Stehende Welle

Stehende Welle

Eine stehende Welle (im engeren Sinne) entsteht aus der Überlagerung zweier gegenläufig fortschreitender Wellen gleicher Frequenz und gleicher Amplitude. Die Wellen können aus zwei verschiedenen Erregern stammen oder durch Reflexion einer Welle an einem Hindernis entstehen. Bei Wasserwellen siehe Clapotis.

Eine stehende Welle (schwarz) als Überlagerung zweier Wellen; die Wellenknoten sind rot dargestellt. Skizziert sind hinlaufende und reflektierte Welle in Rot bzw. Blau

Ein mechanisches Beispiel ist eine Seilwelle, bei der man ein Seilende auf und ab bewegt und so eine fortschreitende Welle im Seil erzeugt. Ist das andere Seilende befestigt, so wird die Welle dort reflektiert und läuft auf dem Seil zurück. Als Folge sieht man gar keine fortschreitende Welle mehr, sondern das Seil vollführt eine Schwingung, bei der bestimmte Stellen in Ruhe bleiben (Wellenknoten oder Schwingungsknoten), während andere mit großer Schwingungsweite (Amplitude) hin und her schwingen (Wellenbäuche oder Schwingungsbäuche).

Wassersportler auf der sogenannten stehenden Welle im Münchner Eisbach, die allerdings keine stehende Welle im physikalischen Sinne ist.

Umgangssprachlich wird auch die zeitlich feststehende Wellenform der Oberfläche einer laminaren Strömung als stehende Welle bezeichnet, wie sie z.B. in Fließgewässern durch Hindernisse unter Wasser verursacht wird. Hierbei handelt es sich jedoch im physikalischen Sinne weder um eine stehende Welle noch um eine Wasserwelle. Unter anderem werden solche Oberflächenformen in Wildwassersportarten wie dem Wildwasserpaddeln (vor allem Kanurodeo) genutzt. Bei den entsprechenden Wassersportlern mit Surfbrett handelt es sich daher auch nur umgangssprachlich um Wellenreiter.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Der Abstand zweier Wellenknoten oder zweier Wellenbäuche ist die halbe Wellenlänge der ursprünglichen fortschreitenden Welle.

Bei jeder stehenden Welle ist eine zweite Größe vorhanden, deren Wellenknoten und Wellenbäuche um eine viertel Wellenlänge gegenüber denen der ersten Größe verschoben sind. Bei der Seilwelle ist das die Geschwindigkeit des einzelnen Seilelements: am Ort eines Auslenkungsknotens ist ein Bauch (Maximum) der Geschwindigkeit, am Bauch der Auslenkung ein Knoten (Nullstelle) der Geschwindigkeit. Bei einer stehenden elektromagnetischen Welle sind die beiden Größen das elektrische und das magnetische Feld, bei der stehenden Schallwelle in einem Blasinstrument der Luftdruck und die Schallschnelle.

Wenn die stehende Welle mittels zweier gleichphasiger (synchron schwingender) Erreger erzeugt wird, befindet sich ein Wellenbauch genau in der Mitte zwischen ihnen, da die Wellen hier gleichzeitig eintreffen und sich stets gegenseitig verstärken. Eine Viertelwellenlänge hiervon entfernt beträgt die Zeitdifferenz des Eintreffens eine halbe Schwingungsperiode. Die Wellen sind hier gegenphasig und löschen sich aus, es entsteht ein Knoten. Durch Verallgemeinerung dieser Überlegung findet man die Bedingungen:

Bauch: Der Abstand d eines Schwingungsbauches vom Mittelpunkt ist ein Vielfaches der halben Wellenlänge.

d = n  \cdot \frac{\lambda}{2} \qquad \text{mit} \qquad n = 0, 1, 2, \dots

Knoten: Der Abstand d eines Schwingungsknotens vom Mittelpunkt ist ein Vielfaches der halben Wellenlänge plus ein Viertel.

d = \left(n + \frac{1}{2}\right)  \cdot \frac{\lambda}{2} \qquad \text{mit} \qquad n = 0, 1, 2, \dots

Die von der Welle transportierte Energie wird durch die Reflexion zurückgeworfen. Auf einem Wellenleiter mit durch vollständige Reflexion entstandener stehender Welle findet daher kein Energietransport statt. Wird die Welle nur teilweise reflektiert, so resultiert eine stehende Welle, die von einer fortschreitenden überlagert wird. In diesem Falle wird Energie transportiert.

