Schülermobbing

Schülermobbing

Unter Mobbing in der Schule (auch: Bullying) versteht man ein gegen Schüler gerichtetes „Gemeinsein“, Ärgern, Angreifen, Schikanieren und Sekkieren.[1] Sind Lehrer Ziel solcher Angriffe, so spricht man üblicherweise von Mobbing am Arbeitsplatz. Mobbing in der Schule kann direkt (körperlich und verbal) oder auch indirekt (beispielsweise durch soziale Isolierung) erfolgen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Definition

Laut Dan Olweus bedeutet Mobbing, dass „ein oder mehrere Individuen, wiederholte Male und über einen Zeitraum negativen Handlungen von einem oder mehreren Individuen ausgesetzt sind“. Es handelt sich um negative Handlungen, wenn ein Individuum einem anderen Schaden beziehungsweise Unannehmlichkeiten zufügt oder zuzufügen versucht. Solche Handlungen können verbal (drohen, verspotten, beschimpfen,...), physisch (schlagen, schubsen, treten, kneifen, festhalten,...) oder non-verbal (Grimassen schneiden, böse Gesten, Rücken zuwenden,...) vonstatten gehen. Olweus betrachtet auch einzelne schikanöse Vorfälle als Mobbing, wenn diese sehr schwerwiegend sind.[3] Mobbing bzw. Bullying erfordert, dass zwischen dem Opfer und dem Täter (oder der Gruppe von Tätern) ein Ungleichgewicht der Kräfte herrscht, das sich auf körperliche oder psychische Stärke beziehen kann. Es handelt sich Olweus zufolge nicht um Bullying, wenn zwei gleich starke Schüler miteinander streiten.[4]

Opfer

Laut dem Schulforscher Wolfgang Melzer kann man Mobbing nicht auf bestimmte Täter- und Opferpersönlichkeiten zurückführen, sondern auf das Schulklima[5]. Der Psychologe und Mobbingforscher Olweus unterscheidet zwischen zwei Idealtypen von Mobbingopfern an Schulen:

  • Passives Opfer
  • Provozierendes Opfer

Die passiven Opfer sind im Allgemeinen ängstlicher und unsicherer. Sie sind empfindlich, vorsichtig und schweigsam, und lehnen sehr oft Gewalttätigkeit ab. Nach Olweus signalisiert das Verhalten der Opfer ihrer Umgebung, dass sie Angst haben und es nicht wagen, sich gegen den Störenfried zu wehren, wenn sie angegriffen werden. Gespräche mit den Eltern von drangsalierten Kindern weisen darauf hin, dass diese bereits im früheren Alter vorsichtig und feinfühlig waren.[3]

Seltener ist das provozierende Mobbingopfer, das im Allgemeinen unkonzentriert und nervös ist. Sein Verhalten schafft Ärger und ein gespanntes Verhältnis. Dies kann in seinem Umfeld negative Reaktionen auslösen.[3]

Die Situation für das Opfer stellt sich in der Regel wie folgt dar:

  • Das Ansehen des Opfers wird gezielt beschädigt.
  • Die Kommunikation mit den anderen Kindern/Schülern wird be- und verhindert.
  • Die sozialen Beziehungen des Opfers werden zum Ziel des Angriffs.
  • Körperliche Übergriffe auf das Opfer.[6]

Gefährdet sind vor allem Kinder,

  • die kleiner oder schwächer sind als der Durchschnitt.
  • die ängstlich oder schüchtern sind.
  • die sozial nicht akzeptierte Merkmale haben (keine Markenkleidung, ärmlich aussehen usw.)
  • die selbst gerne „austeilen“.[6]

Eine britische Regierungsstudie ergab im Jahr 2008, dass die Möglichkeit, gemobbt zu werden, für Angehörige einer ethnischen Minderheit erhöht ist. Zudem seien Jungen und Mädchen gleich oft Opfer, während 80 % aller behinderten Kinder angaben, in den letzten drei Jahren schwer unter Gleichaltrigen in ihrer Schule gelitten zu haben.[7]

