S-Lost

S-Lost

Die Stoffgruppe der Loste umfasst eine Reihe chlorierter organischer schwefel- oder stickstoffhaltiger Verbindungen und ist vor allem aufgrund des Einsatzes einiger dieser Substanzen als chemische Waffen bekannt. Das häufig kurz einfach „Lost“ genannte Senfgas ist dabei der bekannteste Vertreter dieser Stoffgruppe.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Loste sind Flüssigkeiten. N-Lost, hier HN-3, wird allerdings im Allgemeinen als Hydrochlorid, also als Feststoff, eingesetzt. Diese werden durch die Zerlegerladung (bei Granaten) oder eine geeignete Sprühvorrichtung in Form von Flüssig-Aerosolen oder, im Fall von N-Lost-Hydrochlorid, in Feststoff-Aerosole freigesetzt. Vermutlich wurde nach dem Ersteinsatz von Chlorgas der Begriff Giftgas unterschiedslos für alle anderen Kampfstoffe übernommen. Sowohl S-Lost als auch N-Lost wurden auf Grund der Kennzeichnung der damit gefüllten Munition als Gelbkreuzkampfstoffe bezeichnet. Lost durchdringt poröses Material und manche Gummi- und Kunststoffarten. Teilweise werden die Kampfstoffe mit Wachsen, Harzen oder Kunststoffen angereichert, um Zäh-Lost zu schaffen, welches an Materialien haften bleibt und somit schwieriger zu entgiften ist.

Schwefelloste (S-Lost)

Bei den Schwefellosten handelt es sich um endständig chlorierte Thioether. Diese Gruppe umfasst neun Chemikalien:

Chemikalie Code Trivialname CAS-Nr. PubChem Struktur
Bis(2-chlorethyl)sulfid H/HD Lost, Senfgas 505-60-2 10461
1,2-Bis-(2-chlorethylthio)-ethan Q Sesqui-Yperit 3563-36-8 19092
Bis-(2-chlorethylthioethyl)-ether T Oxol-Lost 63918-89-8 45452
2-Chlorethylchlormethylsulfid 2625-76-5
Bis-(2-chlorethylthio)-methan HK 63869-13-6
Bis-1,3-(2-chlorethylthio)-n-propan 63905-10-2
Bis-1,4-(2-chlorethylthio)-n-butan 142868-93-7
Bis-1,5-(2-chlorethylthio)-n-pentan 142868-94-8
Bis-(2-chlorethylthiomethyl)-ether 63918-90-1

Reines S-Lost ist geruch- und farblos; der typische knoblauchähnliche Geruch entsteht, da S-Lost im Allgemeinen aus praktischen Gründen nur in technischer Qualität synthetisiert wird und die hierin in Spuren vorhandenen Neben- und Zersetzungsprodukte geruchlich dem Duftstoff von Knoblauch (Allicin) ähneln. Weiterhin ist das technische Produkt meist mit kolloidal gelöstem Schwefel verunreinigt und erscheint deswegen milchig bis gelblich.[1]

Während des ersten Weltkrieges wurde festgestellt, dass im Oxol-Verfahren gewonnener Rohlost giftiger als anders gewonnener Reinlost war. Die Ursache dafür waren geringe Mengen Oxol-Lost, welches deutlich giftiger ist. Dies wurde erst nach Ende des Krieges nachgewiesen.

Neben dem normalen S-Lost wurde während des 1. Weltkrieges auch das sogenannte Winterlost hergestellt. Um den Gefrierpunkt zu senken gab man dem S-Lost z. B. Arsinöl hinzu oder vermischte es mit anderen Losten.

Als weitere Mischungen sind u. a. bekannt:

Stickstoffloste (N-Lost)

Der Gruppe der Stickstoffloste gehören drei tertiäre, zumindest zweifach terminal chlorierte Amine an:

Chemikalie Code Trivialname CAS-Nr. PubChem Struktur
Bis-(2-chlorethyl)-ethylamin HN-1 Ethyl-S 538-07-8 10848
Bis-(2-chlorethyl)-methylamin HN-2 Mechlorethamin, Chlormethin 51-75-2 4033
Tris-(2-chlorethyl)-amin HN-3 Trichlormethin 555-77-1 5561

HN-1 wurde Anfang der 1930er Jahre als Warzenentferner entwickelt; erst später stellte sich seine militärische Nutzbarkeit heraus.

HN-2 wurde zunächst als Kampfstoff entwickelt. Später stellte man daraus ein Medikament gegen Lymphknotenkrebs her (Chlormethin, CAS 55-86-7)[2]

Toxizität

Hauptexpositionswege der Loste sind die perkutane oder die inhalatorische Aufnahme von Dämpfen (nur bei S-Lost). Lost ist ein starkes Hautgift und erwiesenermaßen krebserregend. Die Wirkung auf die Haut ist vergleichbar mit starken Verbrennungen oder Verätzungen. Es bilden sich große, stark schmerzende Blasen. Die Verletzungen heilen schlecht. Das Gewebe wird nachhaltig zerstört und die Zellteilung gehemmt. Großflächig betroffene Gliedmaßen müssen meistens amputiert werden. Werden die Dämpfe eingeatmet, so werden die Bronchien zerstört.

Eine Entgiftung der Haut kann durch eine sofortige Behandlung durch Abwaschen mit starker Seifenlauge oder durch Besprühen der betroffenen Stellen mit Chlorkalk erfolgen. Ein Abdecken der betroffenen Körperregionen, beispielsweise durch Kleidung oder Decken, ohne vorherige Entgiftung, verschlimmert die Symptome zusätzlich.

Die toxische Wirkung beider Lost-Varianten kommt durch die Bildung von hochreaktiven Verbindungen durch einen intramolekularen SN1-Angriff des Stickstoffs oder Schwefels auf das an das Chlor gebundene Kohlenstoffatom zustande (Nachbargruppeneffekt). Dabei bildet sich im Falle von N-Lost ein Aziridiniumion oder Thiiran im Falle des S-Lost. In beiden Fällen bildet sich zusätzlich Chlorwasserstoff, welcher mit Wasser zu Salzsäure reagiert.

Das Auge reagiert am empfindlichsten auf S-Lostdampf. Die Folge ist eine im glimpflichen Fall vorübergehende Erblindung, da das massive Lidödem eine aktive Augenöffnung verhindert. Die Augen sind bis zu einem gewissen Grad in der Lage, sich zu regenerieren. Daher bestehen oftmals gute Heilungschancen und Aussicht auf das Wiedererlangen der Sehkraft, allerdings kann das einige Monate dauern.

Medizinische Nutzung von Lost-Derivaten

Die Erfahrungen mit der die Zellteilung hemmenden Wirkung von Senfgas führten dazu, dass nach dem Ersten Weltkrieg die ersten Zytostatika auf der Basis von Stickstofflost entwickelt und in der Krebstherapie eingesetzt wurden. Allerdings waren die originalen Kampfgase für die medizinische Verwendung noch viel zu giftig. Beispiele für erfolgreiche Krebsmedikamente auf Lost-Basis sind Cyclophosphamid, Ifosfamid und Chlorambucil.

Quellen

  1. wissenschaft-online: Eintrag zum Bis(2-chlorethyl)sulfid im Lexikon der Biologie/Chemie
  2. http://www.tiscali.co.uk/lifestyle/healthfitness/health_advice/netdoctor/archive/100001771.html

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