Santo Spirito in Sassia

Santo Spirito in Sassia
Ospedale di Santo Spirito in Sassia, Rom, Piazza della Rovere

Santo Spirito in Sassia ist ein ehemaliges Hospiz in Rom. Es war eines der größten mittelalterlichen Krankenhäuser und eine bedeutende Forschungseinrichtungen für die medizinischen Wissenschaften und die Pharmazie der frühen Neuzeit.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Der Baukomplex am linken Tiberufer ist auf einem weiträumigen dreiseitigen Grundstück angesiedelt, der von den Straßen Lungotevere in Sassia, Borgo Santo Spirito, Via de' Penitenzi und Via di Porta S. Spirito sowie der Piazza della Rovere umschlossen wird. Er umfasst neben der gleichnamigen Kirche „Santo Spirito in Sassia“ mit einem Campanile aus der frühen Renaissance, das Conservatorio delle Zitelle, den Palazzo del Commendatore, die Corsia Sistiana, ein unter Sixtus IV. errichteter Krankenhaussaal , die Sala Alessandrina, in der heute das Museo Storico dell'Arte Sanitaria untergebracht ist, sowie mehrere Innenhöfe, Brunnen und kleinere Nebengebäude.

Geschichte

Das Hospital gehört zu den frühesten karitativen Einrichtungen Roms. Hervorgegangen ist es aus einer Stiftung des Königs Ine von Sassia (Sassia = Sussex). Ine hatte, wie schon einer seiner Vorgänger, Caedwalla, König von Wessex, nach Niederlegung seines Amtes eine Pilgerreise nach Rom angetreten. Caedwalla hatte mit Einwilligung Papst Gregors II. bereits ein Haus und eine Kapelle für englische Landsleute errichten lassen, die ständig in der Nähe des Petrusgrabes lebten. Diese Einrichtung am westlichen Ufer des Tiber wurde Schola Saxonum oder auch Burgus Saxonum genannt, woher auch der Name dieses Stadtteiles (ital. Rione) „Borgo“ herrührt. In der Nähe der Schola Saxonum befanden sich ähnliche Einrichtungen anderer Volksgruppen, wie der Franken, der Friesen, deren Nationalkirche San Michele e Magno sich noch heute in unmittelbarer Nähe von Santo Spirito befindet, oder der Armenier und der Ungarn. Zu dem von Ine um 727/728 gestifteten Hospiz für die englischen Pilger gehörte auch eine Kirche, in die er eine Madonnenikone stiftete, weswegen sie zunächst S. Maria in Saxia hieß, und in der Ine nach seinem Tod im Jahre 728 bestattet wurde.

Innozenz III.
Wappen des Ordens

Im 11. und 12 Jh. erlebte Rom und auch der von Ine gegründete Spitalkomplex einen Niedergang. Vor allem im Zuge des Normanneneinfalls gingen die Zahlen englischer Pilger stark zurück. Das Hospiz wurde sogar mehrmals Opfer von Bränden und verfiel, so dass sich das ursprüngliche Aussehen heute nicht mehr rekonstruieren lässt. Erst Innozenz III., der die Festigung päpstlicher Macht und die Stellung Roms im damaligen Europa energisch vorantrieb, nahm sich des heruntergekommenen Hospizes an. Im Jahr 1198 ließ er Spital und Kirche von Marchionne d'Arezzo neu errichten und schenkte am 12. Dezember 1202 Guido von Montpellier und der von ihm gegründeten Spitalgemeinschaft der Brüder vom Orden des Heiligen Geistes die Kirche „Santa Maria in Saxia“ samt dem dazugehörgen Hospiz für die englischen Pilger und stattete sie mit weitreichenden Zuwendungen und Privilegien aus. [1]

Kirche und Hospital führten ab jetzt den Namen „Santo Spirito in Sassia“ bzw. Arco-ospedale di Santo Spirito in Sassia, Zweck des Hospitals war die Versorgung Kranker, die Unterstützung der Armen und die Pflege und Betreuung von Findelkindern.

