St. Andreasberger Kleinbahn

St. Andreasberger Kleinbahn
St. Andreasberg West–St. Andreasberg Stadt
Bahnhof St. Andreasberg Stadt.
Bahnhof St. Andreasberg Stadt.
Streckenlänge: 1,636 km
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Zahnstangensystem: Abt, 2 Lamellen
Höchstgeschwindigkeit: 8 km/h
Legende
   
Anschluss zur Odertalbahn
   
0,0 St. Andreasberg West 433 m
   
0,1
   
1,4
   
1,4 Schwalbenherd 572 m
   
1,7 St. Andreasberg Stadt 603 m

Die St. Andreasberger Kleinbahn GmbH betrieb eine stillgelegte Zahnradbahn in Normalspur im Oberharz. Gesellschafter waren anfangs das Land Preußen, die Provinz Hannover und die Stadt Sankt Andreasberg. Den Betrieb führte seit 1924 das Landeskleinbahnamt Hannover.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Streckenbau

Dem Bau der Zahnradbahn voraus ging die Eröffnung der Odertalbahn im Jahre 1884, die Sankt Andreasberg über Bad Lauterberg mit der Hauptbahn der Südharzstrecke (NortheimNordhausen) in Scharzfeld verband. Endpunkt der Odertalbahn war der Staatsbahnhof St. Andreasberg West am Fuße des Glockenberges.

Die ungünstige Lage des Bahnhofes im heutigen Ortsteil Silberhütte machte weitere Planungen notwendig, die der Magistrat der Stadt Sankt Andreasberg am 23. Juni 1903 der Eisenbahndirektion Cassel mitteilte. Pläne zur Fortführung der normalspurigen Odertalbahn wurden aus Kostengründen verworfen, da der zu überwindende Höhenunterschied zu groß war. Stattdessen wurde eine 1,7 km lange Zahnradbahn nach System Abt gebaut. Für die Erweiterung der Strecke wurden drei Linienführungen betrachtet:

  • entlang der Landstraße durch das Sperrluttertal; Steigung max. 1:12
  • entlang des Wäschegrunds; ähnliche Steigung
  • aus dem Sperrluttertal durch den Grünen Hirsch; Steigung max. 1:6

Nach weiteren Verhandlungen wurde 1906 die dritte Variante mit leicht veränderter Streckenführung (max. Steigung 1:8,2) beschlossen, deren Bau am 1. April 1911 begonnen wurde. Der Winter 1912/13 unterbrach die Arbeiten für mehrere Monate, so dass erst im April 1913 mit dem Verlegen der Gleise und Zahnstangen begonnen werden konnte. Auf der 1.636,15 m langen Strecke wurden 1.543,61 m zweilamellige Zahnstangen verbaut. Die Betriebskonzession wurde am 5. Juni 1911 durch den Hannoverschen Regierungspräsidenten für einen 100jährigen Dampfbetrieb erteilt.

Zahnradbetrieb

Ehemaliger Bahndamm der Zahnradstrecke

Am 19. Juli 1913 begann mit der Einweihung des Stadtbahnhofes auf dem Glockenberg der Betrieb der Bahn. Bereits drei Tage vorher wurde der Güterbetrieb aufgenommen, um das Personal mit dem Ablauf bekanntzumachen. Zunächst wurden täglich fünf Zugpaare eingesetzt, die für die Strecke ca. 15 min benötigten (Höchstgeschwindigkeit 8 km/h). In den 1920er Jahren fuhren dann nur noch zwei Zugpaare (Erster Weltkrieg, Kohlemangel, rückläufiger Güter- und Personenverkehr), und ab 1932 wurden sogar Busse und Lastkraftwagen eingesetzt. Weitere Probleme brachten der Zweite Weltkrieg und die Überlegung der DB, den Abschnitt Bad Lauterberg–St. Andreasberg West stillzulegen. Bedingt durch einen großen Proteststurm wurde die Odertalbahn weiterhin betrieben, und es wurden nun auch Überlegungen für eine Modernisierung der Zahnradbahn angestossen. Eine moderne Zahnraddiesellok, welche durchgängig von Scharzfeld nach St. Andreasberg fahren konnte, wie auch die Elektrifizierung der Strecke konnten aus Kostengründen nicht realisiert werden. Letzte Rettung sollten DB-Schienenbusse der Baureihe VT 98 bringen: Eigenmächtig und ohne Genehmigung befuhr Dr. Paul Schöning, Leiter des Maschinenamts Braunschweig, die Steilstrecke am 18. September 1957 und erkannte, dass der Schienenbus lediglich für die Talfahrt mit zusätzlichen Bremsen hätte ausgestattet werden müssen. Zu einem Einsatz kam es allerdings nie.

