Steviolglycosid

Steviolglycosid
Strukturformel
Allgemeines
Name Steviosid
Andere Namen

19-O-β-D-Glucopyranosyl- 13-O-[β-D-glucopyranosyl(1→2)- β-D-glucopyranosyl]-steviol

Summenformel C38H60O18
CAS-Nummer 57817-89-7
Kurzbeschreibung farblose Prismen [1]
Eigenschaften
Molare Masse 804,90 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

238–239 °C [1]

Löslichkeit

löslich in Wasser (0,8 g/l), Dioxan und Alkohol

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung
Gefahrensymbol unbekannt
unbekannt
R- und S-Sätze R: ?
S: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Steviosid ist im ein Glycosid des Diterpens Steviol aus den Blättern der Stevia-Pflanze (Stevia rebaudiana bertoni, eine von ca. 200 Stevia-Arten weltweit) und als solches ein natürlicher Süßstoff. Im weiteren Sinn ist es das durch Extraktion entstehende Gemisch aller, bisher 10 entdeckter, in den Blättern vorkommender Süßstoffe, wobei Steviosid fast immer den größten Anteil hat.

Inhaltsverzeichnis

Chemie

Strukturformel des Aglycons Steviol.

Steviosid weist ein tetracyclisches ent-Kauran-Diterpen-Grundgerüst auf, dessen Carboxylgruppe an C-18 mit der 1β-Hydroxylgruppe einer D-Glucopyranose verestert ist, während die Hydroxylgruppe an C-13 glycosidisch mit dem Disaccharid Sophorose (2-O-β-Glucopyranosyl-D-glucose) verknüpft ist.[1] Es lässt sich enzymatisch in das Aglycon Steviol und drei Moleküle Glucose spalten.[1]

Eigenschaften

Steviosid ist in der Reinform ein feines, hellgelbliches bis weißes Pulver, ähnlich wie Puderzucker. Wegen der einfacheren Dosierbarkeit gibt es verschiedene Flüssiglösungen von dünner bis leicht zähflüssiger Konsistenz. Die Farbe der Lösungen ist klar und hellgelblich bis farblos.

Eigenschaften als Süßstoff

Die Süßkraft hat eine sehr große Bandbreite vom etwa 70-fachen bis zum etwa 450-fachen von Zucker. Diese hängt von folgenden Faktoren ab:

  • vom Anteil der einzelnen Süßstoffe am Gemisch
  • von der Reinheit, d.h. wie viel die gesamten Süßstoffe an der Gesamtmasse ausmachen
  • vom pH-Wert der Zubereitung, in welcher das Steviosid verwendet wird
  • von der maximalen Temperatur, der das Steviosid ausgesetzt wird (je höher die Temperatur, umso niedriger die Süßkraft)

Das Geschmacksprofil ist idealerweise fast das von Zucker, da Zucker (Saccharose) die Referenz für alle anderen Süßmittel ist; jedoch gibt es hier sehr große Unterschiede. Es schmeckt - die richtige Dosierung vorausgesetzt - idealerweise neutralsüß und vollmundig. Der Geschmack hält etwas länger an als bei Zucker. Zu hoch dosiert schmeckt Steviosid unangenehm bitter. Hierbei ist jedoch zu unterscheiden zwischen dem vorgenannten Bittergeschmack und einem bitteren Bei- oder Nachgeschmack, der bei minderen Qualitäten meistens auftritt, auch bei richtiger Dosierung.

Die nächstwichtigeren Einzel-Süßstoffe nach dem Steviosid sind Rebaudiosid A + C und Dulcosid A. Außerdem gibt es noch Rebaudiosid B + D-F sowie Steviolbiosid.

Steviosid ist nahezu Kalorienfrei und gärt nicht in Zubereitungen, wie etwa Getränken. Es ist Karies- und zahnbelaghemmend, hitzebeständig bis ca. 200° C und damit auch zum Kochen und Backen geeignet. Steviosid ist geschmacksverbessernd und -verstärkend, weshalb es auch in Sauerkonserven, Senf u. v. a. Produkten eingesetzt wird. Es hat kein Abhängigkeitspotenzial.

Die Reinheit liegt zwischen ca. 85 und 99,99 %, wobei die Endverbraucher-Produkte meist eine Reinheit zwischen 90 und 95 % aufweisen. Der Rest besteht aus anderen Pflanzenbestandteilen sowie Restfeuchtigkeit. Der Anteil an der Blätter-Trockenmasse variiert je nach Anbaubedingungen und Züchtung zwischen 4 und 20 % (alle Süßstoffe zusammen).

Der Anteil der Einzel-Süßstoffe an der Steviosid-Gesamtmasse kann sehr stark variieren, was wiederum sehr großen Einfluss auf die Qualität und den Geschmack hat. Rebaudiosid A hat den besten Geschmack und die höchste Süßkraft, bis ca. 450-fach, weshalb es in Premiumprodukten oft einen deutlich höheren Anteil als das Steviosid hat (bis ca. 98 % an der Gesamtmasse). Je mehr Rebaudiosid A enthalten ist, umso besser der Geschmack, umso höher die Qualität und meistens umso höher der Preis.

