Stiftskirche (Neustadt an der Weinstraße)

Stiftskirche (Neustadt an der Weinstraße)
Stiftskirche in Neustadt an der Weinstraße (der Kamin vor dem kleinen Dachreiter markiert die Trennungslinie; links davon ist der katholische Bereich mit Dachreiter, rechts der protestantische Teil mit den beiden Türmen)
Die Stiftskirche vom Marktplatz gesehen
Langhaus und Chorbereich der Stiftskirche; vom Dachreiter aus nach hinten erstreckt sich der katholische Kirchenteil
Evangelischer Teil mit dem expressionistischen Mosaik von August Babberger
Chor der Stiftskirche Neustadt mit dem Hochaltar der Jesuiten

Die gotische Stiftskirche St. Ägidius in Neustadt an der Weinstraße ist das größte Gotteshaus der pfälzischen Stadt, die im Mittelalter eine der Residenzen der Kurpfalz war. Die Doppelkirche verfügt durch das nachträgliche Einfügen einer Trennwand über einen katholischen und einen protestantischen Teil.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Kirche steht im Zentrum der Stadt. Mit dem Chor konventionell nach Osten ausgerichtet, schließt sie den mittelalterlichen Marktplatz nach Norden zum Kartoffelmarkt hin ab. Mit ihren beiden unterschiedlichen Türmen ist sie ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt.

Geschichte

Baugeschichte

Pfalzgraf Rudolf II., verfügte testamentarisch die aus dem 13. Jahrhundert stammende Pfarrkirche St. Ägidius, seiner Residenz Neustadt an der Weinstraße, in eine Memoria - also eine Gebets- und Gedenkstätte - für das Haus Wittelsbach umzuwandeln und wünschte dort begraben zu werden. Nach seinem Tode am 4. Oktober 1353 bestattete man ihn wunschgemäß vor dem Altar der Neustadter Pfarrkirche St. Ägidius.[1]

1356 stiftetete der Nachfolger, Kurfürst Ruprecht I., aufgrund des testamentarischen Willens seines Bruders Rudolf II. das Liebfrauen-Kollegiatstift Neustadt, als Memoria für die gemeinsame Familie.[2] In der Gründungsurkunde bezeichnete Kurfürst Ruprecht als Motivation, neben dem vordergründigen Zweck der Grablege und Memoria, ausdrücklich die Sorge um einen möglichst feierlichen, häufigen und gottgefälligen Gottesdienst in Neustadt.[3] Er ließ die romanische Pfarrkirche St. Ägidius im gotischen Stil umbauen, vergrößern und mit einem prachtvollen Chor nach Osten hin erweitern. Der Chorbereich dieses neuen Gotteshauses, der heutigen Neustadter Stiftskirche, wurde laut einer Pfeilerinschrift 1368 begonnen.

Der Hauptaltar der neuen Kirche rückte jetzt ein gutes Stück nach Osten und der Platz vor dem Altar der alten Pfarrkirche, wo Rudolf II. begraben worden war, befand sich nunmehr am Übergang vom Langhaus zum neuen Chorbereich. An dieser Stelle begrub man 1377 auch Rudolfs 2. Ehefrau Pfalzgräfin Margarete von Sizilien-Aragon, an der Seite ihres Gatten. Als „Liebfrauenkirche“ wurde das neue Gotteshaus St. Maria geweiht, die traditionell als Patronin des Hauses Wittelsbach gilt; der Heilige Ägidius trat als Nebenpatron in den Hintergrund. Die 15 Stiftsherren mit einem Dekan an der Spitze hatten täglich für das Fürstenhaus Wittelsbach zu beten, die Messe zu zelebrieren und an jeweiligen Todestagen verschiedener Familienmitglieder, feierliche, ewige Jahrgedächtnisse (Seelenmessen am Todestag) zu feiern. Für manche Fürstlichkeiten waren eigene „Seelenwärter“ bestellt, die sich gebetsmäßig hauptsächlich um die Seele eines bestimmten Verstorbenen kümmerten.[4]

Auch der Gründer, Kurfürst Kurfürst Ruprecht I. und seine Gemahlin Beatrix von Berg ließen sich in der Stiftskirche begraben, jedoch bereits im neuen Chor. Ihre Gräber befinden sich dort im Mittelgang, kenntlich durch Bronzeinschriften.

