Schöpfungsgeschichte (Priesterschrift)

Schöpfungsgeschichte (Priesterschrift)

Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift ist die erste der zwei komplementären Schöpfungsgeschichten im Buch Genesis 1,1-2,4a.

Die im Text folgende Schöpfungsgeschichte, Genesis 2,4b-25, wird in der traditionellen Pentateuchkritik dem Jahwisten zugeschrieben. Dabei ist zu beachten, dass der in der Bibel zuerst aufgeführte Schöpfungsbericht in seiner Entstehung jünger ist als die jahwistische Version.

Dieser Artikel bezieht sich auf die Einheitsübersetzung (Text: EU).

Inhaltsverzeichnis

Historischer Kontext

Die Priesterschrift entstand nach den meisten in der aktuellen Pentateuchforschung diskutierten Modellen frühestens während des Babylonischen Exils (Dauer von 586 bis 538 v. Chr.) des Volkes Israel, eher sogar erst in nachexilischer Zeit.[1] Nachdem der Perserkönig Kyros Babylon erobert hatte, konnten die Juden nach Jerusalem zurückkehren, Judäa wurde persische Provinz bis zur Eroberung durch Alexander den Großen. War JHWH zuvor noch ein Gott unter vielen Göttern Kanaans, kamen die Juden nun mit dem persischen Zoroastrismus in Kontakt, einer monotheistischen Religion, die Gott als das Gute begreift.

Es sei zu der historischen Situation auf den Artikel zum Babylonischen Exil verwiesen.

Wichtig für das Verständnis ist, dass die Autoren sich im Exil mit den Schöpfungsmythen und der Religion Babylons auseinandersetzten. In dieser polytheistischen Religion verfolgten die Götter auf das eigene Wohl gerichtete Pläne und kämpften sogar gegeneinander. Gestirne und Naturphänomene wurden selbst vergöttlicht. Im Schöpfungsmythos Enûma elîsch werden die Menschen geschaffen, um den Göttern Arbeit abzunehmen. Sie leben in einer instabilen Weltordnung mit ungewissem Schicksal.

Die Schöpfungsgeschichte stellt diesen Vorstellungen ein völlig anderes Weltbild gegenüber.

Die Schöpfung

Das Chaos

1,1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;
1,2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.

Die Schöpfung erfolgt aus einer wüsten Finsternis, aus dem Chaos, in dem nur das Urmeer existiert. Hier liegt ein Zusammenhang mit der Erfahrung von Überflutungen in Mesopotamien. Das urzeitliche Chaos wird entmythologisiert; es findet kein Chaoskampf statt wie in anderen altorientalischen Schöpfungsdarstellungen. Auch von einer Theogonie ist nicht die Rede.

Schöpfung durch das Wort

1,3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.

Die Schöpfung erfolgt auf geradezu abstrakte Weise durch das Wort. Dadurch wird die Jenseitigkeit Gottes im Gegensatz zum weltimmanenten Erscheinen der Götter Babylons betont. Gott ist allmächtig und wird von keiner anderen Macht in seinem Schaffen gehindert.

1,4 Gott sah, dass das Licht gut war. [...]
1,5 und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. [...]

Nach jedem Schöpfungsakt begutachtet Gott das Werk und beurteilt es als gelungen. Er gibt dem Geschaffenen einen Namen, benennt die Elemente, wodurch die in Babylon vertretene Göttlichkeit dieser Dinge ausgeschlossen wird.

Die Schöpfung erfolgt in sechs Tagen:

  1. Das Licht – Tag und Nacht
  2. Das Himmelsgewölbe
    • Land und Meer
    • Pflanzen
  3. Sonne, Mond und Sterne
    • Die Vögel des Himmels
    • Die Lebewesen des Meeres
    • Alle Tiere des Landes
    • Den Menschen

Ganzheitliche Schöpfung des Menschen

1,26 Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.
1,27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.
1,28 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.
1,29 Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.

Durch die Gottebenbildlichkeit des Menschen wird ihm die unantastbare Würde verliehen. Es wird nicht gesagt, worin die Gottebenbildlichkeit besteht, wohl aber, was sie bedeutet: Der Mensch besitzt eine Sonderstellung über allen anderen Lebewesen und wird von Gott dazu beauftragt, über die Schöpfung zu herrschen. Verstärkt wird das noch durch die Selbstaufforderung Gottes zur Schaffung des Menschen (1,26) und den abschließenden Segen (1,28).

Gleichsam wird der Mensch ganzheitlich als Mann und Frau geschaffen – auch das ist im Vergleiche zur Jahwistenschrift die „modernere“ Version.

Der siebte Tag

2,2 Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und an diesem Tag ruhte er.
2,3 Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das Werk der Schöpfung vollendet hatte.

Am Ende der Schöpfung nimmt Gott Abstand von seinem Werk. Er tritt einen Schritt zurück, begutachtet die Schöpfung, und er sieht, dass es gut ist. In diesem Moment ruht er. Der Mensch bezieht sich durch seine Ruhe am Sabbat auf diese Ruhe Gottes am siebten Tag.

Gegenüberstellung mit dem jahwistischen Schöpfungsbericht in Genesis 2

Priesterschrift nichtpriesterlicher Schöpfungsbericht
Entstehungszeit ca. 550 v. Chr. traditionell ca. 900 v. Chr., heute umstritten
Entstehungsort Babylon (im Exil) Israel
Urzustand wüst, leer, Finsternis , Wasser (Urflut) Ackerboden, Wüste, trockenes Land
Dauer 6+1 Tage 1 Tag/unklar
Wasser Urflut, drohend belebend, fruchtbar
Erschaffung des Menschen unbestimmte Anzahl, Mann und Frau zeitgleich, am Ende der Schöpfung am Anfang einen Mann (Adam), am Ende eine Frau (Eva) Frau aus der Rippe des Mannes
Mensch Mann und Frau als Herrscher über Vögel, Fische, Tiere Mann als Bebauer und Hüter, dann Frau als Hilfe.

Erst Körper, dann Geist

Schöpfung durch das Wort die handwerkliche Tat

Einzelnachweise

  1. Erich Zenger et al.: Einleitung in das Alte Testament. Kohlhammer, Stuttgart 1995, 5. Aufl., S. 99–123 und 156–175.

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