Shakespeares Folio

Shakespeares Folio
Titelseite der ersten Shakespeare-Folio-Ausgabe von 1623

Die erste Gesamtausgabe von William Shakespeares Dramen erschien 1623, sieben Jahre nach seinem Tod, im Folio-Buchformat (Buchrückenhöhe von ca. 40 cm). Sie wurde herausgegeben von seinen Kollegen John Heminges und Henry Condell (die Schreibung der Namen ist unsicher und variierte schon damals, z. B. Iohn Heminge, Henrie Condell), denen Shakespeare besonders verbunden gewesen sein musste, denn er hatte ihnen in seinem Testament Geld zum Kauf von Trauerringen hinterlassen (Mourning rings waren bis ins 18. Jahrhundert hinein beliebte Schmuckstücke, die an Verstorbene erinnern sollten).

Inhaltsverzeichnis

Der Druck

Die erste Folio-Ausgabe von Stücken Shakespeares hatte den Preis von 1 Pfund für eine in Kalbsleder gebundene Ausgabe.[1] Im Vergleich dazu kostete ein Exemplar der Sonette bei Erscheinen nur einen Bruchteil davon, nämlich fünf Pence.[1] Offiziell trug die Folio-Ausgabe den Titel Mr. William Shakespeare’s Comedies, Histories and Tragedies und wurde in etwa 1000 Exemplaren von William und Isaac Jaggard gedruckt. Von diesen existieren heute noch etwa 230.

Dabei gibt es nicht weniger als 40 verschiedene Varianten dieser ersten Folio-Ausgabe. Das ist eine Folge der damaligen Vorgehensweise bei der Herstellung. Während der Druck bereits lief, wurden die einzelnen Seiten Korrektur gelesen. Wurden Fehler erkannt, korrigierte man sie, verwendete aber die bereits fertigen, fehlerhaften Seiten mit. So sind die entstandenen Bände jeweils eine Mischung verschiedener korrigierter und unkorrigierter Seiten.

Heute gedruckte Faksimileausgaben werden im Idealfall aus den jeweils besten Seiten der noch vorhandenen Folio-Bände zusammengesetzt. Die wichtigste solche Ausgabe ist das Norton Facsimile von Charlton Hinman aus dem Jahr 1968.

Eine Reihe Shakespeare-Stücke waren zwar schon vorher als Quarto-Ausgabe erschienen, aber mit diesem Buch wurde erstmals der Versuch unternommen, alle Dramen zusammen in einer autorisierten Fassung herauszubringen. Insofern ist die Folio heute der literaturwissenschaftlich verlässlichste Text und dient als Grundlage moderner Ausgaben, selbst wenn einige mehr oder weniger sorgfältig gedruckte Kopien schon vorher, zu Shakespeares Lebzeiten, erschienen waren.

Ben Jonsons Vorbild

Schauspieltexte wurden im 16. und frühen 17. Jahrhundert weniger als Literatur angesehen, denn als Rohmaterial für Theateraufführungen, vergleichbar einem Filmdrehbuch, denn auch hier interessiert den Konsumenten im Normalfall nur der Film, nicht der Text auf dem Papier.

Es war Ben Jonson, der 1616 erstmals seine eigenen Theaterstücke in einer über tausendseitigen Anthologie veröffentlichte und sie zudem nicht nur Stücke nannte, sondern Werke (works). Das war eine kühne Neuerung, entsprechend Jonsons Einschätzung seiner eigenen Bedeutung für das kulturelle Leben.

Shakespeares Folio war dann das zweite derartige Unternehmen, und seine Kollegen versicherten sich dafür auch Ben Jonsons Unterstützung. Ein literarisches Werk zeichnete sich damals dadurch aus, dass es ein oder mehrere Vorworte und eine Widmung hatte. Und so konnte auch die First Folio diese Attribute vorweisen. Ben Jonson schrieb das Vorwort An den Leser, zudem wird die Sammlung der Dramen durch einige Lobgedichte eingeleitet, darunter die berühmten Zeilen von Ben Jonson, in denen er Shakespeare als zeitlosen Dichter bezeichnet (He was not of an age but for all time). Gewidmet ist es dem Earl of Pembroke und dem Earl of Montgomery, sowie der großen und vielseitigen Leserschaft.

Heminge und Condell berichten in einem weiteren Vorwort von ihren eigenen Erfahrungen mit William Shakespeare und erzählen, wie bei ihm Geist und Hand zusammenwirkten, und wie er seine Gedanken mit so leichter Hand zu Papier brachte, dass er niemals etwas korrigieren musste.

Zudem ist das Buch von einem Porträt Shakespeares auf der Titelseite geschmückt (nicht außen, der Ledereinband konnte nicht bedruckt werden), einem Stich von Martin Droeshout (gesprochen [ˈdruːʃaʊt]). Dies ist neben dem vermutlich ebenfalls authentischen Chandos-Porträt das einzige zeitgenössische Bild Shakespeares, das wir kennen. Andere Bilder sind entweder der Fantasie entsprungen, oder es sind inspirierte Kopien des Droeshout-Porträts.

