Schwarzstaub

Schwarzstaub

Als Fogging-Effekt, auch Schwarzstaub oder magic-dust genannt, bezeichnet man die Schwarzverfärbung von Räumen in Gebäuden. Der Effekt tritt in Wohnungen in Deutschland meistens zur Winterzeit auf. Als Ursache wird in vielen Fällen Thermophorese angenommen. Das Wort Fogging kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Vernebelung. Es ist eine neue Bezeichnung für die sehr lange bekannte Thermophorese, die in Fachbüchern der Aerosolphysik ausführlich beschrieben ist. Im Allgemeinen sind Neubauten oder kürzlich renovierte Wohnungen betroffen. Dies wird vom Umweltbundesamt damit erklärt, dass schwerflüchtige organische Stoffe, z. B. Weichmacher, aus Baustoffen und Einrichtungsgegenständen entweichen und sich mit Staub- und Rußpartikeln zu einem schmierigen Film verbinden.[1]

Inhaltsverzeichnis

Auswirkungen

An der Zimmerdecke oder an einer Wand setzt sich ein schwarzer Belag fest. Eine stark betroffene Wohnung sieht aus wie nach einem Schwelbrand. Auch die Rußabscheidung bei einem Brand geschieht zum großen Teil durch das Temperaturgefälle zwischen Raumluft und Wand, also durch Thermophorese.

Geschichte

Der Effekt war vor 1995 nach Aussage des Bundesumweltamtes unbekannt und ist erst seit einer Fragebogenaktion des Umweltbundesamtes 1997/98 weitläufig zur Kenntnis genommen worden.

Theorie

Zur Bildung des schwarzen Staubes an Wänden reichten bereits aus:

  1. Staubteilchen in der Raumluft
  2. Thermophorese-Effekt

Staubteilchen oder Aerosolteilchen unterliegen der Thermophorese. Das bedeutet, sie bewegen sich durch die Luft aus einem warmen Gebiet in kältere Zonen und scheiden sich dort ab. Das gilt für alle Arten von Schwebeteilchen, die sich in der Raumluft befinden. In einer normalen Wohnung sind das zwischen 1000 und 5000 Teilchen pro Kubikzentimeter. Oberhalb von warmen Heizungen und dicht unter der Zimmerdecke ist der Temperaturunterschied zwischen Luft und Wand besonders groß, so dass der Effekt dort am deutlichsten ist.

Besonders groß sind Temperaturunterschiede auch an Wärmebrücken. So zeichnen sich z. B. in Außenwänden ungenügend zur Raumseite hin gedämmte Eisenträger oder andere Metallgegenstände nach einigen Jahren deutlich auf der Wand ab.

Der Effekt tritt bevorzugt im Winter auf, weil dann die Wände besonders kalt und die Heizungen besonders warm sind. Ob der Fogging-Effekt stärker oder schwächer sichtbar ist, hängt von der Nutzung einer Wohnung ab. In besonders warmen und ständig genutzten Wohnungen sollte er deutlicher sein als in seltener genutzten und kühleren Wohnungen. Naturgemäß enthält die Luft von Raucherwohnungen weit mehr Aerosolteilchen als die von Nichtraucherwohnungen. Auch Kerzen und andere offene Feuerquellen erzeugen sehr viele Teilchen und stärkeres Fogging.

Im Grunde ist dieser Effekt schon länger bekannt. Für das verstärkte und veränderte Auftreten (klebrige Ablagerungen statt leicht entfernbarer Staub) seit den 1990er Jahren macht das Umweltbundesamt moderne Baustoffe verantwortlich. Sie sind statt mit leichtflüchtigen Lösungsmitteln oft mit schwerflüchtigen organischen Verbindungen ausgestattet. Dazu kommen Weichmacher in Kunststoffprodukten und eventuell der verstärkte Gebrauch von Öllampen und Kerzen. Diese Stoffe verbinden sich nach der Theorie des UBA mit dem "normalen" Staub in der Raumluft und verursachen so die schwarzen Ablagerungen. So reichen bereits geringe Übersättigungen der Chemikalie aus einem Baustoff aus, zum Beispiel in der Luft über Heizkörpern an der kühleren Wand, um zu einer Kondensation der Chemikalie auf der Partikeloberfläche zu führen (heterogene Kondensation).

