St. Ulrich (Memmingen)

St. Ulrich (Memmingen)
Die Kirche St. Ulrich in Memmingen

Die römisch-katholische Pfarrkirche St. Ulrich im Stadtteil Amendingen der oberschwäbischen Stadt Memmingen ist eine barocke Kirche des 18. Jahrhunderts. Das Patrozinium ist der 4. Juli (St. Ulrich). Sie befindet sich im Norden des Stadtteils, im sogenannten Altdorf auf der Anhöhe des Memminger Achtales.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Weihe der neuen Glocken 1949.

Die Quellen zur Baugeschichte der heutigen Kirche sind dürftig. Sicher ist, dass 1740 der Generalvisitator der Kartause Buxheim, die das Kirchenpatronat innehatte, die Finanzen der Gemeinde für einen Neubau überprüfte. 1750 wurde der Entschluss für einen Neubau gefasst. Der erst 1655 vollendete Vorgängerbau musste hierfür abgerissen werden. Die Kirche ist nach Norden ausgerichtet. Damit ist St. Ulrich eine der wenigen Kirchen, die von der üblichen Ausrichtung nach Osten abweichen.

Für den Neubau wurden die Substruktionen und die Fundamente des Vorgängerbaus am östlichen Abhang genutzt, ebenso die des unteren mittelalterlichen Turmgeschosses. Am 24. März 1752 wurde der Abriss des Vorgängerbaus durch den Generalvikar genehmigt. Die Kosten hierfür trug die Kartause Buxheim. Am 11. April 1752 erfolgte die Grundsteinlegung der heutigen Kirche durch Weihbischof Franz Xaver Adelmann von Adelmannsfelden. Die Kirche geht weit über die übliche Größe einer schwäbischen Dorfkirche hinaus. Es war nicht nur der Neubau einer Dorfkirche sondern ein Prestigeprojekt der katholischen Kirche in Schwaben.[1] Der Architekt und Stuckateur des Kirchenbaus war vermutlich Jakob Jehle aus Obenhausen. Er orientierte sich bei der Innenraumgestaltung vermutlich an der Buxheimer Pfarrkirche, die von den Gebrüdern Zimmermann ausgestaltet worden war. Die drei Altäre (Hoch-, Marien- und Josefsaltar) sowie die Kanzel wurden neu angeschafft. Diese sind unter dem Einfluss von Gabriel Weiß d. Ä. aus Bad Wurzach und seines gleichnamigen Sohnes entstanden. Die Bildhauer und Schnitzer stammten vermutlich aus dem Umkreis des Anton Sturm aus Füssen und des aus Oberschwaben stammenden Dominikus Hermengild Herberger. Der Name des Freskomalers ist nicht überliefert. Erstmals saniert wurde die Kirche im 19. Jahrhundert. 1922 wurden die Raumschale und die Fresken instandgesetzt. Das große, bei der ersten Sanierung übermalte Deckenfresko wurde von Josef Albrecht erneuert. 1949 erhielten die Altäre, die Kanzel sowie die Figuren eine neue Fassung.

Ausstattung

Die Kirche ist mit vielen barocken Kunstwerken ausgestattet.