Stilllegung

Ehemalige Haltestelle am Schwalbenherd

Im Jahr 1955 mahnte das niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr den Betrieb der St. Andreasberger Kleinbahn als sehr unrentabel an. Der weiterhin stark wachsende Verkehr auf der Straße und die fehlenden Modernisierungen der Bahnstrecke machten das Ende der Zahnradbahn immer wahrscheinlicher.

Ein schwerer Unfall im September 1958 mit 18 Toten und 100 Verletzten auf der Drachenfelsbahn wurde zum Anlass genommen (Gesellschafterversammlung am 28. November 1958), das Ende der Bahn in Sankt Andreasberg bekanntzugeben. Daraufhin wurde der Schienenverkehr zum 1. Januar 1959 nach 46 Jahren aus vorgeblichen Sicherheitsgründen eingestellt, obwohl die Ursache des Unglücks der Drachenfelsbahn nicht direkt übertragbar war. Der letzte Zug soll vermutlich am 23. April 1959 die Strecke befahren haben.

Am 17. August 1959 wurde die Zahnradbahn offiziell stillgelegt und sogleich mit dem Abbau der Bahn begonnen. Die St. Andreasberger Eisenbahn GmbH betrieb bis zum 30. Mai 1965 weiter den Buskraftverkehr, bis dieser von der DB übernommen wurde.

Das noch erhaltene Bahnhofsgebäude diente als Kurverwaltung und anschließend, bis 2005, als Atelier. Das große Vordach dient heute als Busbahnhof. Die ehemalige Trasse ist teilweise asphaltiert worden und führt bis zum Grillplatz der Waldarbeiter. Außerdem steht noch der ehemalige Lokschuppen, den ein örtlicher Busunternehmer als Garage nutzt.

Fahrzeuge

Ehemaliger Lokschuppen

Die beiden zweiachsigen Personenwagen (1913 von der Hannoverschen Waggonfabrik hergestellt, 70 Sitzplätze bzw. Post- und Gepäckabteil mit wenigen Sitzen) und die Jung-Lokomotiven wurden nach dem Betriebsende verschrottet.

Lokomotiven

Nr. NLEA-Nr. Hersteller Fab.-Nr. Baujahr Bauart Leistung Spur Gewicht
1 391 Jung 1.780 1912 C-n4vzt 320 PS 1.435 mm 37 t
2 392 Jung 1.781 1912 C-n4vzt 320 PS 1.435 mm 37 t

Literatur

  • Gerd Wolff: Deutsche Klein- und Privatbahnen. 11, EK-Verlag, Freiburg im Breisgau 2009, ISBN 978-3-88255-670-4 (Niedersachsen – Teil 3. Südlich des Mittellandkanals).
  • Klaus Lier, Klaus Schubert: Kleinbahnen im Westharz. Verlag Kenning, Nordhorn 2001, ISBN 3-933613-20-5 (Geschichte der Kleinbahn Gittelde-Bad Grund und der St. Andreasberger Zahnradbahn).

Weblinks


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