Sieben Gemeinden (Kleinasien)

Sieben Gemeinden (Kleinasien)

An Sieben Gemeinden in der römischen Provinz Kleinasien, auf dem Gebiet der heutigen Türkei, werden sieben Briefe bzw. Sendschreiben gerichtet, die, wie die Offenbarung berichtet, Johannes vom erhöhten Christus diktiert wurden, um verschiedene Gemeinden zu ermutigen und zu ermahnen. Inklusive der vorhergehenden Einleitung füllen die sieben Sendschreiben die ersten drei Kapitel der Offenbarung des Johannes aus.

Innerhalb der Johannesapokalypse nehmen die Sendschreiben (Offenbarung 1,9 - 3,22) literarisch wie sprachlich eine Sonderstellung ein. Die Briefe sind an historisch konkrete Gemeinden gerichtet, welche gelobt und getadelt werden. Ihre Siebenzahl verweist darauf, dass die konkreten Gemeinden auch repräsentativ für alle christlichen Gemeinden stehen.

Liste der sieben Gemeinden:

  1. Ephesos
  2. Smyrna
  3. Pergamon
  4. Thyatira
  5. Sardes
  6. Philadelphia
  7. Laodikeia

Inhaltsverzeichnis

Auslegungen

Epochen der Kirchengeschichte

Seit dem Hochmittelalter werden die Sendschreiben vor allem von kirchenkritischen Theologen auf sieben Zeitalter der Welt- und Kirchengeschichte gedeutet. Vorher waren die Drei- und die Vierteilung der Weltgeschichte verbreitet. Allen diesen Auslegungen gemeinsam ist eine starke Naherwartung des Gerichtes und des Neuen Jerusalems. Daher entspricht die Gegenwart der meisten Ausleger in der Regel der sechsten oder siebenten Gemeinde der Sendschreiben.
In der Wirkungsgeschichte Joachim von Fiores (um 1130/1135-1202) benutzt Fra Dolcino († 1307), der Anführer der radikalen und aus römischer Sicht häretischen Apostelbrüder, die sieben Sendschreiben bzw. die sieben Engel der Gemeinden um eine Gliederung für seine Geschichtstheologie zu erhalten. Die Engel stellen jeweils einen Initiator einer Heilszeit dar. Sich selber sah Dolcino als Engel von Thyatira; der siebente Engel (Philadelphia) wird nach Dolcino der zu erwartende Engelspapst der Zukunft sein.[1]
Bei reformierten Theologen des 16. Jahrhunderts etabliert sich die Einteilung der Kirchengeschichte in sieben Zeitalter. Der u.a. in Bremen und Leiden tätige Theologe Johannes Coccejus (1603-1659) gliedert nach den Sendschreiben die Kirchengeschichte in sieben Perioden (aetates ecclesiae). Beginnend bei der Kirche der ersten Apostel, gefolgt von der Kirche der Märtyrer sind die nächsten vier Perioden stark vom Gegenüber zum Papsttum und zur römischen Kirche geprägt. Das letzte, für Coccejus gegenwärtig anbrechende Zeitalter, stellt sich als Blütezeit der Kirche einschließlich der Zuwendung von Juden und Moslems zum Christentum dar. Nach diesem Zeitalter, so Coccejus, wird Christus zum Gericht wiederkommen.[2] Im 17. Jahrhundert deutet der Calvinist Thomas Brightman und am Anfang des 20. Jahrhunderts der Dispensationalist Cyrus I. Scofield die Sendschreiben auf Epochen der Kirchengeschichte.

Gemeinde Dolcino (um 1300) Coccejus (um 1665) Scofield (20. Jh.) Brightman (17. Jh.)
Ephesus Benedikt apostolische Zeit (bis 70) apostolische Zeit vorkonstatinische Zeit
Smyrna Dominikus Christenverfolgung Christenverfolgung 313-81 Konstantin bis Gratian, Kampf mit Arianismus
Pergamon Segarelli Konstantin bis Ludwig IV, 14. Jh. Konstantinische Staatskirche 382-1300 Aufsteigendes Papsttum
Thyatira Dolcino selbst Antichristliches Papsttum Zeit des Papsttums 1300–1520 Kampf mit dem Katholizismus
Sardes Reformation Spätmittelalter Reformation Luthers
Philadelphia Engelspapst 30-jähriger Krieg Reformation Genfer Reformation
Laodizea Blütezeit der Kirche Endzeit Church of England des 17. Jh.

Historisch-kritische Auslegungen

In seiner wirkungsreichen Schrift von 1904 über die Sendschreiben zeigt William M. Ramsay viele historische Bezüge der Sendschreiben zu den lokalen Begebenheiten der Adressatengemeinden auf. Dieser Zugang prägte die Forschung zur Johannesoffenbarung und wurde positiv weitergeführt. Ramsay vernachlässigte nach Ansicht heutiger Forscher offensichtliche alttestamentlichen Bezüge (z.B. in den Christusattributen zu Beginn der jeweiligen Sendschreiben).

Anmerkungen

  1. Maier, Die Johannesoffenbarung und die Kirche 184f.
  2. Maier, Die Johannesoffenbarung und die Kirche 327.

Literatur

  • Francis Vyvyan Jago Arundell: A visit to the seven churches of Asia : with an excursion into Pisidia; containing remarks on the geography and antiquities of those countries. London 1828.
  • William Mitchell Ramsay: The letters of the seven churches of Asia and their place in the plan of the Apocalypse. London 1904. [1]
  • Georgios Lampakes: Hoi hepta asteres tes Apokalypseos etoi historia, ereipia, mnemeia kai nun katastasis ton hepta ekklesion tes Asias. Athen 1909.
  • Otto F. A. Meinardus: St. John of Patmos and the seven churches of the Apocalypse. Athen 1974 = ders., Johannes von Patmos und die sieben Gemeinden der Offenbarung. Würzburg 1994. ISBN 3-927894-17-6
  • Colin J. Hemer: The letters to the seven churches of Asia in their local setting. Sheffield 1986. ISBN 0-905774-95-7
  • Charles H.H. Scobie: Local References in the Letters to the Seven Churches, New Testament Studies 39. Jg., 1993, S. 606-624
  • Gerhard Maier: Die Johannesoffenbarung und die Kirche (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 25), Tübingen 1981.
  • William Branham: An Exposition of the seven church ages, ins deutsche übersetzt mit dem Titel „Darlegung der sieben Gemeinde-Zeitalter“ (keine historische oder wissenschaftliche Auslegung der Sendschreiben).

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