Schlacht von Tours und Poitiers

Schlacht von Tours und Poitiers
Schlacht von Tours und Poitiers
Teil von: Islamische Expansion
Karl Martell in der Schlacht von Poitiers, Historiengemälde von Carl von Steuben, zwischen 1834 und 1837
Karl Martell in der Schlacht von Poitiers, Historiengemälde von Carl von Steuben, zwischen 1834 und 1837
Datum 18. oder 25. Oktober 732
Ort Zwischen Tours und Poitiers
Ausgang Fränkischer Sieg
Konfliktparteien
Franken und Verbündete Mauren
Befehlshaber
Karl Martell Abd ar-Rahman
Truppenstärke
15.000 Mann 20.000 Mann
Verluste
1-2.000 Tote (1007?)
4.000 Verwundete
etwa 5.000 Tote
etwa 5.000 Verwundete

In der Schlacht von Tours und Poitiers (auch Schlacht bei Cenon genannt) im Oktober 732 besiegte der fränkische Hausmeier Karl Martell die muslimischen Araber und stoppte für einige Jahre ihren Vormarsch im Westen (siehe Islamische Expansion). Im Arabischen wird die Schlacht auch Schlacht an der balāṭ asch-schuhadāʾ (die Straße der Märtyrer für den Glauben) genannt.

Karl Martell wurde wegen des Sieges später als Retter des Abendlandes überhöht. Allerdings wurde die Schlacht in zeitgenössischen Quellen nicht als herausragendes Ereignis betrachtet, sondern nur beiläufig erwähnt, was die Rekonstruktion der Abläufe sehr erschwert; sie wurde erst in der Moderne zu einem welthistorischen Ereignis stilisiert. Die Mehrheit der modernen Forschung ist wieder wesentlich zurückhaltender, was die Bedeutung der Schlacht betrifft, in der Karl sein alter Widersacher Herzog Eudo von Aquitanien zur Seite stand. Nach heftigen Kämpfen gewannen die Franken, die von langobardischen, sächsischen und einigen friesischen Truppen unterstützt wurden. Der Heerführer der Araber, Abd ar-Rahman, fiel während des Kampfes, und die Reste seines Heeres zogen sich nach Spanien zurück.

Die Franken hatten laut einigen Quellen möglicherweise damit gerechnet, den Kampf am nächsten Tage fortsetzen zu müssen, fanden aber am Morgen nach der Schlacht das Lager der Araber verlassen vor.

Inhaltsverzeichnis

Ort und Datum

Man weiß bis heute weder zweifelsfrei den genauen Ort noch das exakte Datum der Schlacht von Tours und Poitiers. Was den Ort angeht, lässt sich aber immerhin die Gegend zwischen den Flüssen Clain und Vienne, südlich von Châtellerault vermuten; hier lag auch Alt-Poitiers an der alten Römerstraße, die die Araber bei ihrem Vormarsch nehmen mussten, während die Franken zunächst Stellung am Übergang über die Vienne beim heutigen Cenon bezogen haben dürften. Das eigentliche Schlachtfeld wird dann irgendwo zwischen diesem Übergang und den 3 km entfernten Orten Vouneuil und Moussais-la-Bataille zu suchen sein. Heute erinnert eine Panoramatafel bei Moussais an die Schlacht. Als Datum der Schlacht kann einer der Samstage im Oktober 732 gelten, wobei der 18. bzw. der 25. Oktober die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben.

Verlauf der Schlacht

Über den Verlauf der Schlacht ist nicht allzu viel bekannt. Doch ist überliefert, dass Karl mit seinen fränkischen Truppen die ersten sieben Tage der Schlacht damit verbrachte, auf Verbündete zu warten; es fand nur Geplänkel statt. Als dann sächsische und wenig später auch langobardische Truppen eintrafen, hatten die Araber ihre Beute bereits nach Süden gebracht.
Am achten Tag griffen zunächst wohl die Araber die Langobarden an. Diese schlossen sich jedoch wie die Franken zu einer Phalanx zusammen, und die Sachsen und Franken schlossen einen Großteil der arabischen berittenen Bogenschützen ein und vernichteten diese. Es folgte wohl ein Gegenangriff der Verbündeten in Richtung des arabischen Lagers. Die Araber stürmten ihnen entgegen, es entbrannte der Hauptakt der Schlacht. Nun fiel Abd ar-Rahman im Kampf gegen Franken oder Sachsen. Die Araber zogen sich ob ihres gefallenen Anführers und der hohen Verluste in ihr Lager zurück. Karls Truppen brachen die Schlacht ebenfalls ab, da es dämmerte und sie fürchteten, in unbekanntem Terrain in einen Hinterhalt zu geraten.
Am Tag darauf rückten die Verbündeten in das arabische Lager ein, doch die Araber hatten es schon geräumt und ihren gefallenen Anführer mitsamt einiger Fahnen zurückgelassen.

