Statin

Statin

Als Statin wird im allgemeinen medizinischen Sprachgebrauch ein Arzneistoff bezeichnet, das der pharmakologischen Substanzklasse der 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase-(HMG-CoA-Reduktase-)Inhibitoren angehört. Da HMG-CoA ein Zwischenprodukt der menschlichen Cholesterinsynthese ist, werden Statine bislang hauptsächlich bei Fettstoffwechselstörungen als Cholesterinsenker eingesetzt. Von allen Medikamenten, die den Lipidstoffwechsel beeinflussen, weisen sie die höchste Potenz auf. Ihre Vertreter enden auf -statin.

Statine sind auch unter dem Begriff CSE-Hemmer (Cholesterinsyntheseenzymhemmer) bekannt.

Als Statine werden auch die Inhibiting-Hormone bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Wirkweise

Statine als Lipidsenker

Die Wirkung von Statinen als Lipidsenker beruht auf Ihrer kompetitiven Hemmung der HMG-CoA-Reduktase. Da HMG-CoA ein Stoff ist, den der Körper zur Biosynthese von Cholesterin benötigt, wird unter Einwirkung von Statinen weniger Cholesterin vom Körper selbst gebildet als ohne. Da in den Zellen ein relativer Cholesterinmangel herrscht, produzieren sie vermehrt LDL-Rezeptoren, die das Lipoprotein geringer Dichte aus dem Blut durch Endozytose aufnehmen.[1] LDL ist hauptverantwortlich für die meisten Schäden des Körpers, die durch einen zu hohen Cholesterinspiegel erzeugt werden. LDL wird so aus dem Blutkreislauf entfernt, wodurch sich der LDL-Spiegel im Blut und damit auch Wirkungen des LDL wie Arteriosklerose verringern.

Die Gabe von Statinen bewirkt eine deutliche Reduktion an Herzinfarkten und Todesfällen. Es bestehen bei der Reduzierung von Infarkten oder Todesfällen keine signifikanten Wirksamkeitsunterschiede zwischen Pravastatin, Simvastatin oder Atorvastatin in ihrer Standarddosierung.[2]

Weitere Wirkungen von Statinen

Statine als Immunmodulatoren

siehe Hauptartikel: Statine als Immunmodulatoren

Statine als Plaque-Stabilisatoren

Die positiven Effekte, die Statine auf das Überleben von Patienten nach kardiovaskulären Ereignissen (wie z. B. Herzinfarkt) haben, können nicht allein mit einer Erweiterung von Engstellen in den Herzkranzgefäßen erklärt werden. Man nimmt mittlerweile an, dass Statine indirekt entzündungshemmend auf instabile atherosklerotische Ablagerungen (Plaques) wirken. Oxidiertes LDL, das in instabilen Plaques eingelagert ist, scheint Entzündungszellen wie Monozyten und Lymphozyten anzulocken. Im Rahmen der so entstandenen Entzündung des Plaques werden Matrix-abbauende Enzyme (Matrixmetalloproteinasen) gebildet. Die Matrixmetalloproteinasen verdauen insbesondere das Strukturprotein Kollagen, das den Plaques mechanische Festigkeit vermittelt. Die Statine reduzieren anscheinend die Einlagerung von oxidiertem LDL. Folglich verhindern oder verringern sie die Einwanderung von Entzündungszellen und die Bildung von Matrix-Metalloproteasen. Durch das so vermehrt vorhandene Kollagen wird die Plaque-Stabilität auf lange Sicht erhöht, wenngleich die Dicke der Ablagerungen (und somit die Einengung des Gefäßes) nicht oder nur sehr wenig zurückgeht.[3]

Indikation

Verwendung finden Statine bei isolierter Hypercholesterinämie, wie polygene Hypercholesterinämie oder familiäre Hypercholesterinämie (als First- Line-Therapie), aber auch bei kombinierter Hyperlipidämie, zur Primär- und Sekundärprophylaxe der Arteriosklerose und damit einhergehender kardiovaskulärer Ereignisse.

Vertreter, Studien

siehe auch unter Cholesterin#Studien

Atorvastatin

  • Handelsnamen: Sortis (Deutschland), Lipitor (USA)
  • Ersthersteller: Pfizer

Cerivastatin

  • Handelsnamen: Lipobay, Baycol, Zenas
  • Ersthersteller: Bayer AG

Lipobay ist auf Grund seiner Nebenwirkungen 2001 von den Firmen Bayer AG und Fournier vom Markt genommen worden. Nach der Datenlage mit Stand vom 10. September 2001 wurde insgesamt über 19 Verdachtsfälle von tödlichen Nebenwirkungen (Rhabdomyolysen) im zeitlichen Zusammenhang mit einer Statin-Behandlung (alle Statine) berichtet. Bei den zehn Cerivastatin betreffenden Fällen dürfte das Medikament in vier Fällen und damit gegenüber anderen Statinen statistisch signifikant häufiger tatsächlich zum Tode des Patienten geführt haben. Die Marktrücknahme war somit nach derzeitiger Erkenntnis aufgrund vorhandener Alternativpräparate gerechtfertigt. Die Mehrzahl der Fälle wurde auf eine Arzneimittelwechselwirkung mit dem Fibrat Gemfibrozil unter Cerivastatin-Höchstdosis zurückgeführt.