1556 führte Kurfürst Ottheinrich die Reformation in der Kurpfalz ein und verbot den katholischen Kult. Das Stift leistete unter seinem letzten Dekan Laurentius Kercher zähen Widerstand, wurde aber 1566 endgültig aufgelöst und ging an die neue protestantische Pfarrei über. Damit geriet auch der Stiftungszweck als Gebetsstätte für die Verstorbenen des Hauses Wittelsbach in Vergessenheit. Die Pfälzer Kurfürsten wechselten mehrfach ihr Bekenntnis zwischen evangelisch-lutherisch und reformiert; mit ihnen musste auch das ganze Land und die Stiftskirchengemeinde in Neustadt jeweils das Bekenntnis wechseln.[5]

Schließlich gewährten die mittlerweile wieder katholisch gewordenen Kurfürsten dem früheren Glauben die freie Ausübung und ließen die wenigen Katholiken in Neustadt ab 1700 von den Jesuiten betreuen. Die Stiftskirche wurde ab jetzt simultan genutzt. Die kurpfälzische Religionsdeklaration von 1705[6] bestimmte in § 17, dass in Oberamtsstädten wie Neustadt, wo sich nur eine Kirche und nicht mehrere befänden, diese durch eine Scheidemauer zu unterteilen sei, wobei der Chor stets den Katholiken, das Kirchenschiff aber den Protestanten zufalle.[7] Entsprechend verfuhr man auch in Neustadt; am 21. November 1705 sprach man den Katholiken das alleinige Nutzungsrecht am Chor des Gotteshauses zu, während die Protestanten das größere Langhaus mit den Türmen erhielten. 1707/08 trennte man gemäß dem Landesgesetz beide Teile der Stiftskirche mit der heute noch existierenden Mauer voneinander ab (jetzige Rückwand des katholischen Kirchenbereichs). Die Jesuiten ließen im katholischen Teil (Chor der Gesamtkirche) den prächtigen barocken Hochaltar fertigen, dessen obere Gelbglas-Gloriole dem Apsisaltar des Petersdomes in Rom nachempfunden ist und sie nahmen das stiftungsgemäße Gebetsgedenken für das Haus Wittelsbach wieder auf. In dieser Zeit wirkten hier herausragende Männer, wie der weltweit bekannte Moraltheologe Pater Edmund Voit oder Pater Jakob Baegert, zuvor Indianermissionar in Amerika, der in Neustadt eine umfangreiche Landesbeschreibung Kaliforniens verfasste, die dort zu den grundlegenden historischen Quellenwerken zählt.

Epitaphien von Kurfürst Ruprecht I. (links) und seiner Gattin Beatrix von Berg (rechts); die Gräber befinden sich im Mittelgang des Chores und sind zur Schonung der Originale mit neuzeitlichen Steinplatten abgedeckt
Segnung der Gräber von Kurfürst Ruprecht I. und seiner Gattin Beatrix von Berg, bei der Wiederaufnahme der Stifterintention am 31.Oktober 2010
Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz, Gemälde an der Chordecke
Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz, Gemälde an der Chordecke

Das Marienpatrozinium wurde 1862 auf die von König Ludwig I. (Bayern) großteils finanzierte, benachbarte Marienkirche übertragen. Die katholische Pfarrgemeinde Neustadt hatte sie erbaut, da ihr der Chor der Stiftskirche zu klein geworden war. So trat der alte Patron St. Ägidius wieder in den Vordergrund des nunmehr eher selten genutzten katholischen Chores.

