Seeheimer Kreis

Seeheimer Kreis
Seeheimer Kreis
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Gründung: 1974
Sprecher: Petra Ernstberger
Garrelt Duin
Johannes Kahrs
Website: seeheimer-kreis.de

Die Seeheimer in der SPD (Seeheimer Kreis) sind ein Zusammenschluss von Bundestagsabgeordneten der SPD. Sie sind neben der Parlamentarischen Linken und dem Netzwerk Berlin eine der drei politischen Strömungen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Die Seeheimer selbst nennen sich undogmatisch und pragmatisch, in der politischen Berichterstattung werden sie zumeist als rechter oder konservativer Flügel der SPD-Fraktion bezeichnet.

Der Kreis hat sich nach seinem langjährigen Tagungsort Seeheim an der Bergstraße (Südhessen) benannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Schon in den 1950er Jahren gab es innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion eine informelle Gruppierung unter dem Namen „Kanalarbeiter“, die konservativ-traditionell eingestellt war und dem damaligen rechten Flügel der SPD zugeordnet wurde. Sie war eine der mächtigsten Gruppen innerhalb der Gesamtpartei.

Prominenteste Köpfe waren Egon Franke und Annemarie Renger. Über Annemarie Renger stehen die Seeheimer in der Traditionslinie eines nationalen Flügels der SPD, der von ihrem Chef Kurt Schumacher über dessen Doktorvater Johann Plenge bis hin zur Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe während des Ersten Weltkrieges reichte.

Parallel zu den Kanalarbeiter-Strukturen gab es ab 1969 in der Bundestagsfraktion einen nach dem Initiator Günther Metzger benannten Metzger-Kreis, an dessen Stelle ab 1972 der Arbeitskreis Linke Mitte trat, der als organisierter Vorläufer des heutigen Seeheimer Kreises gelten kann.

Im Zuge der „Linkswende“ der Jusos Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre erstarkte die Linke innerhalb der SPD sowohl inhaltlich als auch personell. Es hatte sich ein reformsozialistischer Flügel gebildet, für den Johano Strasser, Karsten Voigt und Norbert Gansel standen, ein „antirevisionistischer“ Flügel, und der Stamokap-Flügel, der die sozialdemokratische Regierung als Agentin des Monopolkapitals sah. Gerhard Schröder war eine Zeitlang der Wortführer des antirevisionistischen Flügels. Dem wollten Abgeordnete wie Heinz Ruhnau und Hans-Jochen Vogel etwas entgegenstellen, das über den Ansatz der Kanalarbeiter hinausging. Zusammen mit prominenten Sozialdemokraten wie Helmut Schmidt und Georg Leber verstanden sie sich als „Godesberger Flügel“ der SPD.

Ein Treffen im Dorint-Hotel in Lahnstein im Dezember 1974 gilt als das Gründungsdatum der Seeheimer. Schon im Vorjahr hatte sich dort auf Einladung von Hans-Jochen Vogel das erste Mal ein Kreis von etwa 40 Sozialdemokraten getroffen, um gegenüber der Linken aus der „theoretischen und ideologischen Defensive“ herauszukommen. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Richard Löwenthal und Gesine Schwan. Der selbstgestellte Anspruch der Seeheimer, in der Grundwertediskussion der SPD eine intellektuell hervorragende Position zu besetzen, wurde allerdings nicht eingelöst; stattdessen erzielten sie ihre Erfolge über die Personalpolitik der SPD und die Durchsetzung von Fraktionsbeschlüssen. Sie traten erfolgreich in die Fußstapfen der Kanalarbeiter, deren Motto „ohne uns läuft nichts“ gelautet hatte.

Von 1978 bis 1984 traf sich die zunächst als Lahnsteiner Kreis bekannt gewordene Gruppierung im Lufthansa-Schulungszentrum in Seeheim an der Bergstraße. Hieraus entstand die noch heute gültige Bezeichnung „Seeheimer“.

Zwischen 1974 und 1982 hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt einige Seeheimer in sein Kabinett aufgenommen. Sie waren ihm Rückhalt in der innerparteilichen Auseinandersetzung um den NATO-Doppelbeschluss und die industrielle Nutzung der Kernenergie.

Nach dem Ende der Helmut-Schmidt-Ära 1982/1983 gingen die Kanalarbeiter, die eher die traditionellen nicht-akademischen Gewerkschafter repräsentierten, endgültig im Seeheimer Kreis auf, der als vergleichsweise „intellektuell“ galt.

Die Seeheimer waren im Richtungsstreit der SPD in ihrer Oppositionszeit in den 1980er Jahren Gegner des Bündnisses zwischen SPD und Grünen. In der Regierungszeit von Gerhard Schröder unterstützten sie dessen Kurs in den Sozialreformen, die zu Einschnitten bei den Sozialleistungen führten.

Personelles

Geleitet wird der Kreis von Petra Ernstberger, dem ostfriesischen Bundestagsabgeordneten Garrelt Duin und Johannes Kahrs. Außerdem gehören Doris Barnett, die Verteidigungsausschussvorsitzende Susanne Kastner und Johannes Pflug dem Sprecherkreis an. Prominente Mitglieder des erweiterten Leitungskreises der Seeheimer sind der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, Ulla Schmidt, Wolfgang Tiefensee, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann, und die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag.

Politische Inhalte

Der Seeheimer Kreis setzt seine Themenschwerpunkte im Bereich der Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Er bemüht sich insbesondere um eine Ausrichtung des Sozialstaates an den finanziellen Möglichkeiten, ein Bekenntnis zum Prinzip des Förderns und Forderns in der Sozialpolitik sowie zum Leistungsgedanken, eine deutliche Thematisierung der Staatsverschuldung, eine Betonung pragmatischen Handelns und der Notwendigkeiten von Reformen sowie ein aufgeschlossenes Verhältnis zur Globalisierung. Überdies betrachtet dieser Kreis den demografischen Wandel als zentrales Aufgabenfeld und ist bereit, in der Sozialpolitik Wege zu gehen, die abseits sozialdemokratischer Traditionen liegen können. Diese Ausrichtung steht nicht im Widerspruch zum Parteiprogramm der SPD, stellt jedoch eigene inhaltliche Hervorhebungen dar.

Literatur

  • Annekatrin Gebauer: Der Richtungsstreit in der SPD. Seeheimer Kreis und Neue Linke im innerparteilichen Machtkampf. Mit einem Geleitwort von Helmut Schmidt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, ISBN 3-531-14764-1.
  • Kahrs, Viehbeck: In der Mitte der Partei. Gründung, Geschichte und Wirken des Seeheimer Kreises. Berlin 2005.

Weblinks



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