BRD-Deutsch

BRD-Deutsch

Bundesdeutsches Hochdeutsch (auch kurz Bundesdeutsch), Binnendeutsch, BRD-Deutsch, deutsch(ländisch)es Deutsch, Deutschländisch oder bisweilen Deutschlanddeutsch und in Bezug auf die Zeit vor 1945 auch Reichsdeutsch genannt (vgl. Ammon 1995: 318 f.), ist die in Deutschland gesprochene und geschriebene Standardvarietät der plurizentrischen deutschen Sprache. Das Bundesdeutsche unterscheidet sich deutlich von den nationalen Varietäten Österreichs (Österreichisches Deutsch) und der Schweiz (Schweizer Hochdeutsch). Die Spezifika des Bundesdeutschen sind auf allen sprachlichen Ebenen (Phonetik, Phonologie, Orthographie, Morphologie, Syntax, Semantik und Pragmatik) anzutreffen, am deutlichsten aber im Wortschatz.

Als Teutonismus, Deutschlandismus, Bundesgermanismus[1] oder Germanismus[P3 1], der aber auch schon mit anderer Bedeutung belegt ist, werden in der germanistischen Fachliteratur Wörter und Ausdrücke der Deutschen Sprache bezeichnet, welche nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland verwendet werden und auch Geltung haben. Die Begriffe müssen nicht im gesamten Gebiet der Bundesrepublik verwendet werden, aber sollten dem dort verwendeten Standarddeutsch zuzurechen sein und nicht nur den Dialekten oder Umgangssprachen. Die Ausdrücke sind somit Teil des deutschländischen Deutsch.[P1 1][2]

In der Zeit der Deutschen Teilung bezeichnete Bundesdeutsch, Westdeutsch, BRD-Deutsch oder auch Binnendeutsch die staatliche Standardvarietät der Bundesrepublik Deutschland auch gegenüber derjenigen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR-Deutsch oder Ostdeutsch); laut Ammon (1995: 386) „bildeten die staatlichen Varietäten der BRD und der DDR, da dies keine getrennten Nationen waren, eine gemeinsame nationale Varietät“ (vgl. Gesamtdeutschland).

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Nationalvarietät und Kodifizierung

In Gegnerschaft zu Adelung (1732–1806) und Gottsched (1700–1766), die sich in ihren Werken vor allem auf ostmitteldeutsche (und norddeutsche) Autoren stützten und ihnen eine Vorbildfunktion für die Hochsprache beimaßen, sammelte der Wiener Popowitsch (1705–1774) viele Belege für die Sprachunterschiede zwischen Österreich und Deutschland und veröffentlichte kleinere Arbeiten. Erste Ansätze zu einer übergreifenden Darstellung der Nationalvarietäten des Deutschen sind im Werk Wortgeographie der deutschen Umgangssprache des aus Berlin stammenden Wieners Paul Kretschmer aus dem Jahre 1918 zu sehen.[3]

Ab den 1950er wurde unabhängig voneinander vor allem in der Sowjetunion, den USA und Australien der Problembereich der Nationalvarietäten aufgearbeitet, wobei mit Englisch, Französisch und Spanisch begonnen wurde. Die 1934 aus Wien ausgewanderte Germanistin Elise Riesel begann ab 1953 den Begriff „nationale Variante“ auf Österreich, Deutschland und die Schweiz anzuwenden. In Westdeutschland wurde durch Heinz Kloss ab 1952 der Ansatz „plurizentristische Sprache“ angeregt, der wiederum den Begriff vom us-amerikanischen Soziolinguisten William A. Stwart übernommen hat.[P1 1]

Monozentrischer Ansatz

Hugo Moser beeinflusste die Germanistik besonders ab 1959 nachhaltig. Er ersetzte den spätestens 1948 obsolet gewordenen Terminus Reichsdeutsch durch Binnendeutsch, welcher bis in die 1990er verwendet wird. Dieser Begriff war stark monozentristisch belegt und Moser sprach von den „Außengebieten der deutschen Hochsprache“ (Österreich, Schweiz und deutsche Minderheiten in anderen Ländern) und der „Hauptvariante Bundesrepublik“. Auch DDR-Deutsch bezeichnete er als „abweichend“, „uneigentliches“ und „BRD-Deutsch“ als das unverändert „eigentliche“ Deutsch. Der Begriff Binnendeutsch wurde auch unter schweizerischen und österreichischen Sprachwissenschaftlern üblich.[P1 1]

Aus dieser Perspektive erschienen alle nichtbundesdeutschen Nationalvaritäten als zweitrangig und wurden mit Regionalismen beziehungsweise Minderheitendeutsch in anderen Ländern auf eine Stufe gestellt.[P1 1] So ignorierte man auch Besonderheiten der Bundesrepublik oder beschrieb sie einfach nicht als solche.[P2 1]

Plurizentrischer Ansatz

Vor allem in der DDR wurde seit 1974 der Begriff „nationale Variante“ auch für DDR-Deutsch und Bundesdeutsch postuliert, was nicht unwidersprochen blieb.[P1 1]

Ab Ende der 1970er begann eine übergreifende, alle großen Nationalvaritäten gleichstellende, Erörterung des Problems. Mit Kritik an der „Binnendeutsch“- und „Besonderheiten“-Perspektive wurde dabei auch der Begriff „nationale Variante des Deutschen“ für das österreichische Deutsch andiskutiert, neben „westdeutsche/ostdeutsche Varietät“ als „staatliche Varietäten“. Der aus Australien stammende Germanist Michael Clyne schrieb 1982: „Deutsch, wie auch Englisch, Französisch, Spanisch, Serbokroatisch und zahlreiche andere Sprachen, ist eine plurizentrische Sprache, d. h. eine Sprache mit mehreren gleichberechtigten Nationalvarianten“[4], führt die Verbindung von „plurizentristischen Sprache“ mit „Nationalvarietät“ zwei Jahre später mit seiner Monographie Language and society in the German-speaking countries in die Sprachwissenschaft ein und erörtert sie 1986 auf einer Deutschlehrertagung in Bern und vermittelt sie damit einer breiten Öffentlichkeit.[P1 1]

Auf Englisch werden die nationalen Varietäten oft als „German (Standard) German“, „Austrian (Standard) German“ und „Swiss (Standard) German“ bezeichnet.