Hochaltar

Der Hochaltar

Der Hochaltar ist zweisäulig und mit Figuren bestückt. Er ist dem Heiligen Ulrich geweiht, wurde vermutlich von Gabriel Weiß d. Ä. entworfen und 1754 aufgestellt. Das Bild zeigt eine Fürbitte des Heiligen Ulrich an die heilige Dreifaltigkeit, die Menschen zu seinen Füßen vor den einfallenden Ungarn zu retten. Es bezieht sich dabei auf die Schlacht auf dem Lechfeld im Jahre 955. Im unteren Drittel des Bildes flehen Menschen jeglichen Standes den Heiligen Ulrich an. Rechts im Hintergrund tobt die Schlacht. Der Heilige Ulrich kniet auf einer Wolkenbank und bittet für die Menschen. Ein Putto trägt den Abtstab, ein anderer kommt mit dem Kreuz, das die Menschen der Legende nach damals rettete, zum Heiligen Ulrich geflogen. Am unteren rechten Bildrand halten mehrere kleine Putti das Zeichen Ulrichs, den Fisch, in ihren Händen. Die oberste Ebene des Bildes wird von der Heiligen Dreifaltigkeit dominiert, auf der rechten Seite Gottvater, auf der linken Seite Jesus. Über ihnen ist der Heilige Geist in Form einer Taube zu sehen. Die aufwändig geschnitzten Rahmen des Hochaltargemäldes sind mit Rokokoornamenten geschmückt, ebenso die beiden seitlichen durchbrochenen Dekorationen. Sie werden dem Umfeld des Bildhauers Anton Sturm zugeschrieben. Die Seitenfiguren des Hochaltares stellen den Heiligen Narzissus und die Augsburger Diözesanpatronin, die Heilige Afra dar. Damit sollte die enge Beziehung zur Bischofsstadt Augsburg symbolisiert werden. Der Aufbau über dem Bild zeigt zwei große Engel und kleinere Putti mit dem flammenden Herz Christi, gebettet in einen von geflügelten Puttenköpfen durchsetzten Strahlenkranz.

Seitenaltäre

Die Seitenaltäre sind einfache Altaraufbauten mit einer Einbuchtung für Statuen und Auszugsbilder. Der linke Altar ist der heiligen Maria, der rechte dem heiligen Josef geweiht.

Blick von der ersten Empore auf das Hauptschiff und in den Hochchor

Marienaltar

Der Marienaltar besitzt in der geschnitzten, mit Puttenköpfen geschmückten Ausbuchtung eine wertvolle geschnitzte spätgotische Madonna aus der Werkstatt des Künstlers Ivo Strigel. Sie wurde um 1512 geschaffen. Sie zeigt die Jungfrau mit dem Jesuskind auf dem Arm, das den Königsapfel in der linken Hand hält. Auch die Pietà unter der Statue mit großen künstlerischen Feinheiten wird der Werkstatt Strigels zugeschrieben. Das Auszugsbild über den Statuen zeigt die Rosenkranzspende. Die Jungfrau übergibt dem heiligen Dominikus und der heiligen Katharina von Siena einen Rosenkranz. Der Künstler ist unbekannt.

Josephaltar

Der Altar zu Ehren des Heiligen Joseph zeigt in der geschnitzten, mit Puttenköpfen verzierten Ausbuchtung eine Statue des Heiligen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts mit einer Lilie in der Hand. Der Künstler ist ebenfalls unbekannt. Unter der Statue befindet sich eine kleine Einbuchtung mit einem Silberkreuz. Ebenso unbekannt ist der Künstler des Auszugsbildes. Es zeigt den Heiligen Sebastian, der, von Pfeilen durchbohrt, an einen Baum gefesselt dargestellt wird. In den Pestzeiten wurde er von den Verzweifelten um Hilfe angerufen. Ebenfalls soll es in Amendingen eine Sebastiansbruderschaft gegeben haben. Auch dies erklärt die große Verehrung des Heiligen.

Kanzel

Die Kanzel hat als Bekrönung einen Christus in Gestalt des guten Hirten mit einem Lamm auf den Schultern. Sie wird dem Umfeld des Künstlers Dominikus Hermengild Herberger zugeschrieben. Die Kanzel selbst ist mit Putten und Rocaillen geschmückt. Im Inneren hat sie an der Decke eine silberne Taube mit Strahlenkranz. Sie soll den Heiligen Geist verkörpern. Als Abschluss ist am Dach der Kuppel ein geschnitzter Saum mit Kordeln zu sehen. Der Zugang zur Kanzel ist nur über den Kirchturmzugang im Hauptschiff unterhalb der Kanzel möglich. Heute wird die Kanzel nicht mehr gottesdienstlich benutzt.

