Schleswigsches Haus

Schleswigsches Haus

Das jütische quergeteilte Geesthardenhaus, das aufgrund seiner geografischen Verbreitung auch cimbrisches Haus oder schleswiger Haus genannt wird, ist neben dem Gulfhaus (bzw. seiner Sonderform, dem Haubarg) und dem (niederdeutschen) Fachhallenhaus eine der drei Grundformen, auf die sich die Formenvielfalt der Bauernhaustypen in Schleswig-Holstein gründet. Die wohl bekannteste Sonderform des Geesthardenhauses ist das Uthlandfriesische Haus, das auch als Friesenhaus bezeichnet wird.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Geesthardenhaus in Ockholm

Trotz seiner Bezeichnung findet man das Geesthardenhaus nicht nur in der Geest, einer hügeligen Landschaft, die aus eiszeitlichen Gletscherablagerungen entstand, sondern auch in der Marsch, dem flachen Schwemmland an der Nordseeküste.

Geesthardenhäuser stehen vor allem in Südschleswig in Deutschland und Nordschleswig in Dänemark. Ihre Entwicklung ist noch weitgehend unerforscht, wobei heute besonders die Forschung zu Zeiten des Nationalsozialismus zum Teil angezweifelt wird, da seinerzeit teils versucht wurde, die Hausformen an Ethnien zu binden und so territoriale Ansprüche zu unterstreichen. Geesthardenhäuser sind jedoch selten die einzige Bauform in einer Region, sie treten oft zusammen mit Vierseithöfen oder – besonders im südlichen Teil von Südschleswig – mit niederdeutschen Hallenhäusern auf.

Das uthlandfriesische Haus mit seinen baulichen Anpassungen an überschwemmungsgefährdete Gebiete ist vor allem auf den Inseln und Halligen Nordfrieslands anzutreffen.

Geschichte

Ebenso wie das – mit gewisser Überlappung – südlich benachbarte (niederdeutsche) Fachhallenhaus gilt dieser Haustyp als Weiterentwicklung des bronzezeitlichen Germanischen Wohnstallhauses, das sich wiederum aus dem außerhalb der germanischen Kultur entstandenen und wesentlich weiter verbreiteten Jungsteinzeitlichen Langhaus ableiten lässt.

Konstruktion

Haus Stamp in Seeth/Nordfriesland

Das Geesthardenhaus ist ein traufständiges Langhaus, seine Längsseite und Dachfläche ist also zur Straße hin ausgerichtet. Der Wohnbereich und der Wirtschaftsbereich sind unter einem Dach untergebracht, anders als beim niederdeutschen Hallenhaus sind sie jedoch nicht miteinander verbunden.

Das Haus hat eine Zweiständerkonstruktion, bei der die Ständer, die das normalerweise reetgedeckte Krüppelwalmdach tragen, in der Nähe der Außenwände stehen. Seit dem späten 18. Jahrhundert ruht die Dachkonstruktion im Wohnteil auf den tragenden Außenwänden. Diese Bauweise tritt jedoch nur in Gebieten auf, die durch starke Deiche gesichert waren auf und wurde jedoch von den in sturmflutgefährdeten Gebieten stehenden uthlandfriesischen Häusern nicht übernommen: Selbst wenn die Wände und das Erdgeschoss eines Ständerbaus bei einer Flut zerstört werden, ist bei reinen Ständerbauten die Wahrscheinlichkeit, dass das Dach erhalten bleibt, recht groß, so dass sich die Bewohner des Hauses auf das Dach retten konnten. Seit der schweren Sturmflut 1962 haben neu errichtete Hallighäuser eine Ständerkonstruktion aus Betonpfeilern mit tiefen Fundamenten, um die Sicherheit zu erhöhen.

Eine weitere Besonderheit der uthlandfriesischen Häuser ist, dass sie bisweilen umgesetzt wurden. Da sie auf Warften standen, die im Laufe der Jahrhunderte absacken oder durchfeuchten konnten, so dass das Haus gefährdet war. Weil Baumaterialien und vor allem Holz selten und teuer waren, war es früher durchaus üblich, die Häuser auseinanderzunehmen und umzusetzen, wenn eine Warft nicht mehr sicher war oder aus anderen Gründen aufgegeben wurde.

Die Wände der Häuser wurden ursprünglich aus Grassoden, Lehm oder Holz errichtet, die meisten der heute erhaltenen Häuser haben jedoch Wände aus gebrannten Ziegeln. Dabei kamen unterschiedliche Arten von Ziegeln zum Einsatz: An der Außenwand wurden normalerweise teure und harte, sehr witterungsbeständige Ziegel eingesetzt, während weichere und preisgünstigere Ziegel, die sogenannten Bleekers, eher für die Innenseiten von Außenwänden und Innenwände eingesetzt wurden. Fachwerkkonstruktionen kamen und kommen nur äußerst selten vor.

Geesthardenhäuser sind normalerweise reetgedeckt. Damit sich kein Regenwasser im Reet staut, haben die Dächer einen sehr steilen Winkel. Die meisten Häuser haben außerdem einen Zwerchgiebel mit einem Walmdach über dem Eingang, also einen Giebel, der quer zum Dachfirst verläuft. Diese Bauweise soll bei einem Brand eine sichere Evakuierung des Hauses gewährleisten, ohne dass brennendes Reet auf die flüchtenden Personen fallen kann.