Das Exil der Päpste in Avignon von 1309 bis 1376 hatte seine negativen Auswirkungen auf die zugesicherten finanziellen Zuwendungen durch die Kurie, der Betrieb wurde jetzt allein durch den Orden finanziert und es kam zu einem neuen Niedergang des Hospizes. Erst Eugen IV. und vor allem Sixtus IV. kümmerten sich wieder um das Hospiz, die päpstlichen Privilegen und Vergünstigungen wurden unter beiden Päpsten bestätigt und erweitert, und beide nahmen das Hospital unter ihre Obhut. Am 23. Januar 1477 proklamierte Sixtus, dass Santo Spirito di Sassia direkt dem Pontifex Maximus unterstellt sei. [2]

Banco di Santo Spirito

Zur Verwaltung der Spendengelder und Legate, die dem Hospital zuflossen und zur Sicherung der Finanzierung steigender Betriebskosten, richtete Papst Paul V. 1605 den Banco di Santo Spirito ein, die erste in Rom gegründete Bank überhaupt. [3] Die Kurie stieg damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte in das professionelle Bankgeschäft ein. Die Bank führte die Ausgabe von Kupons ein, eine Innovation, die sich in der Branche schnell verbreiten sollte. Die so genannten Luoghi di monte, die im Prinzip den modernen Bankobligationen entsprachen, wurden durch das Vermögen von Santo spirito garantiert. Durch den Banco di Santo Spirito konnten in der Folge aufwendigen Bauprojekte der Kurie, wie die Erschließung einer neuen Trinkwasserversorung aus dem Bracciano-See sowie private Projekte der römischen Adelsfamilien finanziert werden. 1667 wurde der Sitz der Bank in die päpstliche Münze (Zecca) verlegt. 1811 wurde die Bank von der französischen Verwaltung geschlossen, konnte Mitte des Jahrhunderts die Geschäfte wieder aufnehmen und fusionierte 1992 mit anderen römischen Bankhäusern zur Banca di Roma S.p.A..

Die Corsia Sistina

Sala Lancisi
Sala Baglivi

Mit der Corsia Sistina erhielt „Santo Spirito“ zwischen 1473 bis 1478 einen modernen Neubau, in dem alle damals aktuellen Kenntnisse der Krankenpflege verwirklicht wurden. Errichtet wurde das Krankenhaus auf den Resten des mittelalterlichen Hospizes, eine Mitwirkung am Entwurf durch Baccio Pontelli, renommierter Florentiner Festungsbaumeister und Hofarchitekt Sixtus IV., wird vermutet. [4] Der Bau, bestehend aus zwei etwa gleich großen Flügeln, die symmetrisch an das Tiburium anschließen, ist 120 Meter lang, 12 Meter breit und 13,30 Meter hoch. Benannt sind die Säle nach Giorgio Baglivi und Giovanni Maria Lancisi, zwei Ärzten des 17. und 18. Jahrhunderts, die am Hospital tätig waren.

Das „Tiburium“, ein hoher, säulengestützter oktogonaler Zentralbau, in dessen Obergeschoss sich abwechselnd Bi- und Triforienfenster öffnen, ist ein Sakralbau. Er beherbergt das aufwendige Ziborium aus farbigen Marmor mit dem San Giobbe Altar (Altar des Hl. Hiob) mit einem Gemälde von Carlo Maratta. Die Arkaden des Untergeschosses öffnen sich zu den seitlichen Sälen und erlaubten den Patienten den Blick auf den Altar.