Stehende Wellen zwischen zwei Reflektoren

Zwischen zwei Reflektoren können sich keine stehenden Wellen mit beliebiger Wellenlänge bilden. Alle möglichen Wellenlängen werden als Eigenfrequenzen oder Eigenresonanzen bezeichnet.

Welche Randbedingung dazu führt, dass die Wellenlängen nicht beliebig sein können, hängt von der Art der betrachteten Welle ab. Beispielsweise muss bei fest eingespannten Enden einer schwingenden Saite an beiden Enden jeweils ein Schwingungsknoten vorliegen, wie in der Abbildung unten gezeigt.

Bei einer stehenden elektromagnetischen Welle gilt, dass die elektrische Feldstärke am reflektierenden Leiter null sein muss, wohingegen die magnetische Feldstärke dort immer einen Schwingungsbauch besitzt. Bei der resultierenden elektromagnetischen Welle sind nun elektrisches Feld und magnetisches Feld um 90° phasenverschoben, wobei das E- und H- Feld der hin- bzw. rücklaufenden Welle phasengleich sind.

Bei einer stehenden (akustischen) Longitudinalwelle tritt an jeder reflektierenden Wand in einem Raum immer ein Schalldruckbauch auf; siehe Raummoden. In der Akustik interessiert überwiegend die Schallfeldgröße als Schalldruck.

Stehwellenverhältnis

Ein Maß für das Verhältnis von Wanderwellen zu stehenden Wellen auf einem elektrischen Leiter ist das Stehwellenverhältnis (englisch: standing wave ratio = SWR).

Betrachtung in mehreren Dimensionen

Man erhält eine stehende Welle im erweiterten Sinne, wenn man die Beschränkung auf eine Dimension fallenlässt. Dann ergibt sich zwischen zwei Wellenerregern eine stehende Welle, die sich räumlich verteilt. Man spricht dann allerdings nicht mehr von einer stehenden Welle, sondern von einem Interferenzmuster. Auf der Verbindungslinie zwischen den Erregern verhält es sich wie eine stehende Welle, jedoch sind ihre Knoten und Bäuche nun in den Raum fortgesetzt zu Interferenzminima (Knotenflächen) und Interferenzmaxima. Für die Bäuche (Maxima) gilt jedoch (bei Gleichphasigkeit der Erreger) immer noch die Bedingung d = n  \cdot \lambda. Für die Knoten (Minima) gilt weiterhin

d = \left(n + \frac{1}{2}\right) \cdot \lambda

Die Knotenflächen und Bauchflächen sind Hyperboloide, da eine Hyperbel gerade die geometrische Ortslinie aller Punkte ist, die von zwei festen Punkten eine konstante Abstandsdifferenz haben.

Anwendungen

Weitere Bilder

Durch Ultraschall (45 kHz) in der Schwebe gehaltene Wassertropfen.

Durch die Bewegung der Moleküle können auch größere Teilchen wie Wassertropfen bewegt werden. Die Tropfen sammeln sich in den Schwingungsknoten einer stehenden Welle, die sich aufgrund eines unterhalb der Tropfen angeordneten Schallreflektors ausbildet (Reflektor wurde nicht mitfotografiert). Der Abstand zwischen Wandlerstirnfläche und Reflektor muss passend zur Wellenlänge der Luft gewählt werden.

Siehe auch

Interferenz (Physik)

Weblinks


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