In der Forschung wird traditionell oft angenommen, bei der Schlacht sei erstmals schwer gepanzerte und zahlenmäßig überlegene fränkische Reiterei zum Einsatz gekommen und habe den Kampf entschieden. Demgegenüber haben neuerdings Forscher wie Hugh Kennedy betont, in den ältesten Berichten werde derlei nicht erwähnt; im Gegenteil, die zeitnahe mozarabische Chronik (siehe unten) spricht davon, die Langobarden und Franken hätten als Phalanx gekämpft und „wie ein Gletscher“ gewirkt, was kaum auf berittene Kämpfer hinweisen dürfte, sondern auf gepanzerte Fußtruppen in geschlossener Formation. Auch die Araber kämpften im 7. und 8. Jahrhundert entgegen landläufiger Vorstellung zumeist zu Fuß; in den großen Feldschlachten stiegen ihre Reiter meist ab und kämpften als Infanterie. Ob dies auch 732 der Fall war, lässt sich aufgrund der Quellenlage nicht entscheiden. Festzuhalten bleibt aber, dass die Annahme, es habe sich um eine Schlacht zwischen berittenen Muslimen und schwerer fränkischer Kavallerie gehandelt, durch die ältesten vorhandenen Quellen nicht gestützt wird. Es könnte sich also durchaus auch um ein Infanteriegefecht unter Beteiligung von schwerer und leichter Reiterei gehandelt haben.

Aus arabischer Sicht unterteilen sich die Tagesetappen der Schlacht in den Morgen des Hundegebells, den Tag der Hilfe und den Abend der Erschütterung. Der Rückzug der Muslime erfolgte nachts über den Weg der Märtyrer.

Bedeutung der Schlacht

Der Schlacht wurde in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung offenbar nicht die Bedeutung zugeschrieben wie dies in der Neuzeit geschehen sollte. Christliche Zeitgenossen beschrieben die Schlacht, ein anonymer Verfasser aus Spanien (sogenannte mozarabische Chronik von 754) stellt dabei den Arabern die Europenses gegenüber, ohne dass man darin bereits ein geeintes Abendland sehen müsste. Erst spätere Historiker wie Edward Gibbon messen dem Zusammenprall jene historische Bedeutung bei, der zufolge der Vormarsch der Araber nach Westeuropa im Falle einer Niederlage der Franken nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre. In Lehr- und Schulbüchern sowie in populärwissenschaftlichen Darstellungen wurde diese Einschätzung oft übernommen.

Moderne Historiker bezweifeln dies. Zum einen scheint die Niederlage in Konstantinopel im Jahr 718 bedeutender zu sein, denn der Fall des byzantinischen Reiches hätte weitaus weitreichendere Folgen haben können. Zum anderen glaubt man, dass die Araber am damals unterentwickelten und kalten Europa nördlich der Loire kein Interesse hatten. Es wird angenommen, dass es ihnen darum ging, einen Plünderungsfeldzug gegen Tours zu führen, das durch sein Kloster einige Reichtümer angehäuft hatte und das für die Franken als Grabstätte des Heiligen Martin auch von hoher symbolischer Bedeutung gewesen war.

Andererseits ist die Schlacht auch bei Muslimen in geschichtlicher Erinnerung als Schlacht der Millionen Tränen geblieben, u. a. aufgrund des Todes des befähigten Heerführers Abd ar-Rahman. Es gibt bei Muslimen bis heute die Vorstellung, dass es damals beinahe gelungen sei, die christlich-westliche Kultur komplett zu überrennen. Allerdings galt es noch eine christliche Restherrschaft im galizischen Nordwestspanien aufzulösen - dies gelang jedoch wegen des bergigen Geländes nicht -, außerdem waren die muslimischen Heere aufgrund klimatischer Hemmnisse und eines immer länger werdenden Versorgungsweges am weiteren Vordringen gehindert und abgeschnitten.