Aus hygienischen Gründen blieben die Wände bis hin zu den Oberlichtfenstern weiß gestrichen, während im Bilderfries der Fensterzone wichtige Ereignisse aus der Geschichte des Hospitals und dem Leben der beiden Stifter, den Päpsten Innnozenz und Sixtus geschildert werden. An der Kopfseite der Sala Lancisi öffnet sich ein Fenster zur Spezeria, der Apotheke, durch das die behandelnden Ärzte das Pflegepersonal und die Patienten überwachen konnten. Zwei Portale führen in das Hospiz, eins im Portikus auf der Tiberseite und das prachtvolle Hauptportal aus feiner Steinmetzarbeit gegenüber dem Tiburium, das Andrea Bregno zugeschrieben wird. In der Lünette präsentieren zwei Amoretten das Wappen Papst Sixtus’ IV. Links des Portals befindet sich die Ruota degli esposti, eine Babyklappe, in der Findelkinder abgelegt werden konnten, die in einem dem Hospital angegliederten Waisenhaus untergebracht wurden. Eine Marmortafel an der Mauer weist auf die Klappe hin, in dem seitlichen Briefkaste konnten Geldspenden für die Kinder deponiert werden.

Sala Alessandrina

Die Sala Alessandrina ist ein eingeschossiger Saalbau mit vorgelagertem Portikus, der mit Pilastern und Rundbögen gegliedert ist. Gegenüber dem Haupteingang befindet sich ein Zugang zum Vestibül der Corsia Sistina. Erbaut wurde sie zwischen 1665 und 1667 und nach der städtebaulichen Umgestaltung des Tiberufers zu Beginn des 20. Jahrhunderts 1931 umfassend restauriert.

Die Sala beherbergt heute ein medizingeschichtliches Museum, das Museo Storico dell'Arte Sanitaria (zur Zeit [2010] wegen Renovierung geschlossen). Ausgestellt werden chirurgische Werkzeuge vom 16. bis 19. Jahrhundert, Instrumente arabischer Herkunft, anatomische Lehrtafeln, die unter Leitung eines der bedeutendsten Anatomen des 18. Jahrhunderts, Paolo Mascagni (1755–1815), angefertigt worden sind und Wachsmodelle, die vermutlich von dem Bildhauer und Medailleur Luigi Manfredini (1771–1840) hergestellt wurden. [5]

Palazzo del Commendatore und Conservatorio delle Zitelle

Uhr am Palazzo del Commendatore

Als Erweiterung des Hospitals wurden im 17. Jahrhundert auf Veranlassung des Commendatore Bernardino Corillo († 1575 ) der Präsidentenpalast sowie das anschließende Conservatorio delle Zitelle, das Wohnhaus der Waisen, errichtet. Der Palast umschließt einen quadratischen Innenhof mit fünfachsigen doppelten Loggien in dorischer und ionischer Ordnung. Gegenüber dem Hauptportal wird die Mittelachse betont durch einen Brunnen, sowie eine Uhr auf dem Dachgeschoss. Der Brunnen, eine Stiftung Papst Pauls VI., war zunächst im vatikanischen Palast aufgestellt und wurde unter Alexander VII. nach Santo Spirito versetzt. Die ungewöhnliche Uhr mit einem sechsziffrigen Zifferblatt und einem Salamander als einzigem Zeiger wird betont durch einen Kardinalshut, den Wappenzeichen des Ordens und der della Rovere und durch die Taube des Heiligen Geistes, dem Namensgeber des Hospitals. Im Treppenaufgang der Loggien erinnert ein Relief von Antonio Canova an das ehemalige Teatro Anatomico, den Hörsaal der Anatomie, in dem auch Michelangelo und Lonardo da Vinci anatomische Studien betrieben haben sollen. [6]. Es zeigt Ärzte und Studenten beim Sezieren einer Leiche.

Im Conservatorio delle Zittelle (= zittella, it. = Jungfrau) waren die Waisenmädchen untergebracht, ebenso die Ammen, die die ausgesetzten Säuglinge aufzogen. Der Bau auf rechteckigen Grundriss umschließt einen kreuzgangartigen Innenhof mit einem Brunnen.

Der Salon

Die ehemaligen Repräsentationsräume des Palastes sind kostbar ausgestattet mit Wandteppichen, Skulpturen, Ölgemälden und Fresken. Den Festsaal haben die Brüder Francesco und Jacopo Zucchi mit Fresken ausgemalt, die die Geschichte des Hospitals erzählen. Unter den Gemälden befindet sich eine Madonna mit Kind von Andrea del Verrocchio.