Wettbewerb der beiden Ansätze

Von Polenz bezeichnet 1987 die monozentristische Ansicht vom „Binnendeutsch“ als überwunden.[P2 1] Dies mag vielleicht für Spezialisten gelten, in der Praxis ist sie aber noch immer vorhanden. Beispielsweise im Duden, welcher nur Austriazismen, Helvetismen und sehr regionale Varianten in Deutschland extra kennzeichnet. Bei Deutschlandismen (Teutonismen; z. B. Tüte, Kloß, Sahne, Abitur, u. a.) geschieht dies nicht und sie werden somit als allgemeingültige Ausdrücke angesehen. Dadurch entsteht beim Leser die Illusion, es gäbe keine deutschen Wörter, die nur in Deutschland gebräuchlich sind.

Auch in der internationalen Germanistik ist dies zu bemerken. Eine Untersuchung über den Status des österreichischen Deutsch ergab, dass dieses zwar als „charmant“, aber „falsch“ eingestuft wird und Deutschlandismen eindeutig bevorzugt werden. Auch rät man teilweise von Sprachaufenthalten in Österreich ab und die Studierenen befürchten mit einem österreichischen Akzent eine schlechtere Note zu bekommen.[5] Für das Schweizer Hochdeutsch wird Analoges gelten.

Innerhalb Deutschlands gibt es nach Ammon eine „Arroganz […] gegenüber allem Deutsch, das nicht dem Norddeutschen entspricht.“[6] So werden etwa im Duden süddeutsche Begriffe eher markiert als Norddeutsche.

Kritiker halten die Begriffe deutschländisches Deutsch / Teutonismus, Österreichisches Deutsch / Austriazismus und Schweizer Hochdeutsch / Helvetismus für irreführend, weil sie angeblich von einem einheitlichen nationalen Sprachgebiet ausgehen würden, in der Realität aber auch innerhalb der Staaten Deutschland, Österreich und Schweiz beträchtliche regionale Unterschiede im hochdeutschen, aktiv angewandten Vokabular bestehen.

Die Praxis zeigt, dass es sich beim deutschen, österreichischen und schweizerischen Standarddeutsch um drei formell gleichberechtigte Varietäten handelt, die innerhalb der jeweiligen Nationen jeweils den gleichen Stellenwert haben. Das hat zur Folge, dass z. B. Nachrichtensprecher in der deutschen Tagesschau, Zeit im Bild und der Schweizer Tagesschau unterschiedlich sprechen müssen und dpa-Meldungen, wenn sie in der Neuen Zürcher Zeitung oder im Standard wiedergegeben werden, sprachlich angepasst werden. Auch Nachrichten-Dienstleister, welche für mehrere Hörfunk-Sender fertige Nachrichtensendungen produzieren, stellen für die Lokalisierung Personen der jeweiligen Länder an. Ebenso werden Fernseh-Werbespots, auch von internationalen Konzernen und nicht nur der Aussprache wegen, meist für jedes Land extra synchronisiert.

Dieser Tatsache widerspricht nicht die ohne Zweifel schon aufgrund der Einwohnerzahl und wirtschaftlichen Stärke Deutschlands existierende Dominanz des Bundesdeutschen, die z. B. dazu führt, dass eher aus Deutschland nach Österreich entlehnt wird als umgekehrt, dass Schweizer mehr Teutonismen kennen als Deutsche Helvetismen oder dass eher ein deutscher Lehrer einen Austriazismus (fälschlicherweise) als Fehler anstreichen wird als ein österreichischer Lehrer einen Teutonismus.

Teutonismen

Beschreibung

Die relativ neuen Begriffe Teutonismus, Deutschlandismus oder Bundesgermanismus dienen zur Unterscheidung gegenüber gemeindeutschen Ausdrücken, welche in allen dominierenden Sprachräumen als heimisch empfunden werden, sowie den schon länger beschriebenen Austriazismen als Eigenarten im Österreichischen Deutsch und den Helvetismen als Eigenarten im Schweizer Hochdeutsch. Sie sind Zeichen dafür, dass die deutsche Sprache (ebenso wie auch das Englische, das Französische und das Spanische) heute als plurizentrische Sprache angesehen wird.[P1 1][2]

Bei der Bezeichnung von Ausdrücken können auch Begriffskombinationen gebildet werden wie beispielsweise Teuto-Austriazismus für Begriffe, die nicht in der Schweiz verwendet werden, aber in Deutschland und Österreich. Zu beachten sind dabei auch Sachspezifika als unechte Parallelformen (so entspricht die Trafik in Österreich nur teilweise dem Tabakladen in Deutschland und der Schweiz, und Sahne wird in Österreich, wenn überhaupt, fast nur für Schlagsahne verwendet) und Teilsynonyme (etwa Pension als allgemeine Altersversorgung in Österreich und Beamten-Altersversorgung in Deutschland).[P1 2]

Damit eine Sprachform eines Wortes Geltung hat, muss sie als die eigene anerkannt werden. Dies ist etwa bei den Schnürsenkeln in Österreich und der Schweiz nicht der Fall. Das Wort ist zwar überall bekannt, erscheint aber nicht in den österreichischen und Schweizer Kodizes und wird von vielen Befragten als bundesdeutsch eingeordnet. Die Meinung der Dudenredaktion, Teutonismen gebe es nur nach Geltung und nicht nach Geltung und Bekanntheit, wird von Christa Dürscheid und Martin Businger widerlegt.[2]

Vor allem in der Deutschschweiz und in Österreich sind manche bundesdeutschen Wörter entweder

  • völlig unbekannt oder
  • sie werden zwar verstanden, aber nicht aktiv gebraucht oder
  • sie sind signifikant seltener als in der Bundesrepublik Deutschland und haben keine Geltung oder
  • sie haben nicht dieselbe Bedeutung wie in Deutschland.