Fluvastatin

Fluvastatin gilt als eines der wirkschwächeren, aber auch als das am besten verträgliche Statin und wird von den Firmen Astellas Pharma GmbH und Novartis vertrieben. Fluvastatin wird im Gegensatz zu fast allen anderen Statine nicht über CYP3A4, sondern über CYP2C9 abgebaut.

Lovastatin

  • Handelsnamen: Mevinacor + Generika
  • Ersthersteller: MSD Sharp & Dohme
  • Studien: Lovastatin Study Group III

Lovastatin war eines der Statine, mit dem Merck 1980 die ersten (Tierversuchs-) Studien begann. Da jedoch Sankyo eine Studie mit dem fast strukturgleichen Compactin wegen eines gehäuften Auftretens von Nebenwirkungen abbrach, beendete auch Merck vorerst die Studien.

Pitavastatin

  • Handelsnamen: Livalo, Pitava
  • Ersthersteller: Sankyo Pharmaceuticals Ltd.; Tokyo, Japan / Zydus Cadila - Indien

Pravastatin

  • Handelsnamen: Mevalotin / Pravasin / Pravachol + Generika
  • Ersthersteller: Sankyo Pharmaceuticals Ltd.; Tokyo, Japan / Bristol-Myers Squibb
  • Studien: ALLHAT

Rosuvastatin

  • Handelsnamen: Crestor
  • Ersthersteller: AstraZeneca / Shionogi
  • Studien: AURORA, COMET, JUPITER

Rosuvastatin ist der neueste Vertreter mit der vermutlich stärksten cholesterinsenkenden Wirkung. Das Profil der Nebenwirkungen entspricht grundsätzlich dem der anderen Statine. Für eine genaue Einschätzung von Nebenwirkungen und Wirkung bezüglich klinischer Endpunkte sind mehr Patientenjahre und eine längere Beobachtungszeit beim Einzelpatienten zu fordern.

Simvastatin

  • Handelsnamen: Gerosim, Zocor + Generika, SimvaHEXAL
  • Ersthersteller: MSD Sharp & Dohme, Hexal AG
  • Studien: 4S, Heart Protection Studie

Nebenwirkungen

Zu den schwerstwiegenden Nebenwirkungen aller bekannten Gruppen von Cholesterinsenkungspräparaten, auch von Statinen, gehören sogenannte toxische Myopathien, dabei handelt es sich um strukturelle und funktionelle Veränderungen der Skelettmuskulatur. Die schwerste Form einer toxischen Myopathie ist die Rhabdomyolyse, die sich unter anderem in einer vollständigen Lähmung aller vier Gliedmaßen äußert und häufig tödlich verläuft. In der Literatur sind bis zum Jahr 2003 ca. 3350 Fälle einer durch Lipidsenker ausgelösten Rhabdomyolyse beschrieben worden. Dabei ist die diesbezügliche Wirkstärke der verschiedenen Statine unterschiedlich. Mehr als 100 tödlich verlaufende Fälle von Rhabdomyolyse im Zusammenhang mit der Einnahme von Cerivastatin (Handelsname: Lipobay), insbesondere in der Kombination mit Gemfibrozil, führten im Jahr 2001 dazu, dass das Präparat vom Markt genommen werden musste. Die geringste Myopathie-Häufigkeit weist Fluvastatin auf, welches allerdings auch in der Höchstdosis eine der schwächsten lipidsenkenden Wirkungen zeigt.

Die australische Arzneimittelbehörde hat 2005 alle Statine von der Schwangerschaftskategorie C in die strengere Kategorie D umgeteilt. Damit werden publizierte Beobachtungen umgesetzt, dass Statine nicht nur im Tierversuch, sondern auch beim Menschen teratogene Wirkungen gezeigt haben, da Cholesterin ein essentieller Baustein für die fetale Entwicklung ist. Frauen, die schwanger sind, sollten demnach keine Statine mehr nehmen. In Deutschland sind Statine seit der Markteinführung für Schwangere als kontraindiziert eingestuft.

Mindestens 60 Fälle von totalem Gedächtnisverlust im Zusammenhang mit der Einnahme von Statinen sind in der Literatur beschrieben worden. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf ein Nachlassen der Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit sowie auf erhöhte Aggressivität und erhöhte Reizbarkeit im Zusammenhang mit der Einnahme von Statinen.