Die Aufteilung der Stiftskirche dauert bis heute an. Eine kürzlich geplante Entfernung der Trennmauer wurde zwischenzeitlich aufgegeben, da man zu dem Schluss kam, dass sich beide Kirchenteile seit 1707 getrennt weiterentwickelt haben (der katholische Teil ist beispielsweise barockisiert) und da sich auf der protestantischen Seite der Trennmauer ein wertvolles Mosaik von August Babberger, aus dem frühen 20. Jahrhundert befindet. Zwischenzeitlich wurde der katholische Teil durch das zuständige Bistum Speyer seiner diözesanen Gemeinde des tridentinischen Ritus übergeben, die dort dauerhaft angesiedelt bleiben soll.[8]

Der Dekan des Liebfrauenstifstes Neustadt bekleidete in vorreformatorischer Zeit an der Universität Heidelberg automatisch das Amt eines der 4 Konservatoren, die als Rat des Kanzlers über die akademischen Rechte und Freiheiten wachten.[9]

Weil mit dem Kirchenneubau in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auch die Gründung einer eigenen Stiftsschule verbunden gewesen war, wählte 1964 das älteste Gymnasium Neustadts den Namen des Erbauers Kurfürst Ruprecht.

Grablege und Memoria

In der Stiftskirche sind fünf Mitglieder der Fürstenfamilie Wittelsbach bestattet:

Laut dem erhaltenen 1. Seelbuch des Liebfrauenstiftes bestehen dort außerdem ewige Messtiftungen (Jahrgedächtnisse) für insgesamt 12 Wittelsbacher. Neben den bereits aufgeführten, in der Kirche bestatteten (mit Ausnahme von Margarete von Sizilien-Aragon) sind dies:[10]

In der Zeit der Jesuiten kam noch ein Jahrgedächtnis hinzu, für:

Ein zweites Seelbuch, das evtl. noch weitere Wittelsbacher Messstiftungen enthielt, ging nach der Auflösung des Stiftes verloren.

In den gotischen Chor der Stiftskirche ist ein „Jüngstes Gericht“ gemalt. Neben Engeln, Seligen und Verdammten, sind dort vier Wittelsbacher Fürstlichkeiten mit ihren Wappen dargestellt, die Christus kniend anbeten. Es handelt sich um Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz und seine Gemahlin Elisabeth von Hohenzollern-Nürnberg, sowie ihren Sohn Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz mit seiner ersten Gattin Blanca von England. Die Gemälde sind zeitgenössisch, vom Beginn des 15. Jahrhunderts, waren in der Reformationszeit übertüncht und wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder freigelegt. Sie sind immens wertvoll als authentische Bildquelle zu den dargestellten Personen der mittelalterlichen Deutschen bzw. Pfälzischen Geschichte.[11]

Das Gotteshaus besaß einen berühmten Reliquienschatz, der neben vielerlei Heiligen- und Apostelreliquien zwei Dorne aus der Dornenkrone, ein Stückchen vom Trinkschwamm Jesu von Golgotha, einen kostbar gefassten Kreuzpartikel mit Blutspuren Jesu, sowie einen Teil des Schleiers enthalten haben soll, den Maria bei der Kreuzigung trug und der deshalb mit Christi Blut bespritzt war. Als ihre Hauptstifter sind Kurfürst Ruprecht I. und der mit ihm befreundete König Ludwig I. von Ungarn überliefert. Die Heiligtümer wurden gewöhnlich in der dafür besonders ausgebauten Erdgeschoßkapelle des Südturmes, unter strengem Verschluss aufbewahrt und befanden sich in einem kostbaren Behältnis; zu gewissen Tagen erfolgte ihre feierliche Ausstellung.[12]

Wegen der aus Ungarn nach Neustadt verschenkten Reliquien führt das Seelbuch neben den Wittelsbacher-Jahrgedächtnissen auch zwei weitere, für König Ludwig I. von Ungarn und dessen Frau Elisabeth von Bosnien als besondere Wohltäter des Stiftes auf. Es sind die Eltern der Hl. Hedwig von Anjou.[13]