Aus welcher Sprache ein bundesdeutscher Begriff letztlich stammt (also dessen Etymologie), ist für diese Art von Fragestellung nicht von Belang. Zur passiven Bekanntheit vieler bundesdeutscher Begriffe auch über deren ursprüngliches Verbreitungsgebiet hinaus haben die modernen Massenmedien beigetragen. So gibt es in der Schweiz und in Österreich viele über Satellit oder Kabel frei empfangbare Fernsehprogramme aus Deutschland, und die Auswahl an in Österreich erhältlichen wöchentlichen und monatlichen Zeitschriften ist stark durch Produkte der großen deutschen Verlage dominiert.

Österreichisches und Schweizer Fernsehen ist dagegen über Satellit, wegen der sich nach der Zuschauerzahl richtenden Lizenzgebühren für zugekaufte Programme, meist nur verschlüsselt empfangbar (Ausnahmen sind einige Eigenproduktionen auf dem Gemeinschaftssender 3sat (1984) und dem gemischtsprachigen Sender HD suisse (2007) sowie teilweise SF info (2001) und größtenteils ORF 2 als ORF 2 Europe (2004); alle Öffentlich-rechtliches Fernsehen). Deshalb sind Teutonismen in Österreich und der Schweiz eher bekannt als Austriazismen und Helvetismen in Deutschland. Robert Sedlaczek meint, dass das Verständnis für Teutonismen und Austriazismen in Österreich viel stärker ausgeprägt ist, da sich dort die beiden Varianten stärker vermischen als in Deutschland, wo es weniger Möglichkeiten gibt, mit dem österreichischen Deutsch in Kontakt zu kommen.[7]

Schon aufgrund der Größe Deutschlands und wegen des relativ starken Regionalbewusstseins werden einige deutschlanddeutsche Wörter nur in Teilen Deutschlands aktiv verwendet. Die spezifischere, aber das System der Nationalvarietäten nicht unbedingt ausschließende, Unterkategorie der Regionalismen ist oft außerhalb der jeweiligen Standardvarietät nicht bekannt[2] und manchmal sogar nicht einmal innerhalb dieser. Trotzdem hat der seit 1871 bestehende deutsche Nationalstaat mit der immer weiter gehenden Vereinheitlichung des öffentlichen Lebens auch sprachlich vereinheitlichend gewirkt. Gleichzeitig gingen die Schweiz und Österreich oft eigene Wege. Dies betrifft nicht bloß den spezifischen Wortschatz der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinne (Statalismen), sondern auch den anderer Bereiche, so zum Beispiel die Ausbildung, die Berufswelt, den öffentlichen Verkehr, und neuerdings auch die Freizeit.

Abgrenzungen und Definitionsunterschiede

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Auswahl des passenden Begriffs

Lange Zeit fehlte ein Begriff in der Reihe Austriazismus/Helvetismus, und „deutsch“ trug eher zur Verwirrung bei, da es ja sowohl auf die deutsche Sprache, als auch auf Deutschland bezogen werden kann.

  • Die ersten logischen Termini Germanismus oder Germanizismus sind in der Linguistik, auch in internationalen Varianten, schon mit der Bedeutung des Übernehmens einer Eigenheit der deutschen Sprache in eine andere Sprache belegt. Auch ist das Deutsche eine von vielen Germanischen Sprachen.
  • Eine Wortkreation, welche zum Begriff Binnendeutsch passen würde, würde wieder die oben angesprochene Problematik des Zentralismus verstärken.
  • Eine Wortkreation zum seit der Reichsgründung von 1871 aufgekommenen Reichsdeutsch wäre aufgrund der veränderten Staatsbezeichnung und möglichen Assoziationen zum Dritten Reich heute nicht mehr zeitgemäß.
  • Der zum deutschländischen Deutsch passende Begriff des Deutschlandismus befriedigt viele aus ästhetischen Gründen nicht, sind relativ lang und lassen wegen wahrscheinlicher Überschneidungen mit dem Germanismus in vielen Sprachen schlecht übersetzen.
  • Der zu den Begriffen Bundesdeutsch und Bundesdeutsches Hochdeutsch passende Terminus des Bundesgermanismus ist aus der Innenbetrachtung Deutschlands zweideutig, da während der Zeit der Teilung alles Westdeutsche als Bundesdeutsch bezeichnet wurde und dies noch nachwirkt.

Der Ausdruck Teutonismus stammt vom lateinischen Teutoni, welcher das seit rund 2000 Jahren nicht mehr bestehende germanische Volk der Teutonen bezeichnet. Das Vorbild für die sprachwissenschaftliche Nutzung des Ausdrucks Teutonismus war der Begriff Helvetismus. Gegenüber Deutschlandismus und Bundesgermanismus hat der Begriff Teutonismus den Vorteil, dass er sich als Teutonism gut ins Englische und auch in andere Sprachen übersetzen lässt.[1]

Der Begriff des Teutonismus hat Nachteile. Zum einen wurde und wird teilweise noch der Begriff in anderem Zusammenhang für ein übersteigertes Nationalbewusstsein der Deutschen verwendet und damit auch als Schmähwort. Die zwei Bedeutungen tragen auch zur begrifflichen Unklarheit bei.[P3 2] Pohl bezeichnet 2008 auf seiner Website den Teutonismus als „unscharfen Begriff, der noch dazu bei Nicht-Fachleuten falsche Vorstellungen erwecken könnte, er sollte daher tunlichst vermieden werden (wenn er auch in der Fachliteratur vorkommt).“[8]

Kodifizierung

Austriazismen und Helvetismen wurden immer wieder in Wörterbüchern kompiliert. Eine explizite Sammlung von Teutonismen fehlte[7], bevor das Variantenwörterbuch des Deutschen erschien. Nach Ammon resultierte die Unterlassung solcher Vorhaben bis dahin einerseits aus einem monozentristischen binnendeutschen Weltbild, nach dem das deutschländische Deutsch mit einem überregionalen Gesamtdeutsch identisch sei und andererseits – bei plurizentrisch Eingestellten – aus der Überzeugung, dass deutschländisches Deutsch keine Einheit bilde. Verstärkt wurde dies durch die Teilung Deutschlands zwischen 1949 und 1990, welche den Blick auf das Trennende in beiden deutschen Staaten fokussiert hat.[P1 3]

Aufgrund monozentrischen Denkens gab es lange Zeit keine Wörterbücher, in denen Teutonismen markiert wurden. Zwar wurden z. B. in den Duden seit jeher in begrenztem Umfang auch Austriazismen und Helvetismen aufgenommen und mit österr. bzw. schweiz. markiert; eine solche Markierung für nur in Deutschland gebräuchliche Wörter (z. B. Tüte, Kloß, Sahne, Abitur, Vorfahrt u. a.) fehlt aber bis heute.

