Staatsbürgerkunde

Staatsbürgerkunde

Staatsbürgerkunde war ein Unterrichtsfach in der DDR, das in der 9. und 10. Klasse und ab 1969 von der 7. bis zur 10. Klasse an den Polytechnischen Oberschulen sowie bis zur 12. Klasse an den Erweiterten Oberschulen unterrichtet wurde.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt und Ziel des Unterrichts

Zu den Inhalten gehörte die Einführung in die Marxistische Philosophie, in die Politische Ökonomie des Kapitalismus und des Sozialismus sowie in den Wissenschaftlichen Sozialismus. Das Unterrichtsfach war Teil des „einheitlichen sozialistischen Bildungssystems der DDR“ und stellte die Herausbildung des „Klassenstandpunktes“ der Schüler in den Mittelpunkt. Der Unterricht war eng verknüpft mit den in die Schulen integrierten politischen Jugendorganisationen Pioniere und FDJ. Die Wissensvermittlung in diesem Unterrichtsfach stellte das „Kollektiv“ in den Mittelpunkt. „Der Schritt erfolgt vom Ich zum Wir“ war eine Losung in der DDR.[1]

Im Unterricht wurden die Schüler unter anderem auf den Wehrunterricht vorbereitet, der seit 1978 ab der 9. Klasse in den Schulen obligatorisch war. Die Lehrmaterialien propagierten den Wehrdienst und die „Waffenbrüderschaft“ mit der Sowjetunion. Kritische Themen der DDR-Geschichte, wie zum Beispiel der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 oder der Mauerbau, wurden im apologetischen Sinne der SED-Herrschaft behandelt.

Der Staatsbürgerkundeunterricht sollte den Schülern ein „gefestigtes Klassenbewusstsein“ und das „Bekenntnis zum Arbeiter-und-Bauern-Staat“ vermitteln und sie zu „bewussten Staatsbürgern“ der DDR erziehen. Dazu wurde den Schülern Wissen über den Staatsaufbau, die seit 1968 in der Verfassung festgeschriebene „führende Rolle der SED“, die Rechte und Pflichten des DDR-Bürgers und die Ideologie des Marxismus-Leninismus vermittelt. Dabei war es von großer Bedeutung, dass das sozialistische System dem kapitalistischen System als überlegen gegenübergestellt wurde. Der Sieg des Sozialismus/Kommunismus über den Kapitalismus wurde als gesetzmäßig dargestellt. Als besonders wichtig galt die Vermittlung der „unverbrüchlichen Freundschaft“ der DDR mit der Sowjetunion und die Darstellung der „herrschenden Klassen“ in den USA und der BRD als „Klassenfeinde“.

Staatsbürgerkunde in anderen Zusammenhängen

Artikel 148 der Weimarer Verfassung[2] forderte zur Stärkung der „staatsbürgerlichen Gesinnung“ Staatsbürgerkunde als Lehrfach an den Schulen der Weimarer Republik. In Artikel 11 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen heißt es „In allen Schulen ist Staatsbürgerkunde Lehrgegenstand und staatsbürgerliche Erziehung verpflichtende Aufgabe.“[3] Allerdings gibt es dort keine Schule, wo dies ein ordentliches Unterrichtsfach wäre. Österreich hatte zeitweilig ein Unterrichtsfach desselben Namens.

Literatur und Medien

  • Tilman Grammes: Staatbürgerkundeunterricht, in: Freundschaft! Die Volksbildung der DDR in ausgewählten Kapiteln, Eine Publikation des Ministeriums für Bildung des Landes Brandenburg, Bd. 3, Geschichte, Struktur und Funktionsweise der DDR-Volksbildung, Basisdruck Berlin 1996 ISBN 3861630885
  • Tilman Grammes, Henning Schluß, Hans-Joachim Vogler: Staatsbürgerkunde in der DDR – Ein Dokumentenband. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8100-1893-7.
  • Henning Schluß: Der Mauerbau im DDR-Unterricht. Videodokumentation einer Unterrichtsstunde mit Hintergrundinformationen, FWU, München, DVD 46 02332.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Sebastian Schubert: La vie en rose - Erinnerungen an die DDR. Dokumentation für arte, 2004.
  2. Weimarer Verfassung
  3. Landtag NRW: Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Weblinks


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