Sitzmeditation

Sitzmeditation
Zenmeister Hozumi Gensho Roshi im Zazen

Zazen ist das japanische Wort für Sitzmeditation (座禅).

Zazen ist das wichtigste und allein unverzichtbare Element im Zen-Buddhismus. Die Meditationstechnik soll Körper und Geist zur Ruhe bringen und den Boden für mystische Erfahrungen (Kensho, Satori) bereiten.

Inhaltsverzeichnis

Körperhaltung

Zazen kann im Lotus-Sitz (Kekka-Fuza), im halben Lotus-Sitz (Hanka-Fuza), im sogenannten Burmesischen Sitz oder im Fersensitz (Seiza) durchgeführt werden. Hilfsmittel sind im Zen das Sitzkissen (Zafu) mit der darunter liegenden Matte (Zabuton). Sitzschemel oder Meditationsbank werden ebenfalls genutzt, gelten jedoch als weniger effektiv, da durch die traditionelle Sitzweise die Extremitäten in der Nähe des Körperzentrums positioniert werden und somit eine stärker zentrierte Haltung erlauben. Welcher Sitz auch immer gewählt wird, die Knie sollen Bodenkontakt haben.

Zazen wird in betont aufrechter, stabil in sich selbst ruhender Körperhaltung geübt, die ein harmonisches Verhältnis von Spannung und Entspannung wahrt. Die Hände werden häufig im sogenannten Meditations-Mudra knapp unterhalb des Nabels gehalten, wobei eine Hand mit dem Rücken in der Fläche der anderen liegt und die Spitzen der Daumen sich darüber berühren. Zazen kann auch auf einem Stuhl praktiziert werden, wenn körperliche Bedingungen ein Sitzen auf dem Boden nicht gestatten. Auch in diesem Fall ist die Körperhaltung aufrecht und der Rücken frei von jeder Anlehnung. Während des Zazen wird der Körper nicht bewegt, da die äußere, körperliche Disziplin der inneren, geistigen Beobachtung und Konzentration eine Stütze bietet.

Während es im Sōtō-Zen üblich ist, mit dem Gesicht zur Wand zu sitzen, wie einst Bodhidharma, so sitzen die Meditierenden im Rinzai-Zen mit dem Rücken zur Wand. Auch wenn die Augen im Zazen meist offen oder halboffen sind, wird von jeglichem aktiven Schauen Abstand genommen. Lange Zazen-Phasen werden in der klösterlichen Praxis von einer Gehmeditation (Kinhin) unterbrochen. Empfehlenswert ist es, die Haltung ca. 20 Minuten aufrecht zu erhalten; durch langjährige Übung sind auch wesentlich längere Sitz-Phasen möglich.

Geisteshaltung

Die Meditationsübung kennt verschiedene Varianten, doch stets wird sie in vollkommener Achtsamkeit durchgeführt. Es stellt, zumindest am Beginn, eine physische und psychische Belastung für die Schüler dar. Durch Selbstbeobachtung des Körpers, seiner Haltung und Atmung (z.B. Betrachtung des Atemflusses und der Empfindungen, Denkvorgänge und des Bewusstseins) verbindet sich der Übende mit dem gegenwärtigen Ort und Moment. Da Körper und Geist nicht getrennt sind, hat die Körperhaltung direkten Einfluss auf das Empfinden, Denken und die physisch-psychische Verfassung. Durch die Haltung, Beobachtung und Konzentration kommt der Strom der Gedanken zu einer gewissen Ruhe oder wird zeitweise komplett unterbrochen. Die auch im Körper manifestierten Lebenserfahrungen und Unterbewusstes erscheinen in dieser Geisteshaltung und können sich lösen.

Zazen hat aber kein definiertes Ziel und keine Bedeutung, die über das Sitzen selbst hinausgeht. Deshalb gibt es außer dem Hinweis auf Achtsamkeit traditionell kaum allgemeine Anweisungen. Zazen wird häufig kurz „Praxis“ genannt, um die Abkehr von der theoretischen Beschäftigung zu betonen. Nur in der konkreten Übung, zum Beispiel während eines Sesshins, geht der Zenlehrer in Einzelgesprächen (Dokusan) und Vorträgen (Teishō) auf die aktuellen Erfahrungen und Schwierigkeiten der Übenden ein.