So hat Ulrich Ammon erst 1995 die erste umfassende Monographie über Nationalvarietäten des Deutschen veröffentlicht.[P1 1] Und im Jahre 2004 brachte er mit Kollegen aus Österreich und der Schweiz das Variantenwörterbuch des Deutschen heraus, das erste Wörterbuch, das auch die ausschließlich deutschlanddeutschen Ausdrücke als solche markiert, in dieser vergleichenden Form eine internationale Novität in der Linguistik.

Andere für Deutschland charakteristische Merkmale der deutschen Sprache (Aussprache, Morphologie, Wortbildung und Syntax) sind noch genauer zu erforschen.

Beispiele

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Hier werden Teutonismen gelistet und ihnen zur Erklärung Synonyme gegenübergestellt.

Küche

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Abendbrot Abendessen, A: Nachtmahl (auch Bayern)
CH, Vbg. Nachtessen (auch NRW)
[R 1][R 2][R 3]
Apfelsine Orange [A 1]
deftig kräftig, tüchtig, saftig, gehaltvoll, nahrhaft, ausgiebig, fett, scharf, (deftig verbreitet sich langsam) CH: währschaft [R 4]
Eierkuchen Palatschinke, Omelette
Frühstückspause (vor allem RP und nördlich von Bayern),
Vesper (BaWü, Bayern)
Brotzeit (Bayern)
Jause, CH: Znüni (auch allem.) [A 2]
Feldsalat,
Rapunzel (Thüringen und Sachsen),
Ackersalat (Schwaben)
A: Vogerlsalat, CH: Nüssli-Salat, Nüssler [A 3]
Hörnchen
(Bedeutung: Croissant)
A: Kipferl (Hörnchen als Teigware) CH: Gipfel(i)
Kloß Knödel
Korinthe Rosine, Zibebe (auch süddt.) CH: Weinbeere
kross
rösch (süddt.)
resch, knusprig
lecker gut, fein
Pampelmuse Grapefruit
pellen schälen
Pellkartoffel gekochte Erdäpfel, CH: Geschwellte, Gschwellti
Pomeranze Zitrusfrucht, Bitterorange
rote Bete rote Rüben, Rohne (auch süddt.), CH: Rande
Rotkohl Blaukraut, Rotkraut
Sahne Rahm (auch bundesdt.), A: Obers
Sprudelwasser
Selterswasser
Sodawasser, Mineralwasser
Weißkohl Kraut; CH: Kabis, Weisskabis

Haus, Haushalt

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
bohnern polieren mit Wachs; CH: blochen; BaWü: blocken
Bohnerwachs A: Bodenwachs; CH: Bodenwichse
Gardine
als Überbegriff für eine Fensterdekoration
Vorhang (auch süddt., selten auch im gesamten Sprachraum)
A: Gardine ist ein Gattungsbegriff für einen Store, einen dünnen Fenstervorhang
[A 4]
[R 5]
[R 6]
[R 7]
Mülleimer Müllkübel, Mistkübel, Abfallkübel, Kehrichteimer, Kübel
Nudelholz A: Nudelwalker, CH: Wallholz, schwäb. Wellholz
Reinemachen Putzen, Saubermachen
Schnürsenkel in A östlich des Arlbergs exklusiv: Schuhband, Schuhband(e)l
in CH & Vbg. exklusiv: Schuhbänd(e)l
(beide Begriffe auch jeweils ab BaWü & Bayern südwärts)
[A 5]
[R 8]
[R 9]
[R 10]
[R 11]
Tüte Sackerl, Sack – je nach Größe; schwäb. Gucke

Bildungswesen

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Abitur A: Matura; CH: Matur(a)
Abiturient A: Maturant; CH: Maturand
Auszubildender bzw. Azubi Lehrling (auch bundesdt., eher Umgangssprache; CH: nur männl.), Stift (CH: regional; auch bundesdt. dort eher veraltet oder abwertend); CH: Lehrtochter (f.), Lernende(r) (ersetzt seit neustem Lehrling)
die Eins der Einser (A & bair., schwäb.); CH: der Einer (Note 1); der Sechser (Bestnote)
Federmappe (-mäppchen/-mapperl)
Federtasche (NO-dt.)
Mäppchen/Mäpple (W-dt.)
A: Federpennal, Federschachtel; CH: (Schul-)Etui (auch NW-dt.) [A 6]
[R 12]
Grundschule A: Volksschule; CH: Primarschule
Klassenfahrt; Kursfahrt (in der reformierten Oberstufe) A; BaWü: Schulausflug; CH: Schulreise
Zensuren Noten (auch bundesdt.)

