bau eines Röntgenteleskops wird durch die Besonderheiten der Röntgenoptik erschwert. Insbesondere fehlen Materialien, die Röntgenstrahlen wie sichtbares Licht reflektieren oder brechen. Nahezu alle Materialien - auch Metalle - absorbieren Röntgen-Photonen bei senkrechtem oder steilem Aufprall und der Brechungsindex ist sehr nahe bei 1, was eine optische Abbildung mit Linsen unmöglich macht.

Das Problem lässt sich mit der Aufgabe vergleichen, den Kugelhagel eines Gewehrs in eine bestimmte Richtung umzulenken. Treffen die Kugeln senkrecht auf eine Metallplatte, wird diese eingebeult oder durchlöchert. Nur wenn die Kugeln flach am Metall entlangstreifen, werden sie ein wenig zur Seite gelenkt.

Prinzip des Wolter-Teleskops: streifende Röntgen-Reflexion durch aufeinanderfolgende, koaxiale Metallspiegel aus Paraboloid- und Hyperboloidringen. Das Verhältnis Durchmesser zu Länge muss mindestens 1:10 betragen, um Totalreflexion zu erreichen.

Abbildende Röntgenteleskope fokussieren die einfallenden Strahlung daher durch Reflexion an gekrümmten Metallspiegeln, die als Teile eines Paraboloids oder Hyperboloids geformt sind (siehe Bild). Auf ihren oft zusätzlich beschichteten Flächen müssen die Röntgenstrahlen aber ganz streifend einfallen, d.h. weit vom Paraboloidscheitel entfernt. Ist der Einfallswinkel größer als etwa 3°, geht die sehr energiereiche Strahlung durch das Material durch. Die Teleskope sind daher sehr langgestreckte Tuben, ganz anders als die schüsselförmigen Radioteleskope. Sie können aber die Röntgenquellen nicht nur abbilden, sondern auch Strahlungsintensitäten und Spektren messen.

Erste Röntgenteleskope

Das Röntgenteleskop des 1970 gestarteten Satelliten Uhuru war eine Bleiplatte, die von vielen parallelen Bohrungen durchzogen war, so dass nur Strahlung aus einer bestimmten Richtung den Strahlungsdetektor erreichen konnte. Diese Apparatur war also kein Teleskop im Wortsinn, sondern nur ein Kollimator, der den verwendeten Detektor richtungsempfindlich machte.

In späteren Röntgenteleskopen wurden und werden langgezogene, paraboloidförmige Spiegelanordnungen verwendet, die nach ihrem Erfinder Hans Wolter (1952) als Wolter-Teleskope bezeichnet werden. Hier wird der Effekt der Totalreflexion von Röntgenstrahlen bei streifendem Einfall (2-3°) an Metallspiegeln genutzt, um eine Vergrößerungswirkung wie bei Lichtteleskopen zu erreichen. Um den nur ringförmigen Strahlungseinfall zu verstärken, werden Reflektoren verschiedenen Durchmessers koaxial ineinander geschoben. Als erstes derartiges Teleskop wurde 1977 das High Energy Astronomy Observatory 1 (HEAO-1) gestartet, gefolgt von zwei weiteren HEAO-Satelliten bis 1979.

Derzeitige Röntgenteleskope

Die modernsten Wolterteleskope arbeiten mit 3- oder 4-fach verschachtelten ("genesteten") Spiegelsystemen, die in Längsrichtung nur wenig gekrümmt sind und deren koaxiale Röhren fast wie langgestreckte Zylinder erscheinen. Bei einigen Bauweisen erfolgt die jeweils zweite Reflexion nicht an der benachbarten Fläche, sondern an der Außenseite des inneren Tubus, oder umgekehrt: an der Außenseite eines Paraboloids und der Innenseite eines Ellipsoidspiegels.

Die heutige Röntgenastronomie wird von zwei Satellitenteleskopen dominiert: dem von der NASA 1999 gestarteten Chandra X-ray Observatory, benannt nach Subrahmanyan Chandrasekhar, und dem europäischen XMM-Newton (X-ray Multi-Mirror, zu deutsch Röntgen-Mehrfachspiegel. Beide wurden Ende 1999 gestartet und werden bis etwa 2015 in Betrieb sein. Die Teleskope sind 13 bzw. knapp 10 Meter lang und haben durch extrem hohe Schliffgenauigkeit ein Auflösungsvermögen von 1 bzw. 5 Bogensekunden; XMM-Newton macht die etwas geringere Auflösung durch eine wesentlich höhere Empfindlichkeit wett. Die Bahnen sind langgestreckte Ellipsen mit dem Apogäum in 80.000 bzw. 115.000 km Erdentfernung. XMM kann mit dem 2003 gestarteten Gammateleskop Integral kooperieren, das auch optische und Röntgenstrahlenmonitore zur Identifizierung von Gammablitzen besitzt.