Auftretende körperliche Schmerzen durch die – für Anfänger ungewohnte – Haltung werden beim Zazen nicht verdrängt, aber auch nicht weiter beachtet. Ähnliches gilt für ungewöhnliche Wahrnehmungs- und Empfindungserlebnisse, die als Makyos bezeichnet werden. Mit dieser Zen-Praxis wird das Erleben von Stille und Leere möglich. Aus diesem gesammelten Zustand kann plötzlich eine Mystische Erfahrung eintreten, die im Zen Kenshō oder Satori genannt wird. Insbesondere Satori kann auch als das Erleben der ursprünglichen universeller Einheit oder die Aufhebung aller Gegensätze - insbesondere der Trennung von Subjekt und Objekt verstanden werden.

Zazen und Wissenschaft

Aus wissenschaftlicher Sicht ist Zazen ein schwierig zu erforschendes Thema. Wie bereits oben erwähnt geht es um eine subjektive Erfahrung, die Wissenschaft jedoch versucht, intersubjektiv nachvollziehbare Standpunkte zu erlangen, um so ein möglichst objektives Urteil zu erlangen. Jegliche wissenschaftlichen Schlüsse spiegeln also niemals unbedingt die Erfahrung eines Zazen Praktizierenden wieder, die Wissenschaft versucht lediglich die Ursachen jener subjektiven Erfahrung sichtbar zu machen. So wurden Meditierende mit einem EEG-Gerät untersucht und die Erkenntnis dokumentiert.[1]

Interessant erschien den Forschern offenbar der Zusammenhang zwischen Habituation und Zazen-Praxis. Mit Hilfe des EEG werden Gehirnwellen sichtbar, maschinell zu einem Graph verarbeitet und verwertbar. Die verschiedenen Erscheinungsformen dieser Wellen werden unterteilt. Interessant für das Experiment sind die sogenannten „Alpha-Wellen“. Wann immer ein Mensch geistig tätig ist, also auch dann, wenn er einem Reiz ausgesetzt wird, werden diese Alpha-Wellen unterbrochen. Bei Wiederholung desselben Reizes verflacht diese Blockierung. In der Dokumentation des Experiments wird exemplarisch das Ticken einer Uhr genannt: beim ersten Ticken werden die Alpha-Wellen blockiert, solange man auf das Ticken achtet auch, doch sobald man sich auf etwas anderes konzentriert, hört man das Ticken nicht mehr bewusst, die Alpha-Wellen-Blockierung verflacht: Habituation. Während das Phänomen der Habituation bei Versuchspersonen, die kein Zazen praktizieren, eintrat, so entfiel es beim Versuch mit einem Zen-Meister. Bei diesem trat eine Blockierung der Alpha-Wellen bei jedem Ticken auf.

Zazen verhilft offenbar dem Meditierenden, seine Habituation besser zu kontrollieren.

Quellen

  1. Folia Psychiatrica et Neurologica Japonica, Vol. 20, No. 4. "An Electroencephalographic Study of the Zen Meditation (Zazen)", von Akira Kasamatsu und Tomio Hirai. December, 1966,S. 315-36ff

Siehe auch

Shikantaza, Sesshin, Retreat, Samu, Bodhidharma, Meditation, Kontemplation, Entspannung, Geduld, Habituation, Sensitivierung

Literatur

  • Taisen Deshimaru-Roshi: Za-Zen. Die Praxis des Zen. 5. Aufl. Kristkeitz, Leimen 1991, ISBN 3-921508-11-8
  • Daisetz T. Suzuki: Zazen - die Übung des Zen. Grundlagen und Methoden der Meditationspraxis im Zen. 3. Aufl. Barth, Bern u.a. 1993, ISBN 3-502-64595-7
  • Katsuki Sekida: Zen-Training. Das große Buch über Praxis, Methoden, Hintergründe. 5. Aufl. Herder, Freiburg i.Br. 2000, ISBN 3-451-04184-7
  • David Fontana: Einführung in die Zen-Meditation. Der Weg durch das torlose Tor. Theseus, Berlin 2003, ISBN 3-89620-196-4
  • Toshimaro Ama: Zen - Der Weg zu Satori (DVD) MICO/NHK, Japan; Dt. Aufl. KOMPLETT-MEDIA GmbH, München/Grünwald, ISBN 3-8312-9149-7
  • Abt Muho: Zazen oder der Weg zum Glück. Rowohlt 2007. ISBN 3499622033


Weblinks


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