Täter

Mobber in der Schule haben eine positivere Einstellung gegenüber Gewalt als Durchschnittsschüler. Ihr Gewaltpotenzial richtet sich oft nicht nur gegen Schüler, sondern auch gegen Lehrer und Eltern. Die Mobber zeichnen sich oft durch Impulsivität und ein stark ausgeprägtes Bedürfnis, andere zu dominieren, aus. Sie haben ein durchschnittlich oder verhältnismäßig starkes Selbstvertrauen. Mehrere Analysen mit unterschiedlichen Methoden (u. a. Untersuchung von Stresshormonen und projektive Tests) haben widerlegt, dass es sich bei den Aggressionen und dem brutalem Verhalten um ein Zeichen der Angst und des mangelnden Vertrauens („harte Schale − weicher Kern“) handeln könnte. Die empirischen Ergebnisse von Olweus weisen eher auf das Gegenteil hin. Die Mobber wären demnach weniger furchtsam und unsicher. Unsicherere und ängstlichere Individuen ergreifen üblicherweise nicht die Initiative. Sie tendieren dazu, Mitläufer oder Zuschauer zu sein.[3] Karl Gebauer sieht eine tieferliegende Bindungsproblematik als Auslöser und in den Demütigungen und der Gewaltanwendung die Anzeichen einer emotionalen Unsicherheit.[8] Schäfer und Korn charakterisieren schikanierende Schüler als in gewissem Rahmen sozial kompetent. Sie üben großen Einfluss aus, sind aber unbeliebt und benutzen ihre sozialen Fähigkeiten zum Schaden ihrer Opfer.[9]

Folgen

Die Problematik des Opfers besteht sehr häufig darin, dass es, um dem Mobbing zu entgehen, die Schule verlässt bzw. wechselt. Faktisch wird damit das Opfer negativ sanktioniert, während der Mobber indirekt belohnt wird. Die Solidarität der Lehrer mit dem Opfer ist nach bisherigen Erfahrungen wenig ausgeprägt. Es gibt aber auch Schulen, die das Mobben nicht dulden.[10]

Opfer von Mobbing reagieren teils gewalttätig, unter Umständen erst Jahre später. Amokläufe wie der Amoklauf von Kauhajoki werden teils mit einem jahrelangen Mobbing des Amokläufers in Zusammenhang gestellt.[11] In Danzig wählte eine vierzehnjährige Schülerin den Freitod infolge Mobbings. Weitere Folgen können selbstverletzendes Verhalten oder eine psychische Traumatisierung sein.

Siehe auch

Literatur

  • Bödefeld, Axel: »... und du bist weg!«. Bullying in Schulklassen als Sündenbock-Mechanismus. Lit-Verlag, Wien 2006, ISBN 3-7000-0526-1.
  • Dan Olweus: Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten - und tun können. Huber, Bern, 4. durchgesehene Auflage 2006, ISBN 3-456-84390-9.
  • Peter Struck: Wie schütze ich mein Kind vor Gewalt in der Schule?, Eichborn, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-8218-1648-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter K. Smith, Helen Cowie, Ragnar F. Olafsson, Andy P. D. Liefooghe: Definitions of Bullying − A Comparison of Terms Used, and Age and Gender Differences, in a Fourteen-Country International Comparison. In: Child Development. Bd. 73, Nr. 4, 2002, ISSN 0009-3920, S. 1119-1133.
  2. Charlotte Rayner, Helge Hoel: A Summary Review of Literature Relating to Workplace Bullying. In: Journal of Community & Applied Social Psychology, Bd. 7, Nr. 3, 1997, ISSN 1052-9284, S. 181-191.
  3. a b c d Dan Olweus: Mobbning – Vad vi vet och vad vi kan göra. Liber, Stockholm 1986, ISBN 91-4071638-4.
  4. Britta Bannenberg, Dieter Rössner: Erfolgreich gegen Gewalt in Kindergärten und Schulen – Ein Ratgeber. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54140-2.
  5. Ulrich Winterfeld: Gewalt in der Gesellschaft – ein Thema für Psychologen. In: report psychologie. 2007/11-12, 32, ISSN 0344-9602, S. 481.
  6. a b Norbert Kühne: Pöbeln, demütigen und schikanieren − Mobbing im Kindergarten. In: klein&groß - Zeitschrift für Frühpädagogik, Bd. 2007, Nr. 12, 2007, ISSN 0863-4386, S. 45-46.
  7. http://www.timesonline.co.uk/tol/news/uk/education/article4220467.ece
  8. Mobbing in der Schule, S. 122. Beltz, 2007 - Lizenz des Patmos-Verl., Düsseldorf. ISBN 9783407229021.
  9. Elke Wild, Manfred Hofer, Reinhard Pekrun: Psychologie des Lerners. In: Andreas Krapp, Bernd Weidenmann (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. Beltz, Weinheim 2006, ISBN 978-3-621-27564-4, S. 203-268.
  10. ZDF: „Psychokrieg im Klassenzimmer“, 12. Juni 2007; recherchierte Fälle von Mobbing in der Schule.
  11. Amoklauf in Finnland - „Wir haben einen Nährboden für Mobbing“. Spiegel online, 25. September 2008. Abgerufen am 27. September 2008.

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