Staatskirche

Staatskirche

Als Staatskirche wird eine christliche Religionsgemeinschaft bezeichnet, die in einem Staat aufgrund geltenden Rechts (meistens mit Verfassungsrang), deren Glaubensgrundsätze zur offiziellen Religion bestimmt wurde. Diese Regelung betrifft entweder das ganze Staatsgebiet oder nur einen Teilstaat. Eine Staatskirche leitet sich oftmals aus einer Monarchie ab und ist dabei eng mit der Person des Monarchen verbunden, der in der Regel eine besondere Rolle innerhalb der Staatskirche zukommt. Auch frühere Monarchien, die heute eine republikanische Verfassung haben, haben häufig eine Staatskirche (z. B. Griechenland). Fälschlicherweise werden häufig die Begriffe Staats-, Landes- und Volkskirche synonym verwandt. Die öffentlich-rechtliche Anerkennung einer Religionsgemeinschaft begründet noch nicht deren Erhebung zur Staatskirche.

Eine Kirche kann sich als Staatskirche auf das Gebiet eines Staates oder Teilstaates beschränken (z. B. Church of England, [früher] Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich) oder sie kann in mehreren Staaten offizielle Kirche sein (z. B. vormals die Katholische Kirche in Spanien, in Italien und Belgien).

Historisch waren in vielen Fällen Staatsangehörigkeit und Kirchenmitgliedschaft identisch, und einige Staatskirchen sahen Mission als prinzipiell verzichtbar.

Staatskirchen haben gewöhnlich gewisse staatliche Privilegien (Steuern, Ansehen der Geistlichen), sind aber auch an gewisse Regeln des Staats gebunden. Das Ausmaß der Privilegien und Einspruchsrechte des Staats kann je nach Land und Zeit sehr unterschiedlich sein, z. B. in den deutschen Landeskirchen und im Cäsaropapismus.

Staatsreligion hat nicht die gleiche Bedeutung wie Staatskirche, denn während erstere selbständige Glaubensgemeinschaften beinhaltet (z. B. Katholische Kirche), bezeichnet zweiteres eine dem Staat angegliederte Kirche.

Inhaltsverzeichnis

Einzelne Länder

Armenien

Das erste Land, das das Christentum offiziell als Staatskirche einführte, war Armenien (König Trdat III.) im Jahr 301. Heutzutage sind Staat und Kirche voneinander getrennt, auch wenn es in verschiedenen Bereichen eine punktuelle Zusammenarbeit gibt (zum Beispiel Militärseelsorge).

Dänemark

Gemäß § 4 des Danmarks Riges Grundlov ist die Evangelisch-lutherische Kirche Volkskirche. Sie war bis 1849 die einzige zugelassene Religionsgemeinschaft. Die Königin oder der König muss dieser angehören.[1]

Deutschland

In der Reformationszeit wurde mit dem Prinzip cuius regio, eius religio (wem das Land gehört, der bestimmt die Konfession) der Territorialherr auch der jeweils oberste Kirchenherr. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 besiegelte endgültig, dass in den nun protestantischen Gebieten die Landesfürsten quasi Bischofsrechte erhielten, also das Recht zur kirchlichen Rechtsprechung und das Recht zur Einsetzung der Geistlichen. Theologisch wurden die reformierten und lutherischen Kirchen jedoch nicht vom Fürsten definiert. Martin Luther trat dieser Form von weltlicher Kirchenherrschaft entgegen (siehe: Zwei-Reiche-Lehre). Die Mitwirkung der Fürsten führte zu noch heute sichtbaren Auswirkungen. So ist das Entstehen der evangelisch unierten Kirche 1817 oder aber der klassische schwarze Talar als Amtstracht evangelischer Pfarrer (ab 1811) auf das direkte Einwirken preußischer Fürsten zurückzuführen. Mit der Weimarer Republik nach dem Ende des 1. Weltkrieges und der Abdankung der Fürsten auf Landes- und Reichsebene erhielten die protestantischen Landeskirchen und katholischen deutschen Bistümer ihre staatliche Unabhängigkeit.
Die weltanschauliche Neutralität der Bundesrepublik Deutschland wird heute aus dem Zusammenwirken verschiedener verfassungsrechtlicher Normen, welche das Verhältnis von Staat zu Religion und Kirche bzw. Weltanschauung darstellen, umschrieben. Dabei sind insbesondere die Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1, 2 des Grundgesetzes, das Verbot der Staatskirche in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung oder auch die Verbote der Benachteiligung und Bevorzugung der Bürger aus religiösen Gründen nach Art. 3 Abs. 3 GG sowie die Unabhängigkeit bürgerlicher Rechte und der Zulassung zu öffentlichen Ämtern vom religiösen und weltanschaulichen Bekenntnis (Art. 33 Abs. 3 GG) zu nennen. Ungeachtet davon ist das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland nicht streng laizistisch, wie beispielsweise in Frankreich, sondern in vielen Bereichen auf Kooperation angelegt. Als Beispiele hierfür können der Religionsunterricht, welcher gemäß Art. 7 Abs. 3 GG ordentliches Lehrfach ist und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird, die Möglichkeit der Erhebung von Kirchensteuer mit Hilfe der staatlichen Finanzbehörden, Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 VI WRV, sowie das Recht nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 V WRV, den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu erlangen, genannt werden. Siehe auch den Artikel Landeskirche.