Neuweihe des in seinen früheren Zustand zurückversetzten Hochaltars im kath. Kirchenteil, am 17. Oktober 2010

Die im katholischen Kirchenteil 2010 angesiedelte Gemeinde des tridentinischen Ritus ließ die ursprüngliche Stifterintention als Memoria des Pfalz-Bayerischen Herrscherhauses wieder aufleben und fasste die alten Messtiftungen, gemäß geltendem Kirchenrecht, zu 2 festlichen Gottesdienstterminen im Jahr zusammen. Sowohl der Chef des Hauses Wittelsbach, Franz Herzog von Bayern, als auch Alois Konstantin Fürst zu Löwenstein, dessen Familie aus dem Geschlecht Wittelsbach hervorging, haben reges Interesse daran bekundet.[14][15] Die Wiederaufnahme der Stifterintention erfolgte durch eine feierliche „Wittelsbachermesse“ im tridentinischen Ritus am 31. Oktober 2010, an der Alois Konstantin Fürst zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg und seine Gattin Anstasia, eine geborene Prinzessin von Preußen, als Ehrengäste teilnahmen und anschließend im Rahmen eines Festaktes im Rathaus begrüßt wurden.

Renovierung

Ab November 2010 beginnt eine längst überfällig gewordene Renovierung des evangelischen Teils der Kirche, der somit für mindestens ein Jahr geschlossen bleibt.

Die Renovierung des katholischen Kirchenteils - besonders des Dachbereiches - dauert ebenfalls noch an. Im Inneren sind die Arbeiten weitestgehend beendet und das Gotteshaus wird seit der Neuweihe des Hochaltares durch Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, am 17.Oktober 2010, bereits wieder regelmäßig für Gottesdienste genutzt.

Architektur und Ausstattung

Dreifaltigkeitsdarstellung, sogenannter Gnadenstuhl, südliche Chorkapelle, um 1420

Gebäude

Die Stiftskirche gilt als ein bedeutendes Kirchenbauwerk der Pfalz. Sie stellt eine dreischiffige, kreuzrippengewölbte Basilika dar und besitzt einen auffallend langgestreckten fünfjochigen Chor mit dreiseitigem Schluss. Ursprünglich war der Bau in drei Teile untergliedert, den prunkvollen Stiftschor, den einfacheren Pfarrchor und das basilikale dreischiffige Langhaus.

Zusammen mit dem schon genannten „Jüngsten Gericht“ an der Chordecke des katholischen Kirchenteils wurde Ende des 19. Jahrhunderts, an der Südwand der südlichen Chorkapelle, ein gemalter Gnadenstuhl aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts freigelegt.

1928 fanden Umbauarbeiten nach Plänen des Karlsruher Architekten Hermann Alker statt. Das Chormosaik im evangelischen Teil entstand in diesem Jahr, nach dem Entwurf von August Babberger, gefertigt von der Firma Puhl & Wagner in Berlin-Neukölln. In den Jahren 1928 und 1929 entstanden ebenso mehrere Glasfenster nach den Entwürfen Babbergers.

Glocken

Das Geläute der Stiftskirche besteht aus sieben Glocken, die im Jahre 1949 vom Gussstahlwerk Bochumer Verein gegossen wurden. Die Glocken hängen an gekröpften Stahljochen und in Stahlglockenstühlen; sie besitzen Gegengewichtsklöppel und Läutemaschinen der Firma Herforder Elektro-Motorenwerke. Die Kaiser-Ruprecht-Glocke ist mit rund 14 Tonnen Gewicht die größte läutbare Gussstahlglocke der Welt und die zweitgrößte Kirchenglocke Deutschlands nach der St. Petersglocke im Kölner Dom. Die derzeit stillgelegte Glocke ist nach Ruprecht I. benannt. Die Läuteordnung gibt ein dreimaliges Gebetsläuten um 8, 12 und 19 Uhr vor. Samstags wird anstelle der Abendbetglocke mit vier Glocken der Sonntag eingeläutet. Das Vollgeläut erklingt nur an hohen Festtagen. Sterbefälle verkündet die Kurfürstenglocke mittags um 13 Uhr für 5 Minuten. Der Uhrschlag ist auf alle Glocken verteilt: Die Glocken des Südturmes schlagen in melodischer Form die Viertelstunden, die beiden Nordturmglocken schlagen jeweils die vollen Stunden nacheinander.[16]

Nr.
 
