Schlüsselart

Schlüsselart

Als Schlüsselart (in Anlehnung an die engl. Bezeichnung "Keystone Species") wird in der Ökologie eine Art bezeichnet, die im Vergleich zu ihrer geringen Häufigkeit einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Artenvielfalt einer Lebensgemeinschaft ausübt. [1]Auch wenn Schlüsselarten auf jeder Trophieebene vorkommen können, handelt es sich meist um Prädatoren. Durch den Fraßdruck der Schlüsselart wird die Populationsdichte unter den Beutetieren so weit herabgesetzt, dass die Konkurrenz zwischen den Beutearten abnimmt und die Koexistenz verschiedener Arten begünstigt wird. Fällt die Schlüsselart aus, setzt sich infolge der verstärkten Konkurrenz zwischen den Beutetieren oft eine Art durch und verdrängt die konkurrenzschwächeren Arten, was zum Absinken der Biodiversität in dieser Lebensgemeinschaft führt.

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Die Rolle, die eine Schlüsselart (engl. keystone species) in ihrem Ökosystem spielt, entspricht der eines Schlusssteines (engl. keystone) in einem Rundbogen. Obwohl der Schlussstein von allen Steinen unter dem geringsten Druck steht, bricht der Bogen ohne ihn dennoch zusammen. Ebenso kann ein Ökosystem eine dramatische Verschiebung erleben, wenn eine Schlüsselart entfernt wird, obwohl diese, gemessen an Biomasseanteil oder Produktivität, nur eine kleine Rolle gespielt hat.

Geschichte

Das Konzept der Schlüsselart wurde 1969 [2] von dem Zoologen Robert T. Paine, einem emeritierter Professor der Universität Washington, geprägt, um die Beziehung zwischen Pisaster ochraceus, einer Seesternart und Mytilus californianus, einer Muschelart, zu erklären. [3]In seiner Veröffentlichung beschrieb er 1966 ein solches System in Makah Bay, Washington State und schlug in einer weiteren Veröffentlichung 1969 das Konzept der Schlüsselarten vor. [4] This led to his 1969 paper where he proposed the keystone species concept.[5]

Konzepte

Das Interesse an an Bewahrung von Artenvielfalt reicht bereits lange zurück, jedoch erst in den 1980ern entstand der Begriff "Biological diversity", später verkürzt "biodiversity". 1992 wurde in Rio de Janeiro auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) die Übereinkommen über die biologische Vielfalt (englisch Convention on Biological Diversity) ausgehandelt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Erhaltung aller, zum Teil recht ähnlichen Arten zur Wahrung der Funktion der Biodiversität nötig ist und wie stark sich der Verlust einer Art auf ein Ökosystem auswirkt.

Hierzu wurden folgende Hypothesen formuliert:

  • Die Gleichwertigkeit-der-Arten-Hypothese (engl. equally important species hypothesis; Vitousek und Hooper, 1993) besagt, dass alle Arten gleich stark zur Funktion eines Ökosystems beitragen und damit gleich wichtig sind. Demnach würde sich eine Zunahme an Arten proportional zu einer Funktionszunahme (z.B. erhöhte Primärproduktion oder Stabilität) verhalten.
  • Die Redundante-Arten-Hypothese (engl. species redundancy hypothesis; Walker, 1992) besagt, dass auf Grund ihrer Ähnlichkeit einige Arten für ein Ökosystem entbehrlich sind. So nimmt die Funktion eines Ökosystemes zunächst stark zu, erreicht aber bald eine Sättigung. Es kann auch sein, dass einige Schlüsselarten (engl. keystone species) von besonderer Bedeutung sind.
  • Die Idiosynkrasie-Hypothese (engl. idiosyncratic hypothesis; Lawton 1994) besagt, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Artenzahl und Funktion gibt. Allerdings sind Arten nicht ohne Bedeutung, vielmehr ist die Artenzahl allein nicht aussagekräftig, sondern die Artenzusammensetzung.


Es ist schwierig, eine der Hypothesen als geeignet zu wählen, da die Bedeutung einer Art erst mit ihrem Verschwinden offensichtlich wird. Zur Sicherheit sollte man somit davon ausgehen, dass alle Arten wichtig sind. Nach der Versicherungs-Hypothese (engl. insurance hypothesis; Yachi und Loreau, 1999) ist Redundanz in einem Ökosystem auch nicht überflüssig, sondern dient als Puffer für Veränderungen.

Schwartz et al stellten bei einer Analyse von 40 verschiedenen Experimenten (2000), die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, um einen Zusammenhang zwischen Artenreichtum und Funktion herauszufinden, fest, dass die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Man findet jedoch meist einen Zusammenhang zwischen Artenzahl und Funktion bei geringer Artenzahl und einer folgenden Sättigung. Dem stehen nur wenige Studien mit linearem Zusammenhang zwischen Artenzahl und Funktion gegenüber. [6]

Beispiele

Als klassisches Beispiel gilt der räuberische Seestern Pisaster ochraceus der diese Funktion an einer Felsküste in der Gezeitenzone ausübt. Er ernährt sich hierbei von verschieden Arten von Weichtieren (Käferschnecken, Napfschnecken, Miesmuscheln) und Krebsen (Seepocken und Entenmuscheln). Wird der Seestern aus dem System entfernt, verdrängt die Kalifornische Miesmuschel (Mytilus californianus) die restlichen Arten und die Biodiversität nimmt ab. Die Kalifornische Miesmuschel ist in der Konkurrenz um Raum äußerst erfolgreich und kann massive Muschelbänke bilden.

Dr. Robert Paine beschrieb das oben angeführte Szenario in der Mukkaw Bay in Washington (Bundesstaat) und führte das Konzept der Schlüsselart (engl. keystone species) 1969 ein.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Paine, R.T.: A Conversation on Refining the Concept of Keystone Species. In: Conservation Biology. 9, Nr. 4, 1995, S. 962–964. doi:10.1046/j.1523-1739.1995.09040962.x.
  2. Keystone Species Hypothesis. University of Washington. Abgerufen am 3. Februar 2011.
  3. William Stolzenberg: Where the Wild Things Were: Life, death and ecological wreckage in a land of vanishing predators. Bloomsbury USA 2008, ISBN 1-59691-299-5
  4. Paine, R.T.: Food Web Complexity and Species Diversity. In: The American Naturalist. 100, Nr. 910, 1966, S. 65–75. doi:10.1086/282400. Abgerufen am 4. Oktober 2007.
  5. Paine, R.T.: A Note on Trophic Complexity and Community Stability. In: The American Naturalist. 103, Nr. 929, 1969, S. 91–93. doi:10.1086/282586. Abgerufen am 4. Oktober 2007.
  6. Wolfgang Nentwig, Sven Bacher, Roland Brandl: Ökologie kompakt. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-8274-1876-0 (Bachelor), S. 199ff

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