Toxikologie

Die mittlere letale Dosis von Steviosid für Hamster, Ratten, und Mäuse liegt bei >15 g/kg Körpergewicht. Das Aglycon Steviol führt bei Hamstern bei der mittleren letalen Dosis von 5,2 g/kg Körpergewicht zu akutem Nierenversagen.[2] Aus einer zweijährigen Studie zur chronischen Toxizität und Cancerogenität von Steviosid bei Ratten wurde ein erlaubte Tagesdosis (ADI) für Menschen von 7,9 mg pro kg Körpergewicht abgeleitet.[3] Im Juni 2008 hat das Expertenkomitee für Lebensmittelzusatzstoffe der WHO/FAO (JECFA) einen ADI-Wert für Steviosid von 0–4 mg pro kg Körpergewicht festgelegt.

Eine Nachfolgestudie des gleichen Expertenkomitees im Jahr 2006 berichtete von Untersuchungen mit Stevia-Extrakten an Tieren und Menschen und schlussfolgerte, dass Steviosid und Rebaudiosid A nicht genotoxisch sind, weder in vitro noch in vivo, und dass die Genotoxizität von Steviol und einigen seiner Derivate, die sich in vitro zeigen, in vivo nicht auftreten. Die Studie fand auch keinen Nachweis einer krebserzeugenden Wirkung. Auch wurde auf den möglichen positiven gesundheitlichen Nutzen hingewiesen, den Stevioside bei Patienten mit Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes haben könnten, allerdings wären weitere Studien erforderlich, um die genaue Dosierung zu erforschen.[4]

Verschiedene frühere Studien mit Stevia-Extrakten berichteten über Effekte auf das männliche Reproduktionssystem, wie reduzierte Spermatogenese, vermindertes Gewicht der Samenbläschen und interstitielle Zellwucherung in den Hoden.[5][6] Die Blätter von Stevia rebaudiana wurden von paraguayanischen Indianern in Tee als Kontrazeptivum für Männer benutzt. Extrakte von Stevia rebaudiana (10 ml eines 5 %igen Extrakts), die Ratten im Trinkwasser gegeben wurden, verursachten Perioden der Unfruchtbarkeit von bis zu zwei Monaten.[7] Eine zielgerichtete organische Toxizität auf das männliche Reproduktionssystem, die schließlich die Fruchtbarkeit beeinflussen könnte, kann aufgrund der bisher durchgeführten Tierstudien nicht ausgeschlossen werden.

Recht

Steviosid ist in der EU nicht als Süßstoff zugelassen. Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuß der EU-Kommission (SCF) hat in einer Stellungnahme vom 17. Juni 1999 erklärt, dass die Sicherheitsstudien zu Steviosid nicht ausreichen, um eine Unbedenklichkeit zu belegen.[8][9] Auch die Steviapflanze selbst sowie ihre (getrockneten) Blätter wurden von der EU-Kommission aus diesem Grund nicht als neuartige Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten (Novel Food-Verordnung) zugelassen.[10] Offiziell darf Stevia-Extrakt und Steviosid als Süßstoff in Lebensmitteln in einigen südamerikanischen und asiatischen Ländern wie Brasilien, Südkorea oder Japan, sowie in der Schweiz eingesetzt werden. In den USA ist die Verwendung von Steviosid als Süßstoff in Lebensmitteln von der Food and Drug Administration (FDA) verboten, jedoch ist der Verkauf als Nahrungsergänzungsmittel ("dietary supplement") zulässig.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c d e Thieme Chemistry (Hrsg.): Römpp Online. Version 3.1. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2008.
  2. Toskulkao, C. et al. (1997): Acute toxicity of stevioside, a natural sweetener, and its metabolite, steviol, in several animal species. In: Drug Chem. Toxicol. Bd. 20, S. 31–44. PMID 9183561
  3. Xili, L. et al. (1992): Chronic oral toxicity and carcinogenicity study of stevioside in rats. In: Food Chem. Toxicol. Bd. 30, S. 957–65. PMID 1473789
  4. D.J. Benford, DiNovi, M., Schlatter, J.: Safety Evaluation of Certain Food Additives: Steviol Glycosides. (PDF – 18 MB) In: WHO Food Additives Series. 54World Health Organization Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA), 2006, S. 140
  5. Yamada A. et al. (1985): Chronic toxicity study of dietary Stevia extracts in F344 rats. In: J. Food Hyg. Soc. Japan. Bd. 26, S. 169–183.
  6. Melis, M.S. (1999): Effects of chronic administration of Stevia rebaudiana on fertility in rats. In: J. Ethnopharmacol. Bd. 67, S. 157–161. PMID 10619379
  7. Mazzei-Planas, G. & Kuć, J. (1968): Contraceptive properties of Stevia rebaudiana. In: Science. Bd. 162, S. 1007. PMID 5698837
  8. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der EU-Kommission zur Verwendung von Steviosiden als Süßstoffe PDF Übersetzung
  9. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der EU-Kommission zu Stevia Rebaudiana Bertoni Pflanzen und Blätter PDF
  10. Entscheidung 2000/197/EC der Kommission vom 22. Februar 2000 über die Zulassungsverweigerung von Stevia rebaudiana Bertoni: Pflanzen und getrocknete Blätter als neuartige Lebensmittel oder neuartige Lebensmittelzutaten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates (Amtsblatt der EG Nr. L 61 vom 08. März 2000) PDF

Literatur

  • Geuns, J.M. (2003): Stevioside. In: Phytochemistry. Bd. 64, S. 913-921. PMID 14561506 PDF

Siehe auch

Weblinks


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