Sexualmagie

Sexualmagie

Der Begriff Sexualmagie bezeichnet sexuelle Praktiken, die zum Zweck der Magie ausgeführt werden. Größtenteils wird hier die Sexualität nicht als spirituelle Erfahrung verstanden, sondern wird nach Ansicht von sexualmagisch praktizierenden Personen als Quelle „magischer Energien“ oder einer Kraft beschrieben, welche geistig manipuliert und benutzt werden kann, z. B. durch Imagination und Affirmation. Die Sexualmagie soll Auswirkungen auf das spirituelle, soziale, berufliche oder materielle Leben des Ritualteilnehmers haben. Auch kann das „Aufladen“ eines kultischen Gegenstandes (z. B. eines Talismans oder einer Sigill) ihr Ziel sein.

Sexualmagie als Begriff wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert in der Literatur des westlichen Okkultismus zunehmend verwendet. Autoren wie Paschal Beverly Randolph und Aleister Crowley verwendeten ihn, und später fand er auch in teils veränderten Auslegungen Aufnahme in das sogenannten Neotantra.

Geschichte

Sexualmagie ist verwandt mit dem Begriff der sexuellen Riten, unter dem in Religionswissenschaft, Ethnologie und verwandten Wissenschaften kultische Handlungen verstanden werden, die mit Sexualität in Verbindung stehen, wie z. B. phallische Kulte (siehe: Lingam, Yoni), Hierogamie oder Tempelprostitution.

In den westlichen esoterischen Traditionen hat die Verbindung von magischen Kräften mit Sexualität eine lange Tradition, so gab es während der Renaissance mehrere Autoren wie Marsilio Ficino und Giordano Bruno, die die Verbindung von Eros und Magie als die grundlegenden Prinzipien der Natur ansahen. Paracelsus sah im Samen eine Kraft der Magie und verglich diesen mit den Kräften der Imagination und unter mittelalterlichen jüdischen Kabbalisten wurde die eheliche Sexualität häufig als eine Form der Theurgie, die die männlichen und weiblichen Aspekte Gottes verband, angesehen. Zudem wurden in der europäischen Kultur Häretiker wie die Barbelo-Gnostiker der sexualmagischen Kulte verdächtigt und Hexen sagte man den Verkehr mit Dämonen oder dem Satan nach.

Auch andere spirituelle Gemeinschaften verbinden Sexualität mit kosmologischen und spirituellen Ideen. Sexualmagie bzw. Sexualmystik und ihre rituelle Ausformung traten in unterschiedlichen Kulturen auf, so in Sumer im Hieros gamos und in China bei den Fangshi, wo sie seit der vorchristlichen Zeit nachzuweisen sind und wahrscheinlich bis auf die schamanistischen Praktiken der Shang-Zeit zurückgehen. Die chinesische Form der ‚Kunst des Schlafgemaches‘ ist stark daoistisch geprägt und zielt häufig darauf ab, das Leben zu verlängern und die Gesundheit zu erhalten. In Indien entwickelte sich das Tantrayana, eine Form der Sexualmystik, die teilweise sexualmagische Techniken aufweist.

Das erste ausgearbeitete System der Sexualmagie wurde jedoch von dem Spiritualisten und Rosenkreuzer P. B. Randolph entwickelt und die moderne Form der westlichen Sexualmagie wurde erst historisch fassbar mit der Gründung des Ordo Templi Orientis (OTO) durch Theodor Reuss im Jahre 1906. In der westlichen Kultur wurde die Sexualmagie dann hauptsächlich von Aleister Crowley, einem britischen Magier und Mitglied des OTO, Anfang des 20. Jahrhunderts erforscht, systematisiert, popularisiert und wiederbelebt.

Während Randolph seine Theorien ausschließlich mit ehelicher Liebe und Sexualität verband, wurden vom OTO und Aleister Crowley Formen der Sexualmagie entwickelt, bei der auch Homosexualität, Autoerotik und Sado-Masochismus eine Rolle spielen konnten. In der Praxis der modernen Form der Sexualmagie wird während des Sexualaktes und des Orgasmus der gesamte Wille auf das gewünschte Ziel oder Objekt gerichtet. Von den Mitgliedern des OTO und Aleister Crowley wurde in bezug auf die vermeintlichen magischen Kräfte der Sexualität angenommen, diese sei die stärkste Kraft des Lebens, der Psyche und der Natur überhaupt und eigne sich deshalb besonders gut für magische Operationen.

Die Abgrenzung der westlichen Sexualmagie zum indischen Tantra besteht darin, dass sich die westliche Sexualmagie als magische Technik versteht und nicht zwangsläufig in einen religiösen oder spirituellen Zusammenhang eingebettet ist. Das heißt, sie ist primär ein Mittel, um Veränderungen in Übereinstimmung mit dem Willen herbeizuführen, diese Veränderungen können sich aber natürlich auch auf die Spiritualität beziehen. Der Unterschied zu den westlichen Vorstellungen vom Tantra – welches eher als therapeutisches Neotantra zu bezeichnen wäre – ist, dass Sexualmagie nicht das Ziel hat, die Qualität des sexuellen Erlebens zu verbessern, sondern Sexualität als magische Quelle zu nutzen sucht, um spezifische Ziele zu verwirklichen.

Sexualmagie tritt z. B. in der Wicca-Bewegung auf, unter Thelema-Anhängern oder unter Anhängern des Tantra und Neotantra.

Literatur

  • Julius Evola: Metaphysik des Sexus. Stuttgart, 1962 [Neuauflage unter dem Titel „Die grosse Lust.“ Bern, 1998]
  • Bernd Hansen (Hrsg.): Destruktive Kulte, schwarze Magie, Sexualmagie, (Flensburger Hefte; Bd. 33), Flensburger-Hefte-Verlag, Flensburg 1991, ISBN 3-926841-40-0
  • Francis King: Sexuality, magic and perversion, Spearman, London 1971, ISBN 0-85435-161-2
  • Michael A. Köszegi: Sexuality, religion and magic. A comprehensive guide to sources, Garland, New York 1994, ISBN 0-8153-0921-X
  • Jonn Mumford: Tantrische Sexualmagie. Theorie und Praxis der okkulten Liebe, Edition Sphinx, Basel 1991, ISBN 3-85914-329-8
  • Hugh B. Urban: Magia Sexualis: Sex, Secrecy, and Liberation in Modern Western Esotericism , Journal of the American Academy of Religion, September 2004, Vol. 72, No. 3, pp. 695–731
  • Benjamin Walker: Sex and the supernatural. Sexuality in religion and magic, Harrow Booka, New York 1973, ISBN 0-356-03464-X

Weblinks


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