Weitere Beiträge zum Fogging

Es gibt noch andere Effekte der Staubabscheidung, die auch bei Fogging eine Rolle spielen können.

Dazu gehört die elektrische Aufladung von Wandflächen. Elektrostatische Felder scheiden Staubteilchen ab, die elektrisch aufgeladen oder polarisierbar sind. Das trifft für die meisten Aerosolteilchen in der Raumluft zu. Elektrostatische Felder an Wandflächen sind recht selten. Sie treten z. B. an bewegten Gardinen auf oder wenn eine Wand anderweitig gerieben wird.
Ganz drastisch ist die Staubabscheidung auf der Bildröhre älterer Fernsehapparate. Bildröhren neuerer Fernseher oder Computermonitore sind kaum noch aufgeladen. An älteren Bildröhren lässt sich eindeutig nachweisen, dass der Belag aus der Raumluft stammt. Viele Aerosolpartikel sind auf natürliche Weise radioaktiv, weil sie Radon-Zerfallsprodukte tragen. Sie reichern sich auf der Bildröhre so weit an, dass die Radioaktivität leicht messbar ist. Da Fogging vermehrt nach Renovierungen auftreten soll, nimmt man auch schwerflüchtige organische Verbindungen aus Anstrichen und Belägen z. B. von Weichmachern an.

Hinzu kommt auch die Adhäsion, also die Fähigkeit von feuchten Bauteiloberflächen oberflächennah in der Luft schwebenden Staub und andere Partikel "anzusaugen" und zumindest einige Zeit zu binden. Nach der Trocknung wird die Haftwirkung nach und nach aufgehoben, die vorher "festgeklebten" Partikel fallen ab, sofern sie sich nicht mit dem Untergrund verbunden haben.

Belege für die Thermophorese von Aerosolteilchen

Staubniederschlag in einer Zimmerecke

Das erste Bild zeigt durch Thermophorese abgeschiedene Staubteilchen in einer Zimmerecke. Die linke und rechte Wand sind tapezierte Außenwände und entsprechend kalt. Den oberen Abschluss bildet eine gestrichene Betondecke. Die Temperaturgradienten (größten Temperaturgefälle) zeigen nicht genau in die Ecken sondern auf die Wandflächen kurz davor. Weil die Staubteilchen mit ihrer thermischen Bewegung den Temperaturgradienten folgen, bleiben die tiefsten Ecken heller als die direkt benachbarten Wandflächen.

Staubniederschlag an einer verborgenen Wärmebrücke

Die Thermophorese macht oft verborgene Wärmebrücken sichtbar. Dieses Bild zeigt eine Staubablagerung auf den Umrissen eines eingemauerten Metallgehäuses. Früher saß in dieser Wand ein Ventilator. Die Bewohner bauten den Ventilator aus und mauerten die Öffnung zu. Sein durchgehendes Gehäuse blieb in der Wand und leitet Wärme nach außen ab. Die Thermophorese scheidet genau an dem Metallrand Staubteilchen auf der Tapete ab. Mit einem Radiergummi lässt sich die Schwärzung leicht entfernen, das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von normalen Staubablagerung zu Fogging oder Black Magic Dust. Diese Ablagerungen lassen sich weder durch wischen noch radieren entfernen.

Staubniederschlag aus der Raumluft auf Filtern

Staubteilchen in der Raumluft sind schwarz, ebenso wie die Fogging-Muster an der Wand. Das Bild zeigt Filter aus einem Staubsammelgerät, durch die zwischen 0,5 m3 und 10 m3 Luft aus einem Wohnraum geströmt sind.

Andere Auswirkungen der Thermophorese

Speziell am Ende des Winters lässt sich auf der Innenseite von Fensterscheiben ein Schmutzfilm beobachten. Auch das sind durch Thermophorese auf der kalten Scheibe abgeschiedene Staub- bzw. Aerosolteilchen. Besonders deutlich ist dieser Film auf Scheiben mit schlechtem Wärmeschutz sichtbar, wie sie in Altbau-Wohnungen, Schaufenstern oder Autos vorkommen.
Auch einige Probenahmegeräte zur Staubteilchenanalyse scheiden Teilchen aus Luftproben durch Thermophorese ab. Ein derartiges Gerät heißt Thermalpräzipitator.