Eine geringere Bedeutung haben diese Ereignisse vor dem Hintergrund einer damals erheblich geringeren Besiedlungsdichte und aufgrund des Charakters der damaligen muslimischen Expansion als Politik der Nadelstiche und Raubzüge - der arabische Begriff hierfür, Razzia, hat sich in veränderter Bedeutung bis heute erhalten. Die Heerzüge der Araber waren mit neuzeitlicher Kriegsführung nicht vergleichbar. Es handelte sich eher um das raubzugmäßige Ausziehen einiger hunderter bis tausender Soldaten durch eine dünn besiedelte Landschaft, die solchen Gruppen faktisch kaum Widerstand bot, die auch - selbst im Falle militärischer Erfolge - damit längst noch nicht in der Lage gewesen wären, ihre örtliche Vorherrschaft mittelfristig zu sichern. Eine dauerhafte muslimische Herrschaft im mittelalterlichen Mitteleuropa anstelle des Frankenreiches ist somit reine Spekulation: Die Voraussetzungen hierfür waren nicht gegeben, dennoch wären wohl weite Teile des heutigen südlichen Frankreich unter muslimische Herrschaft gekommen.

Insgesamt sind wohl die Abwehrkämpfe von Byzanz, die zur gleichen Zeit in Kleinasien und im Mittelmeer stattfanden, weitaus bedeutender als die von abendländischen Historikern zum entscheidenden Sieg hochstilisierte Schlacht von Tours und Poitiers. Während Byzanz, das für Europa als eine Art „Schutzschild“ fungierte, sich jahrhundertelang koordinierter und organisierter Angriffe zu Land und zur See erwehren musste, die in kurzen Abständen aufeinander folgten und hinter denen das Schwergewicht des Kalifats stand, hatte das Frankenreich nicht viel mehr als ein paar Plünderer abzuwehren.

Diese veränderte Wahrnehmung hat wohl auch historische Gründe: Zum einen gefiel es den Schriftstellern der Aufklärung und der Romantik, die Nationen des Westens als Retter des Abendlandes zu porträtieren. Zum anderen fiel es den damaligen Historikern nicht ein, dem nach Gibbons bahnbrechendem Werk Aufstieg und Fall des Römischen Reiches allgemein als dekadent und bedeutungslos geschmähten Byzanz eine tragende Rolle im Abwehrkampf gegen die muslimische Bedrohung zuzugestehen, so dass man die Sicht Karl Martells als eines Retters des Abendlandes nur allzu gern rezipierte und ausschmückte.

Die Schlacht muss im Zusammenhang der weiteren Kämpfe zwischen Franken und Aquitaniern auf der einen Seite und Arabern auf der anderen Seite gesehen werden. So gab es schon seit 719 muslimische Vorstöße über die Pyrenäen, 725 plünderten die Araber gar Autun in Burgund, und die Kämpfe in Gallien waren mit dem Sieg von 732 auch noch lange nicht beendet. Im vormals westgotischen Septimanien um Narbonne hielten sich die Araber noch bis 739 bzw. 759, ehe Karl Martell und nach dessen Tod im Jahre 741 sein Sohn Pippin der Jüngere sie, erneut mit langobardischer Hilfe, von dort gewaltsam vertrieben, wobei beide mit äußerster Härte vorgingen.

Literatur

  • Paul Fouracre: The Age of Charles Martel. Harlow 2000.
  • Hugh Kennedy: The Early Arab Conquests. Philadelphia 2007.
  • Ulrich Nonn: 1. Poitiers, Schlacht von. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, Sp. 44.
  • Ulrich Nonn: Die Schlacht bei Poitiers 732. Probleme historischer Urteilsbildung. In: Rudolf Schieffer (Hg.): Beiträge zur Geschichte des Regnum Francorum. Referate beim Wissenschaftlichen Colloquium zum 75. Geburtstag von Eugen Ewig am 28. Mai 1988 (Beihefte der Francia 22), Sigmaringen 1990, S. 37-56.
  • Annalena Staudte-Lauber: Zur Schlacht von Tours und Poitiers und dem Eingreifen Karl Martells in Burgund. In: Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter (Hg.): Karl Martell in seiner Zeit (Beihefte der Francia 37), Sigmaringen 1994, S. 79-100. ISBN 3-7995-7337-2
  • William M. Watt: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter. Berlin 22001. ISBN 3-8031-2420-4

Weblinks

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