Einzelne Fallberichte deuten auf einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Statinen und dem Auftreten von nächtlichen Alpträumen hin.[4]

Als weitere mögliche Nebenwirkungen der Einnahme von Statinen werden genannt: Leberschäden, Kopfschmerz, Übelkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen, Sodbrennen, Blähungen, Bauchschmerz, Verstopfung, Durchfall, Gelenkschmerz, Lichtempfindlichkeit, Blutarmut, Nervenschädigung und Haarausfall.

Darüber hinaus werden genannt:

  • Häufig (1-10 %): Muskelschmerzen (Myalgien) und -krämpfe mit Anzeige eines Muskelschadens (Laborwerte), Magen-Darm-Störungen, grippeähnliche Beschwerden, Infektionen, Hauterscheinungen (Ekzeme).
  • Gelegentlich (weniger als 1 %): Hinweis auf Leberschaden (Laborwerte).
  • Selten: Störungen des sexuellen Reaktionsvermögens, Überempfindlichkeitsreaktionen

Gefäßentzündungen.

Statine können möglicherweise reduzierend in den körpereigenen Q10 Stoffwechsel eingreifen. Q10 führt als Nahrungsergänzung ggf. zum Rückgang der Muskelschmerzen. Neuere Untersuchungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen.[5]

Im Sommer 2006 wurden am New Yorker Supreme Court verschiedene Klagen gegen Pfizer, den Hersteller des meistverkauften Statins Atorvastatin (Handelsnamen: Lipitor, Sortis), eingereicht. Die Kläger sind der Auffassung, durch Nebenwirkungen des Präparats geschädigt worden zu sein, die Pfizer zur Steigerung seines geschäftlichen Erfolges nicht ausreichend deklariert hätte.[6]

Statine erhöhen das Risiko für Diabetes mellitus etwas. Eine Metaanalyse ergibt bei fast 100.000 Patienten ein gering erhöhtes Diabetesrisiko durch Statine um 9 Prozent bzw. einen zusätzlichen Diabetesfall pro 255 Patienten in vier Jahren. Andererseits errechne sich aus den Studien, dass durch die gleiche Therapie 5,4 tödliche und nicht-tödliche Herzinfarkte pro 255 Patienten in vier Jahren und pro 1mmol/l bzw. 40 mg/dl LDL-Senkung verhindert werden könne. Hinzu komme noch eine Abnahme von Schlaganfällen und revaskularisierenden Eingriffen, weshalb die Nutzen-Risiko-Relation für Statine gut sei. [7]

Markt

Lipitor® (Wirkstoff: Atorvastatin) ist das weltweit am Markt erfolgreichste Statin. Es erreicht im Jahr 2004 Umsätze von 10,7 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2007 wurde (laut Forbes.com) ein weltweiter Verkaufserlös von 12,8 Milliarden US-Dollar erzielt.

Einzelnachweise

  1. Aktories: Pharmakologie und Toxikologie, 9.Auflage
  2. Zhou Z, Rahme E, Pilote L. Are statins created equal? Evidence from randomized trials of pravastatin, simvastatin, and atorvastatin for cardiovascular disease prevention. Am Heart J. 2006 Feb;151(2):273-81, PMID 16442888.
  3. http://www.cardiovascular-medicine.ch/pdf/2007/2007-02/2007-02-053.PDF.
  4. Gregoor PJ: Atorvastatin may cause nightmares. In: BMJ. 332, Nr. 7547, April 2006, S. 950. doi:10.1136/bmj.332.7547.950. PMID 16627511. Volltext bei PMC: 1444869.
  5. Markus P. Look; Arzneiverordnung in der Praxis 2004; 31(3):64-65.
  6. http://sev.prnewswire.com/medical-pharmaceuticals/20060717/NYM15817072006-1.html.
  7. N. Sattar et al., Statins and risk of incident diabetes: a collborative meta-analysis of randomized statin trials. Lancet Online 17. Februar 2010, zitiert nach MMW-Fortschr. Med. Nr. 10/2010 (152. Jg.), S. 25.

Literatur

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  • statin — Any of a group of drugs that lower the amount of cholesterol and certain fats in the blood. Statins inhibit a key enzyme that helps make cholesterol. Statin drugs are being studied in the prevention and treatment of cancer …   English dictionary of cancer terms

  • statin — noun a medicine that lowers blood cholesterol levels by inhibiting HMG CoA reductase • Syn: ↑lipid lowering medicine, ↑lipid lowering medication, ↑statin drug • Hypernyms: ↑medicine, ↑medication, ↑medicament, ↑ …   Useful english dictionary

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