Verhindern des Fogging-Effekts

Fogging wird sich nicht ganz verhindern lassen, weil die Thermophorese ein natürlicher, physikalischer Effekt ist, der nicht durch Umweltgifte oder Ähnliches bedingt ist. Um ihn weitgehend zu reduzieren, müssen Temperaturunterschiede zwischen der Raumluft und kalten Flächen möglichst klein gehalten werden. Das lässt sich durch größere Heizungsflächen mit geringerer Temperatur erreichen. Ideal in diesem Sinne ist eine Fußboden- oder Wandheizung. Auch ein geringerer Staubgehalt in der Raumluft wird die Wände sauberer halten. Hierfür sollte auf Rauchen verzichtet werden und es sollten nur rußarme Kerzen zum Einsatz kommen. Häufigeres Lüften wird wahrscheinlich nur eine geringe Wirkung zeigen, weil sich dadurch in der Nähe der Fenster die Wände stärker abkühlen. Dies fördert Kondensatbildung und nachfolgend Schimmelpilzwachstum. Deshalb wohl oft, aber nur kurz und kräftig lüften.

Umweltbundesamt

Da das Umweltbundesamt (UBA) an der Begriffsbildung „Fogging-Effekt“ festhält, sind weitere Untersuchungen zu dem Begriffskomplex zu erwarten, und es ist unwahrscheinlich, dass die Beobachtung des Phänomens (wenn es denn doch ein eher psychologischer Effekt ist) in naher Zukunft nachlassen wird. Trotz jahrelanger Beschäftigung mit dem Phänomen wollen aber auch die Experten des Amtes zur Zeit keine Hinweise zur Verhinderung des Effektes bekanntgeben, da bisher nicht einmal vorbeugenden Maßnahmen verifiziert werden konnten (geschweige denn das Scheitern erklärt werden konnte). Das UBA sieht in der Thermophorese – falls überhaupt – nur einen untergeordneten Beitrag zum Fogging.

Mietrechtliche Fragen

Da die Ursache komplexer Natur zu sein scheint, ist die mietrechtliche Frage, wer für Schäden aufzukommen hat, noch schwieriger zu beantworten als bei Schimmelbefall, und ist von der Einzelfalluntersuchung abhängig.[2]

Um einen Mietmangel soll es sich etwa nach den Auffassungen der Landgerichte Berlin[3] und Ellwangen[4] sowie des Bundesgerichtshofs[5] handeln.

Der Bundesgerichtshof hat die laut einem Sachverständigengutachten möglichen Ursachen (die Ausstattung der Wohnung mit einem handelsüblichen Teppich, das Streichen der Wände mit handelsüblichen Farben und das Reinigen der Fenster im Winter) als ‚vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache‘ klassifiziert.

Einzelnachweise

  1. http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2276.pdf UBA-Studie zum Phänomen der „Schwarzen Wohnungen“
  2. Vgl. zum „Fogging“ in rechtlicher Hinsicht die Aufsätze von Hitpaß/Haugg (ZMR 2002, 337; Isenmann (WuM 2001, 428) und Moriske (NZM 2000, 894)
  3. LG Berlin ZMR 2003, 489
  4. ZMR 2001, 544
  5. http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0098/08

Literatur

  • Wolfgang Isenmann in „Isenmann/Adam/Mersson – Feuchtigkeitserscheinungen in bewohnten Gebäuden“ Stichwort: Fogging; Verlag für Wirtschaft und Verwaltung H. Wingen, Essen, 4. Auflage 2008, 293 Seiten (ISBN 978-3-8028-0560-8 oder www.wingenverlag.de).
  • Heinz-Jörn Moriske, M. Wensing u. a.: Neue Untersuchungserebnisse zum Phänomen „Schwarze Wohnungen“. in: Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft. Springer-VDI-Verl., Düsseldorf 61.2001,9 (Sept.), 387ff. (PDF) ISSN 0039-0771
  • Umweltbundesamt Berlin (Hrsg.): Attacke des schwarzen Staubes – Das Phänomen „Schwarze Wohnungen“. Umweltbundesamt, Berlin, August 2004

Weblinks

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