Sonstige Ausstattung

Die um 1500 geschaffene Hl. Ottilie

Ein Kreuzweg aus Ölbildern aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist rings um das Langhaus an den Wänden angebracht. Über den Bildern befindet sich jeweils ein kleines goldenes Kreuz. Die Bilder werden Konrad Huber aus Weißenhorn zugeschrieben. Das Laiengestühl sowie ein Teil des Chorgestühls ist aus der Zeit der Erbauung der Kirche erhalten geblieben. Es ist von einfacher Gestalt, mit Rocailleschnitzereien verziert. Auch im Langhaus und im Chorraum befinden sich an den Wänden einige Ölgemälde. Eines davon zeigt den Erzengel Michael als Besieger des gestürzten Engels Luzifer. Daneben befinden sich Bilder des Heiligen Franz von Assisi, des Heiligen Bonaventura sowie der Heiligen Katharina von Siena. Alle Gemälde stammen aus dem 18. Jahrhundert. An den Wänden des Kirchenraums befinden sich verschiedene Skulpturen. Ignaz Waibel schuf um 1700 die Skulptur des Guten Hirten im Chor. Ihm gegenüber steht der Heilige Nepomuk. Diese Figur stammt aus dem 18. Jahrhundert. Im rückwärtigen Teil des Langhauses stand eine Figur der Heiligen Ottilie. Diese um 1500 entstandene Skulptur befand sich früher in der kleinen gotischen Ottilienkapelle am Ortsrand. Ihr gegenüber steht der Heilige Antonius von Padua.

Auf der rechten Seite des Langhauses ist eine um 1730 entstandene geschnitzte Kreuzigungsszene mit Maria und Veronika zu sehen. Sie kam 1944 in die Kirche; wo sie sich vorher befand und wer sie geschaffen hat, ist nicht bekannt. Als Meisterwerk gilt der Taufstein mit glockenförmigem Becken aus dem 17. Jahrhundert und der Bekrönung durch eine kleine Christus-Johannes-Gruppe aus dem späten 18. Jahrhundert. Das handgeschmiedete Gitter an der Brüstung des Oratoriums im Chor und die zwölf mit Blattranken verzierten Apostelleuchter zählen ebenfalls zu Kunstwerken hohen Ranges.

Glocken

Die Glocken von 1922 wurden 1941 als Kriegsgut eingezogen. 1949 wurden vier neue Glocken gegossen.

Orgel

Die Sandtner-Orgel

Die Orgel aus dem Jahr 1882 wurde 1953 durch ein Instrument der Orgelbaufirma Gebrüder Hindelang aus Ebenhofen ersetzt. Die letzte Restaurierung fand 1989 bis 1997 statt. Hierbei wurde die gesamte Kirche saniert und auch der Chor mit einem neuen Altar von Jörg Maxzin bestückt. Die Orgel wurde durch ein Werk der Firma Sandtner aus Dillingen an der Donau ersetzt. Diese Orgel aus dem Jahr 1997 besitzt 21 Register auf zwei Manualen und Pedal und gilt als das "Opus 250" der Orgelbaumeister Sandtner.

Nutzung

Die Kirche war früher ein Gotteshaus der Kartause Buxheim für die katholische Landbevölkerung Amendingens und der Umgebung. Nach der Säkularisation der Kartause wurde sie eine eigenständige Pfarrkirche mit Filialen in Eisenburg und Trunkelsberg. Heute gehört die Pfarrei zum katholischen Dekanat Memmingen. Römisch-katholische Gottesdienste finden in der Regel jeden Sonntag und an den katholischen Feiertagen und Hochfesten statt. Rosenkranzgebete finden ebenfalls regelmäßig statt. Evangelische Gottesdienste, die früher ebenfalls in der Kirche abgehalten wurden, finden dort nach Fertigstellung des sogenannten Amendinger Schlössles nicht mehr statt.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auskunft der Heimatpflege Memmingen gegenüber Benutzer:Memmingen im Februar 2008

48.00565910.1783567Koordinaten: 48° 0′ 20″ N, 10° 10′ 42″ O


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