Armee

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Feldwebel A: Wachtmeister; CH: Feldweibel
…kommandeur A: …kommandant

Kirche

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Küster Mesner (A & süddt.); CH: Mesmer, Sigrist

Verkehr

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Bürgersteig Gehweg, Gehsteig, Trottoir schwäb. (in Bundesdeutsch veraltet), (CH: exklusiv)
Oberleitungsbus O-Bus; CH: Trolleybus
Omnibus Autobus (Omnibus so gut wie nur in der österr. Rechtssprache)
Vorfahrt A: Vorrang; CH: Vortritt

Handel, Gewerbe, Berufe

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Geldautomat A: Bankomat; CH: Bancomat, Postomat
Kneipe,
Wirtschaft (süddt. bis westdt.)
Beisel, Gasthaus, Wirtshaus (auch östl. Bayern), Beiz (CH), Spunte (Grbd.) [A 7]
Schreibwarengeschäft A: Papierhandlung; CH: Papeterie
Tarifvertrag A: Kollektivvertrag; CH: Gesamtarbeitsvertrag/GAV

Sitten, Gebräuche

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Abmahnung A: Unterlassungsaufforderung
Sonnabend Samstag (A& CH exklusiv, auch in Deutschland verwendet) [A 8]

Freizeit

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
Freizeit
(Gruppenunternehmung über mehrere Tage)
Lager

Verschiedenes

Teutonismus Weitere in D-A-CH gebräuchliche Begriffe Quellen
gerade mal nur
hoch gehen hinaufgehen, nach oben gehen
Korinthenkacker Besserwisser
Mensch!
(als Ausruf)
bislang bisher
vor Ort an Ort und Stelle, dort

Staatsverwaltung

Die national unterschiedliche Benennung staatlicher Funktionen und Einrichtungen ergibt sich aus der unterschiedlichen Rechtstradition der drei Staaten. Diese Begriffe sollten daher ebenso wenig als Teutonismen / Austriazismen / Helvetismen bezeichnet werden, wie man die Bezeichnung President für den obersten Staatsfunktionär der USA als Amerikanismus bezeichnen würde. Die folgende Liste enthält nur wenige Beispiele.

Deutschland Österreich Schweiz
Bundestag Nationalrat (Österreich) Nationalrat (Schweiz)
Ministerpräsident
Chef eines Flächenstaates (Bundeslandes)
Landeshauptmann
Ministerpräsident nur für ausländische Regierungsschefs
Landammann, Regierungspräsident
Ministerpräsident nur für ausländische Regierungsschefs
Senator
Minister in einem der drei deutschen Stadtstaaten
und gleichzeitig Dezernent der jeweiligen Stadt
Wien: amtsführender Stadtrat
Senator in A: Ehrentitel für Universitätssponsoren
Oberbürgermeister Bürgermeister Stadtammann, Stadtpräsident
Personenstandsregister
(früher Personenstandsbücher)
Personenstandsbücher Zivilstandsregister

Bundesdeutsch vs. DDR-Deutsch

In der Alt-Bundesrepublik und West-Berlin einerseits und der DDR anderseits entwickelten sich zwischen 1949 und 1990 unterschiedliche Sprachgebräuche mit teilweise anderen Wörtern, Redewendungen und anderen Wortbedeutungen (siehe auch DDR-Sprachgebrauch). Sowohl in der offiziellen Sprache von Behörden und Massenmedien als auch in der Sprache der Bevölkerung gab es in der Bundesrepublik Deutschland Besonderheiten, die von der in der DDR verwendeten Sprache bei Behörden, Massenmedien und Menschen abwich.

Bei einem Vergleich westdeutscher Lexika und Enzyklopädien mit ostdeutschen erkennt man zahlreiche erhebliche Unterschiede in der Verwendung und Definition von Begriffen. Aber auch im alltäglichen Sprachgebrauch gab es vielfältige Unterschiede.

Die entstandene Sprachgrenze ist nicht zu verwechseln mit einer Mundartgrenze. Sie betrifft nicht regionalen Sprachgebrauch und mundartliche Eigenheiten, sondern bestimmte Teile des Wortschatzes mundartübergreifend. Sie ist erkennbar durch

  • eine scharfe geographische Trennlinie, während Mundartgrenzen oft Übergangszonen bilden;
  • keine Unterschiede in der Aussprache, sondern im Wortschatz und Wortgebrauch;
  • sehr selten handelt es sich bei den betroffenen Wörtern um althergebrachten Wortschatz, der auf einer der beiden Seiten außer Gebrauch geriet, während er im anderen Teil überlebt; dagegen sind häufig Neubildungen betroffen.

Zu unterscheiden vom „westdeutschen Sprachgebrauch“ sind Regionalismen und mundartliche Eigenheiten, die ihren Ursprung nicht in Erscheinungen des westdeutschen Gesellschaftssystems haben und teilweise viel älter sind. Diese sind meistens daran erkennbar, dass sie nicht in der gesamten Bundesrepublik verstanden oder benutzt werden. Besonders deutlich wird dies an Mundarten, die die deutsch-deutsche Grenze überlappen – wie etwa Niederdeutsch, Ostfränkisch und Berlinisch – und bei denen Regionalismen beiderseits der ehemaligen Grenze gleich sind.

Die Ursachen für diese Auseinanderentwicklung der Sprache sind vielfältig. Einerseits verbreiteten sich im Westen Anglizismen durch den Einfluss der Besatzungsmächte und später die enge kulturelle Anbindung an die USA schneller und durchdringender als im Osten. (Obwohl es auch da Gegenbeispiele gibt. Beispielsweise war Juice für Fruchtsaft in der DDR üblich, im Westen wohl nie.) Das Russische im Osten hatte im Vergleich dazu geringen Einfluss, wohl auch weil da immer eine gewisse Distanz zwischen Besatzungstruppen und Bevölkerung herrschte.

Eine weitere Ursache dieser Entwicklung war die Propaganda des Kalten Krieges auf beiden Seiten, sowie die insgesamt unterschiedlichen Lebensumstände die auf einer Seite Bezeichnungen für Dinge hervorbrachten, die auf der anderen Seite unbekannt waren oder eine andere Bedeutung hatten.

