Salzgradientenkraftwerk

Salzgradientenkraftwerk

Ein Osmosekraftwerk (Salzgradientenkraftwerk) ist ein Kraftwerk, das den Unterschied im Salzgehalt zwischen Süßwasser und Meerwasser nutzt, um daraus Energie zu gewinnen und Strom zu erzeugen. Vorschläge für ein Kraftwerk, das die Osmoseenergie (Salzgradientenenergie) technisch ausnutzt, wurden zuerst in den 1970er Jahren publiziert. Konkrete Forschungs- und Entwicklungsprojekte gibt es seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. 2008 begann der Bau des weltweit ersten Osmosekraftwerks am norwegischen Oslofjord.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsprinzip

Detaillierte Darstellung der Funktionsweise eines Osmosekraftwerks: Salzwasser wird zunächst gefiltert und unter Druck gesetzt, bevor es sich in den Membranmodulen mit Süßwasser vermischt. Durch die Turbine fließt genau soviel Wasser, wie in der gleichen Zeit durch die Membran diffundiert. Dazu muss in dieser Zeit ungefähr die doppelte Menge Salzwasser durch die Anlage geschleust werden, um den Konzentrationsunterschied aufrechtzuerhalten.

Die Energiegewinnung beruht auf dem physikalischen Prinzip der Osmose. Werden zwei Salzlösungen unterschiedlicher Konzentration über eine semipermeable Membran in Kontakt gebracht, die nur das Wasser (allg. Lösungsmittel), nicht jedoch die gelösten Salze hindurchtreten lässt, so kann ein Konzentrationsausgleich nur dadurch erreicht werden, dass Wasser von der niedriger in die höher konzentrierte Lösung übertritt. Dadurch baut sich auf dieser Seite ein Druck auf, der genutzt werden kann, um eine Turbine anzutreiben und Strom zu erzeugen. Bei einem Salzgehalt von 3,5 % ergibt sich bei einer Temperatur von 10°C ein osmotischer Druck von rund 28 Bar. Da das Salzwasser durch das eindringende Süßwasser ständig verdünnt wird, und umso stärker, je effizienter und schneller die Osmose läuft, kann im Dauerbetrieb nur ein deutlich geringerer Druck von derzeit etwa 15 Bar erreicht werden.

Die technische Realisierung erfordert spezielle Membranen, die Salze effizient zurückhalten, aber gleichzeitig gut durchlässig für Wasser sind. Wegen des Mangels an geeigneten Membranen konnte das Prinzip in den 1970er Jahren nicht realisiert werden. Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es neue Ansätze, um geeignete Membranen aus Polymeren zu entwickeln.

Schematische Darstellung des zugrundeliegendes Funktionsprinzips

Das Funktionsprinzip des Osmosekraftwerks entspricht der Umkehrung des Prozesses, der in einem Typ von Meerwasserentsalzungsanlagen abläuft: Bei der Meerwasserentsalzung nach dem Prinzip der Umkehrosmose muss Energie aufgewendet werden, um Süßwasser und Salzwasser zu trennen, während im Osmosekraftwerk aus der Mischung von Süß- und Salzwasser Energie gewonnen wird.

Der direkte Energielieferant für ein Osmosekraftwerk ist der unterschiedliche Salzgehalt (der Salzgradient) zweier Lösungen, die dazu tendieren, ihre Konzentrationen anzunähern. Im Unterschied zu konventionellen Wasserkraftwerken ist die treibende Kraft bei der Energiegewinnung also nicht die potenzielle Energie (wie bei Speicherkraftwerken) oder die kinetische und potenzielle Energie (wie bei Laufwasserkraftwerken) großer Wassermassen, sondern vielmehr die Steigerung der Entropie nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.

In einer indirekteren, übergeordneten Betrachtung liefert die Energie für ein Osmosekraftwerk die Sonne: Indem sie durch ihre Strahlung zur Verdunstung von Wasser aus dem Meer beiträgt, ermöglicht sie die Trennung von (im Meer verbleibendem) Salzwasser und (verdunstetem) Süßwasser. Das verdunstete Wasser fließt über Wolkenbildung, Niederschläge und Flüsse zurück ins Meer, wo bei der erneuten Durchmischung diejenige Energie in einem Osmosekraftwerk teilweise zurückgewonnen werden kann, die ursprünglich von der Sonne aufgebracht worden war. Die Osmoseenergie wird also von der Sonne „nachgefüllt“ und ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich. Sie ist daher eine Form der Erneuerbaren Energien, was durch ihre Erwähnung im deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (unter dem Namen Salzgradientenenergie, s. §3) bereits vor ihrer technischen Realisierung offizielle Anerkennung gefunden hat.

