Stereotype

Stereotype
Dieser Artikel erläutert den Begriff Stereotyp im sozialwissenschaftlichen Kontext; zur Bedeutung in der Informatik siehe Stereotyp (UML), zu der in der Medizin siehe Stereotypie (Medizin), zu weiteren Bedeutungen siehe Stereotypie.

Der Begriff Stereotyp (abgeleitet vom Adjektiv stereotype = mit feststehender Schriftart/Type gedruckt; von griech. στερεός, stereós „fest, hart, haltbar, räumlich“ und τύπος, týpos „-artig“) tritt in verschiedenen Zusammenhängen mit unterschiedlicher Bedeutung auf. Allen Bedeutungen ist gemeinsam, dass ein gleichbleibendes oder häufig vorkommendes Muster bezeichnet werden soll. Ein Stereotyp kann als eine eingängige Zusammenfassung von Eigenschaften oder Verhaltensweisen aufgefasst werden, die häufig einen hohen Wiedererkennungswert hat, dabei aber in aller Regel für sich genommen den gemeinten Sachverhalt sehr vereinfacht. Somit steht es in engem Bedeutungszusammenhang zum Klischee oder Vorurteil.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Das Stereotyp ist ein interdisziplinär verwendeter Begriff verschiedener Fachrichtungen (Psychologie, Soziologie, Linguistik). In der Wissenschaft werden die Definitionen um das Wortfeld Stereotyp − Prototyp − Vorurteil − Klischee − Schema − Frame und weitere kontrovers diskutiert; es existiert keine grundsätzliche, allgemein akzeptierte Definition für den Begriff Stereotyp.

Am geläufigsten ist die Verwendung des Begriffes in einem sozialwissenschaftlichen Kontext. Hier beruhen Stereotype auf Abgrenzung und der Bildung von Kategorien um Personengruppen, denen Komplexe von Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden. Damit grenzen sie sich klar von Schemata ab, welche nicht primär soziale Informationen beinhalten (z. B. Prototypen). Stereotype sind des Weiteren (im Gegensatz zu Soziotypen) vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie oft besonders distinkte und offensichtliche Eigenschaften karikierend hervorheben und z. T. falsch verallgemeinern. Eine dermaßen vereinfachte Repräsentation anderer Personengruppen erleichtert die alltäglichen Interaktionen mit unbekannten Personen sehr. Durch äußere Merkmale (z. B. Alter, Kleidung, Auftreten, Geschlecht) ausgelöste Stereotype dienen als Hinweisstrukturen für erwartete und zu erwartende Verhaltensweisen (→ selbsterfüllende Prophezeiung ). Die dadurch gewährleistete Vereinfachung hat jedoch auch Nachteile und kann z. T. soziale Ungerechtigkeiten manifestieren. Sobald Merkmale wie das Geschlecht oder die Hautfarbe mit negativen Bewertungen besetzt sind, welche die Interaktionsmöglichkeiten von Personen in vielen Lebensbereichen deutlich begrenzen, spricht man von Vorurteilen.

In der Psychologie bezeichnet man Verhaltensweisen oder Bewegungen als Stereotype, die unabhängig von der konkreten Umweltsituation häufig und meist scheinbar sinnlos wiederholt werden.

In die soziologische Literatur eingeführt wurde der Begriff 1922 von Walter Lippmann. Seine Arbeit „Public Opinion" − Die Öffentliche Meinung − war bahnbrechend für die Stereotypenforschung.

Im Gegensatz dazu stehen Vorurteile − einerseits als abstrakt-allgemeine Vorurteile, andererseits als Einstellung gegenüber Individuen. Stereotype dagegen beinhalten nicht per se eine (negative oder positive) Bewertung, sie reduzieren Komplexität und bieten auch Identifikationsmöglichkeiten.

Karikatur 1870. Uncle Sam (als Symbol für die amerikanischen Werte): Was soll er mit ihnen anfangen? Stereotype Darstellung von Kanadiern und US-Amerikanern.

Psychologie

In der Psychologie übernimmt das Stereotyp verschiedene Aufgaben, als:

  • Orientierungssystem (vereinfachte Entscheidung für eine kognitive Ökonomie)
  • Anpassungssystem (in einer Gruppe werden Konflikte verringert)
  • System zur Aufrechterhaltung des Selbst (zur Selbstdefinition und Selbstverankerung)

Außerdem gibt es in Bezug auf Gruppen verschiedene Theorien:

  1. Komplexitäts-Extremitäts-Theorie: Je mehr Dimensionen ein Urteilsgegenstand hat, desto weniger extrem ist das Gesamturteil. Stereotype haben wenige Dimensionen und fallen deshalb eher extrem aus (positiv oder negativ).
  2. Reizklassifikationstheorie: Beim Zuordnen von Gegenständen in vorgegebene Kategorien wird der Unterschied in der Kategorie verkleinert, während er zwischen den Kategorien größer wird. Da Stereotype auf einer Urteilsverzerrung beruhen, tritt eben dieser Effekt auf.
  3. Theorie der vermuteten Merkmale: Den Mitgliedern der eigenen Gruppe werden eher positive, den Mitgliedern anderer Gruppen eher negative Merkmale zugeordnet. Stereotype heben die positiven Eigenschaften einer Gruppe noch hervor (oder auch die negativen).
  4. theoretischer Ansatz der Erwartungsabweichung: Es gibt bestimmte Merkmale, die man Gruppenmitgliedern zuschreibt − bei einer Abweichung ändert man seine Einstellung in die erfahrene Richtung. Stellt ein Beobachter fest, dass eine andere Person positiv von seiner Erwartung abweicht, wird er sie noch positiver beurteilen.

Beispiele: Japaner würden sich eher eine Hand abhacken lassen, als ein schlechtes Wort über ihre Firma zu verlieren. Franzosen sind die besten Liebhaber. Stolz wie ein Spanier. Temperamentvoll wie Italiener. Geizig wie Schotten. Polen stehlen. Engländer trinken um 5 immer Tee. Deutsche sind fleißig. Jeder Türke heißt Mohammed, Ali oder Murat. Wissenschaftler haben weißes, zerzaustes Haar.

Literatur

In der Literatur kann man sich nicht darauf einigen, wo Stereotype zuzuordnen sind: Sind es besondere Haltungen, Überzeugungen oder verbale Ausdrücke von Überzeugungen? Einig ist man sich dagegen, was die Merkmale von Stereotypen anbelangt:

  • der Gegenstand von Stereotypen sind bestimmte Gruppen von Menschen, zweitrangig auch die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen
  • ein Individuum lernt Stereotype als Ausdruck der öffentlichen Meinung durch die Erziehung der Familie oder des Milieus, unabhängig von seiner persönlichen Erfahrung
  • in Bezug auf die wertende Funktion des Stereotyps ist es immer emotional geladen (positiv oder negativ)
  • ein Stereotyp ist entweder völlig tatsachenwidrig oder enthält nur partiell Tatsachen, wodurch es den Anschein erweckt, völlig wahr zu sein
  • Stereotype sind dauerhaft und resistent gegen Veränderungen, weil sie unabhängig von der Erfahrung und emotional geladen sind, vernünftige Argumente zeigen kaum Wirkung
  • die soziale Funktion besteht darin, die von einer Gruppe/Gesellschaft akzeptierten Werte und Urteile zu verteidigen (ein Individuum, das dieser Gruppe angehören möchte, sollte diese Werte als soziale Norm verinnerlichen)
  • der Stereotypeninhalt kann durch ein Wort aktiviert werden
  • Stereotype sind immer verbal, sie sind linguistisch immer ein Satz (oder mehrere Sätze)

Siehe auch

Literatur

  • Hahn, Hans Henning / Hahn, Eva: Nationale Stereotypen, in: Hahn, Hans Henning (Hg.): Stereotyp, Identität und Geschichte, Frankfurt a.M. 2002, S. 17-56.
  • Gerstenberger, Debora, Iberien im Spiegel frühneuzeitlicher enzyklopädischer Lexika Europas. Diskursgeschichtliche Untersuchung spanischer und portugiesischer Nationalstereotypen des 17. und 18. Jahrhunderts (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 110), Stuttgart (Franz Steiner) 2007. ISBN 978-3-515-09051-3
  • Heringer, Hans Jürgen: Interkulturelle Kommunikation, Tübingen: UTB 2004, ISBN 3-8252-2550-X
  • Walter Lippmann: Public Opinion, 1922, dt.: Die öffentliche Meinung, hrsg. von Elisabeth Noelle-Neumann, Bochum: Brockmeyer 1990, ISBN 3-88339-786-5 (auch als online-text)
  • William Anthony Nericcio, Tex[t]-Mex. Seductive Hallucinations of the "Mexican" in America, University of Texas Press, 2006, ISBN 0-292-71457-2
  • Petersen, Lars-Eric / Six, Bernd: Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung: Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim: Beltz, 2008, ISBN 978-3-621-27645-0.
  • Gisela Steins: Identitätsentwicklung - Die Entwicklung von Mädchen zu Frauen und Jungen zu Männern, Lengerich, Pabst Science Publishing, 2003
  • W. Stroebe/K. Jonas/M. Hewstone: Sozialpsychologie, Heidelberg: Springer 2002, ISBN 3-540-42063-0

Weblinks


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