Frankreich

Mit dem Übertritt zum Katholizismus errichtete Chlodwig in Franken ein katholisches Reich - auch seine Untertanen wurden katholisch. In Frankreich blieb der Katholizismus bis zur französischen Revolution Staatsreligion. Das Gesetz zur Trennung von Religion und Staat führte 1905 den Laizismus in Frankreich ein, der bis heute in der Verfassung Frankreichs festgeschrieben ist.

Ausnahmen bilden jedoch die bis 1919 zum Deutschen Reich gehörenden Regionen Elsass und Lothringen, in denen die Laizitätsgesetze nicht gelten und zwischen Kirche und Staat ein ähnliches Verhältnis wie in Deutschland herrscht (z. B. werden von den Mitgliedern der evangelischen und katholischen Kirche Kirchensteuern eingezogen).

Georgien

Seit 1991 ist die Georgische Orthodoxe Apostelkirche in Georgien, die zu den orthodoxen Kirchen gehört, wieder Staatskirche.

Griechenland

Die Griechisch-Orthodoxe Kirche, welcher über 90% der Griechen angehören, ist laut Staatsverfassung von Griechenland auch heute noch eine Staatskirche, auch wenn das Verhältnis zwischen Kirche und Staat nicht immer ohne Spannungen ist. Alle ihre Bischöfe müssen vom griechischen Parlament bestätigt werden. Die Griechisch-Orthodoxe Kirche spielt auch durch ihren ausgedehnten Landbesitz noch eine wichtige Rolle.

Vereinigtes Königreich

Die Church of England war von ihrer Entstehung her Staatskirche von England. Der König ist bis heute offiziell das Oberhaupt der Kirche und ernennt Erzbischöfe und Bischöfe auf den Rat des Premierministers. Erzbischöfe und Bischöfe sitzen im englischen Oberhaus. Anders ist die Situation in Schottland, wo 1926 der Status der presbyterianischen Church of Scotland von der Staatskirche zur „Nationalkirche“ gewandelt wurde.

Liechtenstein

Die römisch-katholische Kirche ist im Fürstentum Liechtenstein gem. Art. 37 II der Landesverfassung Landeskirche. Andere Religionen genießen kraft der Verfassung individuelle und kooperative Religionsfreiheit. Im Juni 2011 wird eine Gesetzesinitiative der liechtensteinischen Regierung gestartet, die eine Trennung von Staat und Kirche in Liechtenstein vorsieht. [2]

Monaco

Im Fürstentum Monaco an der französischen Mittelmeerküste (Côte d’Azur) nahe der italienischen Grenze ist die katholische Kirche nach wie vor gesetzlich festgelegte Staatsreligion.

