Stadtmetzg

Stadtmetzg
Südseite der Stadtmetzg

Die Stadtmetzg im Lechviertel von Augsburg ist ein historischer Bau im Stil der Spätrenaissance und wurde zwischen 1606 und 1609 von Elias Holl erbaut.

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte der Stadtmetzg

Mit dem aufblühenden Handel seit Ende des Mittelalters war die Bevölkerung der alten Reichsstadt Augsburg stetig angestiegen. Um das Jahr 1600 wohnten im Stadtgebiet bereits 16.000 Menschen, die umgebenden Stadtmauern hatten zu dieser Zeit bereits mehrfach erweitert werden müssen.

Um die Versorgung der Bevölkerung mit Fleischwaren sicherzustellen, beschloss der Rat der Stadt Anfang des 17. Jahrhunderts den Bau einer zentralen Schlachterei zur Verteilung des Fleisches an die Metzger der Stadt. Zwar gab es bereits zuvor eine solche „Stadtmetzg“, doch deren Kapazität reichte nicht mehr, um die verarbeiteten Waren ordnungsgemäß und hygienisch zu lagern.

Auf der Suche nach einem geeigneten Standort für das Bauwerk entschied sich der damalige Stadtbaumeister Elias Holl für das Augsburger Lechviertel, wo er ideale Bedingungen für eine Zentralschlachterei vorfand: das Gelände lag inmitten der Stadt und war durchzogen von Lechkanälen, die sowohl die Wasser- und Energieversorgung als auch die Abfallbeseitigung sicherstellen konnten.

Schon bei den Planungen war Elias Holl mit einiger Raffinesse vorgegangen und aus dem prächtigen vierstöckigen Gebäude mit dem schmalen Giebel sollte der bis dahin modernste Bau der Fleischerzunft werden: so wurde der Vordere Lech, einer der Lechkanäle, direkt offen unter das Schlachthaus geleitet, was einerseits eine ausreichende Kühlung der Fleischwaren ermöglichte, andererseits den Metzgern erlaubte, Abfälle von der Schlachtbank direkt in den Kanal zu entsorgen.

Nach dreijähriger Bauzeit wurde die neue Stadtmetzg im Jahre 1609 eröffnet. An der Fassadengestaltung der südlichen Giebelfront des dreigeschossigen Satteldachbaus dürfte Johann Matthias Kager mitgewirkt haben. Im unteren Bereich waren 126 Fleischbänke als Verkaufsstände untergebracht, im oberen Bereich Zunft- und Amtsstuben eingerichtet. An der Hauptfassade zierte ein von Hans Reichle geschaffenes und von Wolfgang Neidhardt gegossenes bronzenes Stadtwappen das Bauwerk.[1]

Im Jahr 1712 zog in den oberen Stock die Reichsstädtische Kunstakademie ein. Als ihre Direktoren fungierten damals der katholische Johann Rieger und der protestantische Georg Philipp Rugendas. Unterricht gab es nur in den Wintermonaten von Oktober bis März von 18 bis 20 Uhr. Die Schüler zeichneten nach Vorlagen oder nach Modell gegen ein Entgelt von maximal zwei Gulden. Die Ausstattung war dürftig und häufig beschwerten sich Lehrer über wenig Platz, manch ekelhaften Geruch und Besuchern zugemutete Zustände. Gleichwohl förderte diese Akademie Augsburgs Ruf als kulturelles Zentrum und Ausbildungsort für Künstler.[2]

Die Stadtmetzg heute

Georgsbrunnen gegenüber der Stadtmetzg

Im Zuge der Industrialisierung nahm die Bedeutung der Stadtmetzg als städtische Zentralschlachterei immer weiter ab. Mit der Eröffnung eines modernen Schlachthofes vor den Toren der Stadt im Jahr 1900 war der weitere Betrieb der Metzg unnötig geworden, doch erst nach dem Umzug der Fleischer auf den neuen Augsburger Stadtmarkt schloss die Stadtmetzg 1930 endgültig ihre Tore. Auf Jahre des Leerstandes folgte 1937 ein Totalumbau des Gebäudes, bei dem das Haus vollständig entkernt und damit auch das 1783 von Johann Anton Huber geschaffene Deckenfresko in der Eingangshalle zerstört wurde. Ab 1939 diente die Stadtmetzg als städtisches Dienstgebäude, zuletzt als Sozialamt. 1944 wurde das Haus durch die Luftangriffe auf Augsburg erheblich zerstört, nach Kriegsende wieder aufgebaut und von der Stadtverwaltung genutzt.

Pläne nach der Jahrtausendwende, die Augsburger Stadtbücherei in das Gebäude umzusiedeln, sind durch den Neubau der Bibliothek auf dem Ernst-Reuter-Platz endgültig vom Tisch. Die Zukunft des prachtvollen Holl-Baus bleibt ein offener Punkt in der Augsburger Tagespolitik.

Einzelnachweise

  1. Augsburger Stadtlexikon, 2. Auflage, Seite 836 ISBN 3-922769-28-4
  2. „Augsburger Allgemeine“ vom 13. September 2005: Malen Tür an Tür mit den Fleischhauern

Weblinks

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