Potenzial für die Energiegewinnung

Osmosekraftwerke können im Prinzip am besten an Flussmündungen gebaut werden. Daneben sind als Standorte alle Stellen denkbar, an denen sich zwei Wasserläufe unterschiedlichen Salzgehalts treffen - beispielsweise auch Mündungen von stark salzhaltigen Abwasserläufen in Flüsse. Der erzielbare Energiegewinn ist umso größer, je höher die Durchflussmenge und je größer der Unterschied im Salzgehalt ist. Der aussichtsreichste Standort auf deutschem Boden wäre wahrscheinlich die Mündung der Elbe in die Nordsee. Könnte diese sowie andere deutsche Flüsse, die in Nord- und Ostsee münden, vollständig für Osmosekraftwerke genutzt werden, so wäre nach einer Schätzung theoretisch eine maximale Energie-Leistung von 1400 Megawatt erzielbar. Die wesentlich höheren Durchflussmengen von Rhein und Donau sind dabei nicht mitgerechnet, da diese außerhalb Deutschlands münden.

Eine solche vollständige Nutzung eines gesamten Flusses wird aber in der Praxis voraussichtlich nicht realisierbar sein, aus technischen Gründen ebenso wie aus Rücksicht auf Schifffahrt und die Ökologie der Flüsse.

Höhere Leistungen könnten an Gewässern erzielt werden, die einen höheren Salzgehalt als Nord- und Ostsee aufweisen, insbesondere am Mittelmeer und vor allem am Toten Meer oder am Great Salt Lake in Utah, USA.

Umsetzung

Die Grundlagen einer ausreichend stabilen Membran für die Großtechnische Nutzung wurden seit 2004 in einem von der EU geförderten Forschungsprogramm geschaffen[1]. Systempartner sind Statkraft SF (Norwegen), Instituto de Ciencia e Tecnologia de Polimeros (Portugal); Norwegian Institute of Technology SINTEF (Norwegen); Technische Universität Helsinki (Finnland) und das GKSS-Forschungszentrum (Deutschland).[2] Aktuell ist eine elektrische Leistung von drei Watt pro Quadratmeter Membran erzielbar.[3]

Im Herbst 2007 verkündete der norwegische Staatskonzern Statkraft den weltweit ersten Bau eines solchen Kraftwerks bei Hurum, an einer Flussmündung im südlichen Ausläufer des Oslofjordes.[4] Es soll Ende 2009 fertiggestellt sein. Auf einer 100 m2 Fläche sind 2000 m2 Membranen untergebracht. Damit soll eine Leistung von knapp 10 Kilowatt erzeugt werden.[3]

Nächstes, für 2015 geplantes Ziel ist ein 25-Megawatt-Kraftwerk mit 5 Millionen Quadratmetern Membranfläche. Statkraft schätzt, dass Norwegen langfristig 10 % seiner elektrischen Energie aus Osmosekraftwerken decken kann.[3]

Literatur

  • Loeb, Sidney (1975). Osmotic Power Plants. Science 189, 654-655.
  • Loeb, Sidney (1998). Energy Production at the Dead Sea by Pressure-Retarded Osmosis: Challenge or Chimera? Desalination 120, 247-262.
  • Norman, Richard S. (1974). Water Salination: A Source of Energy. Science 186, 350-352.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Abschlussbericht des Forschungsprogramms: The salinity power project Oktober 2004
  2. Max-Planck-Institut für Plasmaphysik: Osmosekraftwerk - Die Mischung machts März 2005
  3. a b c Sebastian Balzter: Zukunftsmusik aus der Doppelgarage. In: FAZ Nr. 272 vom 20. November 2008, S. 20
  4. ORF: Norweger bauen weltweit erstes Salzkraftwerk 13. Oktober 2007

Siehe auch


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