Beispielvokabeln im Vergleich West – Ost

Westbegriff Ostbegriff
Hähnchen, Brathähnchen Broiler
Jeans Niethose (nur bis etwa Anfang der 1970er-Jahre, danach ebenfalls Jeans)
Plastik Plaste
Gefrierschrank, einfrieren Froster, einfrosten
Zielsetzung Zielstellung
Astronaut (über Deutsche) Kosmonaut (über Deutsche)
Biergarten Gartenrestaurant (auch in der Schweiz)
Immobilie im Osten nur als Fachbegriff, Umgangssprachlich Haus (nie als Geldanlage)
Optik für Aussehen (in der DDR nur für den Zweig der Physik oder ein System aus Linsen und Spiegeln üblich)
Comecon RGW – Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe
Molotowcocktail Brandflasche

Die folgenden Begriffe wurden in der DDR nur in Bezug auf das kapitalistische Ausland verwendet, weil es die bezeichneten Dinge (zumindest in der gleichen Definition) in der DDR nicht gab:

Abschiebehaft, Abschiebung, Altersvorsorge, Arbeitslosengeld, Beugehaft, Marktwirtschaft, Mehrwertsteuer, Mittelstand, Rechtsstaat, Selbständiger, Etwas muss sich rechnen, Sozialhilfe, Sozialstaat, Wirtschaftswunder, Wirtschaftsführer, Verbraucherschutz

Die folgenden Begriffe wurden nur in historischem Kontext verwendet:

Gymnasium, Grundschule, Hauptschule, Gesamtschule, dreigliedriges Schulsystem, Zwangsräumung, Zwangsvollstreckung, Gerichtsvollzieher, Pfändung

Die folgenden Begriffe wurden in der Bundesrepublik zur Charakterisierung von Erscheinungen in der DDR verwendet, waren dort selbst jedoch meist (oder offiziell) nicht üblich:

Totalitarismus, Einheitssozialisten, Einheitsstaat, Zwangsvereinigung, Todesstreifen, Eiserner Vorhang, Todesschüsse, Vertreibung, „die sogenannte DDR“, Ostzone, Zone, Sowjetzone, Ost-Berlin, Schießbefehl, SED-Staat, Sowjets, Moskowiter, Vopo, Nomenklatura, Arbeiterschließfach

Regionale Varietäten

Im Zuge der zunehmenden Akzeptanz des Deutschen als plurizentrische Sprache wird auch die systematische sprachwissenschaftliche Erforschung regionaler Varietäten, die über die Dialekte hinausgehen, ausgeweitet, wobei es in diesem Bereich jedoch noch einigen Aufholbedarf gibt.

Ein aktuelles Projekt ist der Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA), wo der Sprachgebrauch in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht wird, wobei die Bevölkerung per Umfragen via Internet einbezogen wird. Das Projekt schließt als Fortführung an den Wortatlas der deutschen Umgangssprachen an.[9]

Ein Beispiel für die Erforschung einer einzelnen regionalen Varietät ist das Wörterbuch Bairisches Deutsch – Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern. Der Autor geht dabei einen neuen Weg, indem er das Bairische nicht wie in der klassische Sichtweise als Dialekt sieht, sondern als autochthone Varietät der deutschen Sprache im Südosten der Bundesrepublik. Erfasst sind Wortschatz und Merkmale, die sich auch in der Schriftlichkeit äußern. Belegt werden sie durch Zitate aus Literatur, Presse und Gebrauchstexten. Der Gegenstand des Wörterbuches ist primär nicht die mundartliche Ebene, allerdings wird auf die strikte Trennung zwischen Hochsprache (Standard) und Dialekt (Substandard) bewusst verzichtet.[10]

In Süddeutschland und besonders in Bayern herrschen komplexe Sprachverhältnisse vor, die von der bundesdeutschen Sprachwissenschaft noch nicht hinreichend erforscht sind, weshalb hier besonders auf die Forschungen in Österreich und in Bayern zurückgegriffen wird. Hauptsächlich handelt es sich um die Bereiche Regionales und Sprachebenen, das sich zwischen Dialekt und Hochsprache inklusive bewegt.

Zum Punkt Regionales wird von österreichischen Wissenschaftlern beschrieben, dass sich der Variantenwortschatz und weitere sprachliche Merkmale in mehrere Kategorien bzw. Schichten aufteilen lassen.[11][12][13] Für den bundesdeutschen Sprachraum regional von Belang sind dabei die Kategorien des oberdeutschen Wortschatzes, dessen Gebiet sich insgesamt gesehen über Süddeutschland, Österreich, die Schweiz, Südtirol und Liechtenstein erstreckt, und des bairisch-österreichischen Wortschatzes, dessen Gebiet sich insgesamt über Bayern ohne den rein ost- und rheinfränkischen und den rein schwäbisch-alemannischen Sprachraum (Altbayern), Österreich ohne Vorarlberg und Südtirol erstreckt.

Ersehen lassen sich erstens die Merkmale des oberdeutschen Wortschatzes in Deutschland im Variantenwörterbuch des Deutschen vornehmlich an der Kennzeichnung D-süd und im Duden an der Kennzeichnung südd. oder auch landsch., wenn das Verbreitungsgebiet dort nicht näher bekannt ist, und zweitens die Merkmale des bairischen Wortschatzes an der Kennzeichnung D-südost im Variantenwörterbuch des Deutschen und an der Kennzeichnung bayr. oder auch landsch. im Duden, der jedoch nicht auf systematischer, empirischer Forschung beruht und deshalb ungenau ist. Dieser aufgenommene Wortschatz wird auf jeden Fall zur regionalen Standardsprache gerechnet. Dazu kommt der Wortschatz, der im Wörterbuch Bairisches Deutsch aufgeführt ist und nicht mit ugs., mda.-nah und mdal. gekennzeichnet ist. Nur der so markierte Wortschatz erscheint nur selten oder gar nicht in der Schriftlichkeit in Altbayern.[14]

Zusammenfassend ist zu bemerken, dass es zusätzlich zum Gemeinwortschatz und dem staatenspezifischen Wortschatz in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz einen staatenübergreifenden, regionalen gibt.

Auch der Punkt Sprachebenen gestaltet sich besonders in Süddeutschland und auch in Mitteldeutschland als schwierig zu erfassen in Sinne der traditionellen Sprachwissenschaft. Anschaulich beschreiben lässt es sich folgendermaßen: Zwischen Dialekt und Hochsprache sind irgendwo die Umgangssprachen angesiedelt, die man sich jedoch nicht als einheitliche Sprachformen vorstellen darf. Zudem versteht man unter ihnen im Süden und in der Mitte etwas anderes als im Norden. Dort wird unter Umgangssprache eine stilistisch niedrigere, "lässigere", gleichsam abgesunkene Form der Standardsprache verstanden. In der Mitte und im Süden ist sie eine zwischen den Dialekten und der Hochsprache stehende Zwischenschicht, relativ uneinheitlich, ohne feste Norm, mit vielen Übergangsformen, die häufig interpretierbar sind als Tendenz der Sprecher, der Einheitssprache näher stehende Formen zu verwenden.[15] Es ist auch ein Wechsel von Begriffen zwischen den klassischen Sprachebenen zu verzeichnen, sowohl in Richtung Dialekt, wie auch in Richtung Standardsprache, was man auch bei der Durchsicht des Buches Bairisches Deutsch ersehen kann.