Wohnbereich

Im Wohnbereich befinden sich die Küche und die Wohnräume, ein Keller und die über dem Keller liegenden Kellerstuben. Die Küche ist mit einem Schornstein ausgestattet. Der Wohnbereich wird normalerweise über eine schmale Diele erschlossen, der das Gebäude quer teilt und der sowohl nach vorne als auch nach hinten zum Garten einen Ausgang hat. Dieser Flur grenzt gleichzeitig den Wohnbereich vom Wirtschaftsbereich ab.

Döns

Döns in Klockries; links oben im Raum ist die Katschur zu erkennen, rechts in der Ecke der Bilegger. Hinter dem Tisch sind vermutlich Türen zu einem Alkoven.

Als Döns oder Dörnsch wird ein beheizbarer Wohnraum bezeichnet, in dem sich das tägliche Leben des Bauernhauses abspielte. Hier wurde gegessen, gearbeitet und in Alkoven, die in die Zwischenwände zwischen den Zimmern eingelassen waren, geschlafen.

Seit dem 16. Jahrhundert wurde der Raum über einen Bilegger geheizt, also einen Ofen, der durch den offenen Herd in der Küche, dem einzigen anderen beheizbaren Raum im Haus, befeuert wurde. Auf diese Weise konnte der Rauch nicht in den Wohnraum dringen. Als Brennstoff wurden Holz, Torf oder – besonders auf den chronisch rohstoffarmen Halligen – getrocknete Kuhfladen, sogenannte Ditten genutzt.

Anfangs waren die Bilegger gemauert, doch seit dem 17. Jahrhundert setzten sich mehr und mehr gusseiserne Bilegger durch, die mit recht praktischem Zierrat versehen sein konnten: So hatten einige abschraubbare Messingknöpfe, an denen man sich die Hände wärmen konnte oder eine Messinghaube, unter der man Speisen oder Tee warmstellen konnte.

Alkoven

Die mit einem Meter Breite, 2,50 m Höhe und 1,70 m Länge normalerweise sehr kompakten Alkoven konnten mit Vorhängen oder Holzluken geschlossen werden, wodurch sie wärmer waren, auf der anderen Seite jedoch schwer zu lüften und oft etwas feucht. Oft haben mehrere Personen einen Alkoven genutzt, geheizt werden konnte er mit einer Bettpfanne, in die glühende Kohlen oder heißes Wasser gefüllt wurden. Geschlafen wurde im Sitzen, angeblich schon aus dem Aberglauben heraus, dass einen der Tod meist im Liegen ereilt.

Auch im Wirtschaftsteil der Häuser befanden sich Alkoven, normalerweise für die Bediensteten und Knechte.

Pesel

Der Pesel war die Gute Stube des Bauernhauses, die nur zu besonderen Anlässen genutzt wurde. Er konnte nicht beheizt werden.

Katschur

Die Katschur ist ein schräger Teil der Zimmerdecke, der aufgrund der Ständerbauweise durch die Dachkonstruktion entsteht. Die Zimmerdecke beginnt erst ab dem Punkt, an dem das Dach auf den Ständern aufliegt.

Wandfliesen

In vielen friesischen Häusern sind die Wände von Pesel, Döns oder Kellerkammer mit niederländischen Wandfliesen, den Delfter Kacheln verkleidet. Auf ihnen sind oft biblische Darstellungen, Schiffe oder ländliche Szenen mit blauer oder purpurfarbener Glasur in runden Kartuschen auf weißem Grund dargestellt, wobei sich die Motive nicht wiederholen.

Mehrere Fliesen zusammen können auch ein großes Motiv in Form eines Tableaus bilden. In dieser Form werden oft Schiffsmotive oder florale Motive dargestellt.

Wirtschaftsbereich

Unterschiedliche Raumaufteilung im Wirtschaftsbereich des Geesthardenhauses und des Uthlandfriesischen Hauses

Während sich die grundsätzliche Raumaufteilung im Wohnbereich bei Geesthardenhäusern und uthlandfriesischen Häusern nicht unterscheidet, sind die Räume im Wirtschaftsbereich unterschiedlich aufgeteilt.

Geesthardenhaus

Beim Geesthardenhaus schließt an den Wohnbereich in der Regel eine Loo oder Loohdiele genannte Dreschdiele an, darauf folgen der Stall, eine Diele und der Bansenraum, in dem Heu und Stroh gelagert wurden.

Alle diese Räume wurden einzeln von der Traufseite an der Straße aus erschlossen, so dass das Gebäude zur Straße hin mehrere Eingänge hatte. An der Gebäuderückseite verlief oft auch ein langer traufseitiger Gang, der die einzelnen Bereich verbunden hat.

Über den Eingängen zu Loo und Diele im Wirtschaftsbereich sind oft auch Rundgauben, damit die Eingänge höher gestaltet werden konnten.

Der Wirtschaftsbereich konnte aufgrund seiner Bauweise erweitert werden, wodurch je nach Ausrichtung des Anbaus ein L-förmiges Gebäude oder sogar eine geschlossene Bebauung um einen Innenhof entstehen konnte. Im letzteren Fall spricht man von einem Vierseithof.

Uthlandfriesisches Haus

Auch beim uthlandfriesischen Haus ist der Wirtschaftsbereich vom Wohnbereich getrennt, er hat jedoch keine Eingänge an den Traufseiten des Hauses, sondern an der Giebelseite. Über einen langen Gang in der Gebäudemitte können so wie beim niederdeutschen Fachhallenhaus die Ställe und Lagerräume erschlossen werden. Diese Häuser stehen in zumeist sehr exponierter lage und sind daher nahezu ausnahmslos in west-ost-Richtung gebaut um dem vorherrschenden Westwind wenig angriffsfläche zu bieten. Der Wohnbereich lag stets auf der windgeschützten Ostseite.


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