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Zimmermann, Alfred Weigert: Lexikon der Astronomie. Spektrum-Verlag, Heidelberg 1999
  • J.Bennett, M.Donahue, N.Schneider, M.Voith: Astronomie (Kapitel 6.4), Hsg.Harald Lesch, 5. Auflage (1170 S.), Pearson-Studienverlag, München-Boston-Harlow-Sydney-Madrid 2010
  • Sterne und Weltraum: Perspektiven der Röntgen-Astronomie. Special 3/2003 "Der heiße Kosmos", Heidelberg 2003.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Röntgenteleskop — Rọ̈nt|gen|te|le|skop 〈n. 11〉 Radioteleskop, mit dem die von Sternen ausgehenden Röntgenstrahlen untersucht werden * * * Rọ̈ntgenteleskop,   Astronomie: Instrument zum Empfangen und Messen der aus dem Weltall kommenden Röntgenstrahlung. Neben… …   Universal-Lexikon

  • Röntgenteleskop — Rọ̈nt|gen|te|le|skop auch: Rọ̈nt|gen|te|les|kop 〈n.; Gen.: s, Pl.: e; Astron.〉 Hilfsmittel der Röntgenastronomie, mit dem die von Sternen ausgehenden Röntgenstrahlen untersucht werden …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Chandra-Röntgenteleskop — Röntgenteleskop Chandra (Illustration: MSFC/NASA) Funktionsweise des vierfach verschachtelten Wolter Teleskops (Illustration: NASA) Chandra (vollständiger Name …   Deutsch Wikipedia

  • Chandra-Weltraumteleskop — Röntgenteleskop Chandra (Illustration: MSFC/NASA) Funktionsweise des vierfach verschachtelten Wolter Teleskops (Illustration: NASA) Chandra (vollständiger Name …   Deutsch Wikipedia

  • Chandra X-Ray Observatory — Röntgenteleskop Chandra (Illustration: MSFC/NASA) Funktionsweise des vierfach verschachtelten Wolter Teleskops (Illustration: NASA) Chandra (vollständiger Name …   Deutsch Wikipedia

  • Chandra (Teleskop) — Röntgenteleskop Chandra (Illustration: MSFC/NASA) Chandra (vollständiger Name: Chandra X ray Observatory) ist ein Satellit mit einem Röntgenteleskop. Er wurde am 23. Juli 1999 von der NASA mit dem Space Shuttle Columbia in die Umlaufbahn gebracht …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der unbemannten Raumfahrtmissionen — Es wird zwischen zwei Arten von unbemannten Raumfahrtmissionen unterschieden, den Raumsonden und den Erdsatelliten. Maßgebender Unterschied ist die Geschwindigkeit von 11,2 km/s, welche eine Raumsonde überschreiten muss, um das Schwerefeld… …   Deutsch Wikipedia

  • CAST-Experiment — CERN Axion Solar Telescope (CAST) Das CAST Experiment am europäischen Kernforschungszentrum CERN. Dargestellt ist der supraleitende CAST LHC Magnet mit Nachführsystem und das Helium Kühlsystem zum Betrieb des Magneten (links) …   Deutsch Wikipedia

  • Interim Upper Stage — Die IUS die das Röntgenteleskop Chandra in seine hochelliptische Umlaufbahn brachte. Die IUS (Inertial Upper Stage, oder ursprünglich Interim Upper Stage) ist eine von Boeing hergestellte, zweistufige Oberstufe, mit deren Hilfe Satelliten aus… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Mu-Raketenstarts — Das ist die Startliste der japanischen Mu Trägerrakete. In ihrer aktiven Zeit von 1966 bis 2006 wurden 34 Starts durchgeführt, davon waren 30 ein Erfolg, einer ein Teilerfolg und drei Fehlstarts, was einer Zuverlässigkeit von 85 % entspricht …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”