In der Praxis ergibt sich im Süden und in der Mitte Deutschlands eine durchgehende Linie zwischen Dialekt, Umgangssprache und Hochsprache, während im Norden Deutschlands eine Lücke zwischen Dialekt einerseits, und Umgangssprache und Hochsprache andererseits klafft. In Norddeutschland gehören die Dialekte – das Plattdeutsch – nämlich zum heute auch offiziell als eigene Sprache anerkannten Niederdeutschen, das sich vom Hochdeutschen und dessen Dialekten deutlich unterscheidet. Vor rund 500 Jahren gab es im niederdeutschen Sprachraum einen radikalen Sprachwechsel, wo die damalige niederdeutsche Schreibsprache zugunsten der hochdeutschen aus dem Süden im Laufe der Zeit weitgehend aufgegeben wurde, und zwar orientiert am Lautwert der Buchstaben der geschriebenen Sprache, die jedoch auch zur gesprochenen Sprache wurde.[16] Trotzdem finden niederdeutsche Begriffe bis heute Eingang in die hochdeutsche Standardsprache. Im Süden und in der Mitte hat es keinen radikalen Sprachwechsel gegeben, sondern eine kontinuierlichere Entwicklung, die jedoch auch nicht ohne Brüche verlief, denn ab 1750 wurde die im Norden entwickelte Sprache im Süden übernommen. Damals war nämlich ein Entwicklungsvorsprung des Nordens gegenüber dem Süden zu verzeichnen, der durch die Sprachübernahme mit aufgeholt wurde.[17] Auch das setzt sich bis heute fort, wobei es jedoch auch eine Wanderung von Begriffen vom Süden in den Norden gibt. Zudem sind oberdeutsche und bairische Sprachelemente im Süden immer noch relativ stark verwurzelt, trotz des zu verzeichnenden Rückgangs bei der jungen Generation und in den Großstädten.[18]

Literatur

  • Ulrich Ammon, Hans Bickel, Jakob Ebner, et al.: Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Walter de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-016575-9 (Gebunden, ISBN 3-11-016574-0 Broschur). 
  • Michael Clyne: German as a pluricentric language. In: Michael Clyne (Hrsg.): Pluricentric languages: Differing norms in different nations. de Gruyter, Berlin, New York 1992, ISBN 3-11-012855-1, S. 117–147.
  • Michael Clyne: The reconvergence of German after unification and its limits. In: Michael Clyne (Hrsg.): Undoing and redoing corpus planning. de Gruyter, Berlin, New York 1997, ISBN 3-11-015509-5, S. 117–142.
  • Csaba Földes: Deutsch als Sprache mit mehrfacher Regionalität: Die diatopische Variationsbreite. In: Muttersprache 112.3 (2002), S. 225–239.PDF
  • Heinz Kloss: Plurizentrische Hochsprachen. In: ders.: Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. 2. Auflage. Schwann, Düsseldorf 1978, ISBN 3-590-15637-6, S. 66–67.
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band III: 19. und 20. Jahrhundert, Berlin/New York 1999. S. 412–453.

Ost – West

  • Ulrich Ammon: Zur Entstehung von Staatsvarietäten während der 40jährigen Teilung Deutschlands. In: ders.: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Das Problem der nationalen Varietäten. de Gruyter, Berlin, New York 1995, ISBN 3-11-014753-X, S. 385–390.
  • Günther Drosdowski: Deutsch – Sprache in einem geteilten Land. Dudenverlag, Mannheim 1990, ISBN 3-411-04651-1.
  • Michaela de Groot: Wortsemantische Divergenz und Konvergenz im Sprachgebrauch. Vergleichende Untersuchungen zur DDR/BRD-Inhaltsspezifik vor und während des Umschwungs in der DDR. Lang, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-631-44731-0.
  • Manfred Hellmann: Bibliographie zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Schwann, Düsseldorf 1976, ISBN 3-590-15616-3.
  • Manfred Hellmann: Sprache zwischen Ost und West – Überlegungen zur Wortschatzdifferenzierung zwischen Ost und West. In: Wolfgang Kühlwein und Günther Redden. (Hrsg.): Sprache und Kultur: Studien zur Diglossie, Gastarbeiterproblematik und kulturellen Integration. Narr, Tübingen 1978, ISBN 3-87808-107-3, S. 15–54.
  • Manfred Hellmann: Zwei Gesellschaften – zwei Sprachschichten. In: Forum für interdisziplinäre Forschung 2 (1989), S. 27–38.
  • Hugo Moser: Sprachliche Folgen der politischen Teilung Deutschlands. (Wirkendes Wort, Beiheft 3). Schwann, Düsseldorf 1962.
  • Horst-Dieter Schlosser: Das Ende der Zweisprachigkeit. In: Gerhard Strunk (Hrsg.): Wiederbegegnung: Herausforderungen an die politische Bildung. Deutscher Volkshochschulverband, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-88513-077-7, S. 26–39.
  • Heinrich Waegner: Gespaltenes Deutsch: Grammatische Lyrik zur Gegenwart. Kalliope, Siegen 1984, ISBN 3-924668-00-0.

Siehe auch

Einzelnachweise

P1: Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart Band 3, Walter de Gruyter, 2000, ISBN 3-11-014344-5,

  1. a b c d e f g h S. 419 ff.
  2. S. 421
  3. S. 422 f.