Orthodoxie in slawischen Ländern

Auch die später gegründeten orthodoxen Kirchen sehen sich als die Kirche auf dem entsprechenden Staats- oder Volksgebiet und waren in der Geschichte oft eng mit der Regierung verbunden. Aber auch ohne Verbindung zur weltlichen Macht (Griechisch-Orthodoxe Kirche unter türkischer Herrschaft, viele andere unter dem Kommunismus) verstehen die orthodoxen Kirchen bis heute das Staats- bzw. Volksgebiet als identisch mit der Ausdehnung der Kirche.

Österreich

Im Österreich des 18. Jahrhundert verfügte Joseph II. das Staatskirchentum in Gestalt des Josephinismus. Gegenwärtig hat Österreich keine Staatskirche.

Römisches Reich

Vom 4. Jahrhundert abgesehen, gab es im Römischen Reich immer eine einheitliche Staatsreligion - bis 314 den Kaiserkult, nach 391 den Katholizismus als Reichskirche.

Die Entstehung der katholischen Staatskirche geht auf Erlasse des Kaisers Theodosius zurück, der 381 den römisch-alexandrinischen trinitarischen Glauben zur offiziellen Religion des römischen Reichs erklärte um die innerchristlichen Streitigkeiten zu beenden, und 391 jeden heidnischen Kult verbot -- nur das Judentum durfte unter gewissen Bedingungen weiter bestehen. Nach heutiger Sicht vieler Forscher war es jedoch erst Justinian I. der in der Mitte des sechsten Jahrhunderts im römischen Reich das Christentum tatsächlich gegen das Heidentum durchsetzte. Die römische Reichskirche hatte gegenüber dem Staat nie die Macht der römisch-katholischen Kirche im Mittelalter sondern war besonders im Osten immer in einem prekären Machtgleichgewicht mit der staatlichen Macht des Kaisers.

Machtverlust und Untergang des Weströmischen Reiches hatten einen Bruch im staatskirchlichen Denken zur Folge. Augustinus schrieb sein epochales Werk De civitate Dei, das von einem prinzipiellen Dualismus zwischen irdischem Staat und Staat Gottes ausgeht.

Im byzantinischen Osten entwickelt sich in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends der Cäsaropapismus. Das Papsttum ist im Abendland seit dem 11. Jh. dem kaiserlichen Führungsanspruch entgegengetreten. Der Katholizismus beanspruchte also einen Vorrang seiner geistlichen Autorität vor den weltlichen Gewalten.

Schweiz

In der Schweiz entschieden die einzelnen Kantone als selbständige republikanische Staaten darüber, ob sie sich der Reformation anschließen wollten oder nicht (stellenweise sogar die einzelnen Dörfer). Heute sind in den meisten Kantonen der Schweiz die reformierte, katholische und christkatholische Kirche, in einigen auch jüdische Gemeinden staatlich anerkannt und damit Körperschaften des öffentlichen Rechts. Diese als Landeskirchen bezeichneten Körperschaften kennen aber alle eine autonome, von den jeweiligen kantonalen Staatsorganen unabhängige Gesetzgebung und sind damit keine Staatskirchen im eigentlichen Sinne. Dies wird auch darin deutlich, dass alle betreffenden Kantone mehr als eine Landeskirche kennen, wogegen eine "Staatskirche" neben sich schon per definitionem keine andere Staatskirche haben kann.

Skandinavien

Dänemark und Norwegen haben seit der Reformation bis heute lutherische Staatskirchen, ein Prinzip, das von den erst später entstandenen Staaten Finnland und Island übernommen wurde. In Schweden wurde die Staatskirche 1999 abgeschafft. In Finnland ist neben der lutherischen auch die orthodoxe Kirche eine sog. Nationalkirche.

USA

In den USA ist die Etablierung einer Staatskirche auf Bundesebene gesetzlich untersagt. Dieses Verbot geht u. a. zurück auf Roger Williams (1603 - 1683), der in dem von ihm verfassten Grundgesetz des US-Bundesstaates Rhode Island zum ersten Mal in der Geschichte die Trennung von Staat und Kirche festschrieb. Dieser Grundsatz floss später in die Verfassung der Vereinigten Staaten ein.

Quellennachweise

  1. Danmarks Riges Grundlov
  2. Radio Vatikan:Liechtenstein: Trennung von Kirche und Staat

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