Die Biblioteca Lancisiana

Wappen Papst Clemens XI. über dem Portal zur Bibliothek

Die Biblioteca Lancisiana im Palazzo del Commendatore gilt als eine der bedeutendsten Sammlungen historischer medizinischer Schriften überhaupt. Gründungsdatum der Bibliothek ist das Pfingstfest vom 21. Mai 1714, als nach dreijähriger Vorbereitungszeit durch den Leibarzt des Papstes, Giovanni Maria Lancisi , die Bibliothek von Papst Clemens XI. in Anwesenheit des hohen Klerus und von Vertretern aus Kultur und Wissenschaft in Rom eingeweiht wurde. Am 25. April des folgenden Jahres wurde am gleichen Ort die Accademia di Medicina e Chirurgia gegründet. [7] Die Bibliothek entwickelte sich schnell zu einem anerkannten Forschungszentrum, insbesondere was die Behandlung der damals in Italien grassierenden Malaria betrifft. Zum Bestand der Bibliothek gehören neben der Fachbibliothek Lancisis, Schenkungen von Ludwig XIV., Cosimo III. de' Medici und der Fürstenbergs. Besondere Kostbarkeiten sind zwei Pergamentcodices der Schriften Avicennas in lateinischer Sprache.

Die Kirche Santo Spirito in Sassia

Santo Spirito in Sassia

Sixtus IV. ließ um 1470/75 eine neue Kirche errichten, von welcher sich noch der Baccio Pontelli zugeschriebene Campanile erhalten hat. 1538, unter Paul III., begann im Zuge seiner urbanistischen Erneuerung Roms der abermalige Neubau nach Plänen von Antonio da Sangallo d. J.. Die Fassade wurde erst unter Sixtus V. von Ottaviano Mascherino vollendet.

In der flach gegliederten Fassade, einer zweigeschossigen Tempelfront mit monumentaler Ädikula und einem hohen Auszug mit Volutenspangen als zweitem Geschoss, sind antike Bauformen und -ordnungen zu einer harmonischen, neuartigen Lösung zusammengefügt. Über dem Rundfenster des Auszugs ist das Papstwappen angebracht, im Giebelfeld ein flaches Releif mit der Taube des Hl. Geistes im Strahlenkranz.

Der fünfjochige Saal mit fünf Seitenkapellen hat ein eingezogenes Presbyterium mit halbkreisförmiger Apsis. Sie zeichnet sich durch eine kostbare manieristische Ausstattung des 16. Jahrhunderts aus. Die Fresken in der Apsis stammen von Jacopo Zucchi.

1991 wurde die Kirche durch Papst Johannes Paul II. zur Titeldiakonie erhoben. Bisher einziger Kardinaldiakon ist Fiorenzo Angelini

Einzelnachweise

  1. Gisela Drossbach: Papst Innozenz III. Im historischen Selbstverständnis des Spitalordens von Santo Spirto in Sassia. In: Gert Melville u.a.:Die Bettelorden im Aufbau. Beiträge zu Institutionalisierungsprozessen im mittelalterlichen Religiosentum (Vita regularis, Bd. 11), Münster 1999. S. 605.
  2. zitiert nach Amoroso Roma 2003. S. 6.
  3. Banco die Santo Spirito, 1605–1992
  4. Roma 2007602.
  5. Roma. Milano 2006. S. 602.
  6. Amoroso 2003. S.20.
  7. http://www.accademia-lancisiana.it/giovanni_maria_lancisi.htm

Literatur

  • Anton Henze: Kunstführer Rom. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-010402-5, S. 266–268.
  • Roma. Guida d'Italia. 3. Auflage. Anna Ferrri-Bravo, Mailand 2007, ISBN 88-365-4134-8, S. 598–602.
  • Maria Lucia Amoroso: Il Complesso Monumentale di Santo Spirito in Saxia. Corsia Sistina, Palazzo del Commendatore. Rom 2003.

Weblinks

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