P2: Peter von Polenz 1987

  1. a b 1987, S. 101

P3: Peter von Polenz: Österreichisches, schweizerisches und deutschländisches und teutonisches Deutsch. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik Nr. 24/1996

  1. S. 211
  2. S. 205-220

R: Gregor Retti: Datenbank zur deutschen Sprache in Österreich

  1. Nachtessen, das, Substantiv, Kompositum, Bedeutung: Abendessen, Abfrage: 22. März 2008
  2. Nachtmahl, das; Nachmähler (PL.), Substantiv, Kompositum, Bedeutungg: Abendessen, Abfrage: 22. März 2008
  3. abendessen, Verb, Kompositum, Bedeutung: abendessen, Abfrage: 22. März 2008
  4. deftig, Adjektiv, Simplex, Bedeutung: deftig, Abruf: 22. März 2008
  5. Gardine, die, Substantiv, Simplex, Bedeutung: dünner Fenstervorhang, Abruf: 22. März 2008
  6. Vorhang, der, Substantiv, Ableitung, Bedeutung: (dünner) Fenstervorhang, Abruf: 22. März 2008
  7. Store, der, Substantiv, Simplex, Bedeutung: dünner Fenstervorhang, Abruf: 22. März 2008
  8. Schuhbändel, das, Substantiv, Kompositum, Bedeutung: Schuhband, Abruf: 22. März 2008
  9. Schuhband, das, Substantiv, Kompositum, Bedeutung: Schuhband, Abruf: 22. März 2008
  10. Schuhbandel, das, Substantiv, Kompositum, Bedeutung: Schuhband, Abruf: 22. März 2008
  11. Schuhbandl, das, Substantiv, Kompositum, Bedeutung: Schuhband, Abruf: 22. März 2008
  12. Federpennal, das, Substantiv, Kompositum, Bedeutung: Etui für Schreibzeug, Abruf: 22. März 2008

A: Stephan Elspaß, Robert Möller: Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA)

  1. Zweite Runde: Ergebnisse , Orange, Version: 23. Juni 2008
  2. Vierte Runde: Ergebnisse , Frühstück am Arbeitsplatz, 21. Dezember 2007
  3. Vierte Runde: Ergebnisse , Feldsalat, 21. Dezember 2007
  4. Vierte Runde: Ergebnisse , Sichtschutz bzw. Sonnenschutz, 21. Dezember 2007
  5. Vierte Runde: Ergebnisse , Schnürsenkel/Schuhband, 21. Dezember 2007
  6. Vierte Runde: Ergebnisse , Behältnis für Schreibutensilien, 21. Dezember 2007
  7. Vierte Runde: Ergebnisse , Kneipe, 21. Dezember 2007
  8. Pilotprojekt „Umfrage zum regionalen Sprachgebrauch“, 10. November 2006

Verschiedene

  1. a b Anja Ehrsam-Neff: Eine empirische Untersuchung der Helvetismen anhand der Schweizer Tageszeitung Blick, Universität Zürich, 27. Juni 2005
  2. a b c d Anna-Julia Lingg: Kriterien zur Unterscheidung von Austriazismen, Helvetismen und Teutonismen in:
    Christa Dürscheid, Martin Businger (Hrsg.): Schweizer Standarddeutsch: Beiträge zur Varietätenlinguistik, Gunter Narr Verlag, 2006, ISBN 3-8233-6225-9, S. 23 ff.
  3. Ulrich Ammon: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz: das Problem der nationalen Varietät, Berlin, New York 1995, S. 35 ff.
  4. Clyne 1982, S. 54
  5. Jutta RANSMAYR: Der Status des Österreichischen Deutsch an nicht-deutschsprachigen Universitäten. Eine empirische Untersuchung Aus der Reihe: Österreichisches Deutsch – Sprache der Gegenwart, hg. v. R. Muhr u. R. Schrodt, Bd. 8, Peter Lang, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-631-55242-4, Rezension durch Heinz Ulrich Pohl
  6. Richard Schneider: Neuartiges Variantenwörterbuch des Deutschen: Ulrich Ammon geißelt „Arroganz der Deutschen gegenüber allem Deutsch, das nicht dem Norddeutschen entspricht“, 28. März 2005, uebersetzungsportal.de
  7. a b Robert Sedlaczek: Das österreichische Deutsch. Wie wir uns von unserem großen Nachbarn unterscheiden, Ueberreuter, Wien 2004, S. 392
  8. Heinz Pohl: Allgemeines zum österreichischen Deutsch – Zur Terminologie, Stand: 5. Jänner 2008
  9. Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA)
  10. Ludwig Zehetner: Bairisches Deutsch. Heinrich Hugendubel Verlag/edition vulpes, Kreuzlingen/München/Regensburg 2005, ISBN 3980702871, sinngemäß aus der Einleitung, S. 13–24
  11. Peter Wiesinger: Das österreichische Deutsch in Gegenwart und Geschichte., Lit Verlag, Wien-Berlin, 2006, ISBN 3-8258-9143-7, S. 414
  12. Rudolf Muhr, Richard Schrodt, Peter Wiesinger (Herausgeber): Österreichisches Deutsch – Das österreichische Deutsch in der Diskussion, S. 59–75
  13. Heinz Pohl: Allgemeines zum österreichischen Deutsch, Stand: 5. Jänner 2008
  14. Ludwig Zehetner: Bairisches Deutsch. Heinrich Hugendubel Verlag/edition vulpes, Kreuzlingen/München/Regensburg 2005, ISBN 3980702871, Einleitung, Abschnitt Sprachniveau, S. 22
  15. Manfred Renn, Werner König: Kleiner Bayerischer Sprachatlas, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006, ISBN 3-423-03328-2, Abschnitt Dialekte, Umgangssprachen und Hochsprache, S. 20 f.
  16. Manfred Renn, Werner König: Kleiner Bayerischer Sprachatlas, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2006, ISBN 3-423-03328-2, Sprachwechsel im Niederdeutschen, S. 19
  17. Manfred Renn, Werner König: Kleiner Bayerischer Sprachatlas, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2006, ISBN 3-423-03328-2, Abschnitt Das Neuhochdeutsche, S. 19
  18. Ludwig Zehetner: Bairisches Deutsch. Heinrich Hugendubel Verlag/edition vulpes, Kreuzlingen/München/Regensburg 2005, ISBN 3-980-70287-1, Vorbemerkungen und Einleitung

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