Herausgeberische Überlegungen

Das Buch der First Folio, (in der Literaturwissenschaft als F1 bekannt), enthält 36 Dramen Shakespeares, die nach dem Vorwort der Schauspielerkollegen Heminges und Condell zusammengestellt (collected) wurden und von mindestens fünf Mitgliedern der Druckergilde (stationers) William Jaggard, seinem Sohn Isaac Jaggard , Edward Blount, William Aspley und John Smethwick gedruckt worden sein müssen. William Jaggards Beteiligung erschien manchen Fachleuten ungewöhnlich, da nicht nur seine eher problematische Beziehung zum Werke-Kanon Shakespeares bekannt ist, sondern auch seine suspekte Zusammenstellung in „The Passionate Pilgrim“ 1599, 1612 und 1619, von zehn falschen Shakespeare-Stücken (manche mit falschen Daten und Titelseiten). Man geht davon aus, dass die Drucklegung der First Folio auch für damalige Verhältnisse solch eine gewaltige Aufgabe war, dass sie ohne die Erfahrung des Jaggardschen Druckhauses nicht zu bewältigen war. (William Jaggard war 1623 bereits alt, schwach und blind und starb einen Monat vor Fertigstellung der First Folio). Die First Folio kann nicht als ein grundsätzlich besserer bzw. maßgeblicherer Text angesehen werden als die vorausgehenden Quartos. In vielen der Stücke der First Folio können ausgelassene Zeilen, Fehldrucke und Textverfälschungen ebenso wie in den Quartos festgestellt werden.

Es ist nicht bekannt, auf welche Weise Heminges und Condell an die Hälfte der bis dato nie veröffentlichten Werke Shakespeares gelangt sind. Die Liste der Werke ist nach heutigem Kenntnisstand nicht vollständig, es fehlen Dramen wie Pericles und Die beiden edlen Vettern. Auch wissen wir nicht, wie viele weitere Stücke Shakespeare geschrieben hat, die nicht veröffentlicht wurden und verloren sind. Doch müssen wir davon ausgehen, dass die Herausgeber bei dieser Gedenkausgabe für ihren berühmten Kollegen größtmögliche Sorgfalt walten ließen.

Die Folio stellt eines der bedeutendsten Bücher der englischen, vielleicht sogar der gesamten Literatur, dar. Ohne sie besäßen wir heute nicht einmal von der Hälfte der Stücke Shakespeares’ Kenntnis. Eine zweite Ausgabe der Folio erschien im Jahre 1632 (Second Folio, in der Literaturwissenschaft als F2 bekannt), die dritte (Third Folio F3, die erstmals das Drama Pericles enthält) 1663, und die vierte (F4) 1685.

Das Verzeichnis der Stücke

Inhaltsverzeichnis mit Gliederung der Stücke, Seite [xvii]

(in originaler Orthografie)

COMEDIES.
The Tempest
The Two Gentlemen of Verona
The Merry Wiues of Windsor
Measvre, For Measure
The Comedie of Errors
Much adoe about Nothing
Loues Labour’s lost
A Midsommer Nights Dreame
The Merchant of Venice
As you Like it
The Taming of the Shrew
All’s Well, that Ends Well
Twelfe Night
The Winters Tale
HISTORIES.
The life and death of King John
The life and death of King Richard the Second
The First Part of Henry the Fourth
The Second Part of Henry the Fourth
The Life of Henry the Fift
The first Part of Henry the Sixt
The second Part of Henry the Sixt
The third Part of Henry the Sixt
The Tragedie of Richard the Third
The Famous History of the Life of King Henry the Eight
TRAGEDIES.
The Tragedy of Coriolanus
The Tragedy of Titus Andronicus
The Tragedy of Romeo and Juliet
The Life of Timon of Athens
The Tragedy of Julius Caesar
The Tragedy of Macbeth
The Tragedy of Hamlet
The Tragedy of King Lear
The Tragedy of Othello
The Tragedy of Anthonie and Cleopatra
The Tragedy of Cymbeline


Die Namen der Haupt-Darsteller in all diesen Stücken
(The Names of the Principall Actors in all these Playes.)
William Shakespeare.
Richard Burbadge.
Iohn Hemmings.
Augustine Phillips.
William Kempe.
Thomas Poope.
George Bryan.
Henry Condell.
William Slye.
Richard Cowly.
Iohn Lowine.
Samuell Crosse.
Alexander Cooke.
Samuel Gilburne.
Robert Armin.

The Tragedie of Troylus and Cressida ist im Inhaltsverzeichnis nicht genannt, steht aber in der Ausgabe zwischen den Historien und den Tragödien. Wahrscheinlich ist das Stück dort erst nachträglich eingefügt worden, nachdem der Rest des Buches bereits gesetzt war.[2]

Einzelnachweise

  1. a b Bill Bryson: Shakespeare wie ich ihn sehe, Wilhelm Goldmann Verlag, München 2008, S. 161.
  2. W.W. Greg: The Printing of Shakespeare's "Troilus and Cressida" in the First Folio. In: Papers of the Bibliographical Society of America 45 (1951), S. 273-282.

Weblinks


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