Name
 
Funktion
 
Gussjahr
 
Gießer
 
Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Nominal
(HT-1/16)
Turm
 
1 Ruprecht („Kaiserglocke“) Festtagsglocke 1949 Bochumer Verein 3210 14000 es0 –7 Nord
2 Kurfürsten Sonntags- und Totenglocke 1949 Bochumer Verein 2550 7350 g0 –4 Nord
3 Zacharias Ursinus Zeichenglocke, sonntags 1949 Bochumer Verein 2140 4260 b0 Süd
4 Martin Luther Abendbetglocke, 19 Uhr 1949 Bochumer Verein 1910 3100 c1 Süd
5 Ulrich Zwingli Mittagsbetglocke, 12 Uhr 1949 Bochumer Verein 1605 1760 es1 Süd
6 Johannes Calvin Vaterunser- und Morgenbetglocke, 8 Uhr 1949 Bochumer Verein 1430 1270 f1 Süd
7 Pfalzgrafen Taufglocke 1949 Bochumer Verein 1275 910 g1 Süd

Orgeln

Protestantischer Kirchenteil

Im Zuge der Renovierung des protestantischen Kirchenteils wurde die dort installierte Orgel im November 2010 abgebaut und nach Geenemuide (Niederlande) transportiert, wo sie in einer neuen Kirche wiederverwendet werden soll. Diese Orgel wurde 1970 von dem Orgelbauer Oberlinger in Windesheim bei Bad Kreuznach gefertigt. Sie besitzt 51 klingende Register, die sich auf drei Manuale und ein Pedal verteilen. Die Disposition ist von der Orgelbewegung geprägt, versucht jedoch auch romantischer Musik Rechnung zu tragen. Das Pfeifenwerk steht auf mechanischen Schleifladen mit elektrischer Registertraktur. Außerdem befindet sich im zweiten Manual ein Zimbelstern. Ein Glockenspiel war geplant, kam aber nicht zur Ausführung. Das dritte Manual war als Schwellwerk gedacht, dessen Jalousien allerdings fehlerhaft waren und wieder ausgebaut wurden. Das fehlerhafte Setzersystem Oberlingers wurde 2007 auf den neusten Stand gebracht. Trotzdem war die Orgel zuletzt stark überarbeitungsbedürftig.

Oberlinger hatte die Orgel gemäß den denkmalschützerischen Anforderungen so konstruiert, dass die Sicht auf das prächtige Westfenster der Kirche offen bleibt und der Kirchenraum trotz der Orgel von Licht durchflutet wird. Aus Denkmalschutzgründen war es 1970 untersagt, die Emporenbrüstung zu durchbrechen. Außerdem sollte einem Chor genügend Platz auf der Empore zur Verfügung stehen. Der Spieltisch stand deshalb in Richtung Westfenster, sodass für den Organisten das Spielen in der Mittagszeit schwierig bisher war. Um das Fenster frei zu lassen, musste Oberlinger das damalige Schwellwerk (III) und die Positiv (II) rechts und links an die Orgelempore setzen, da ein Rückpositiv aus oben genannten Gründen nicht gebaut werden konnte. Hinter den beiden Werken wurde der Pedalprospekt angeordnet. Die großen Pfeifen des im Prospekt stehenden Prinzipalbaß 16' besaßen einen so kleinen Fuß, dass dieser das Gewicht der Pfeife nicht trägt. Einige Füße knickten, obwohl sie nachträglich verstärkt wurden. Diese Pfeifen wurden im Juni/Juli 2009 erneuert. Im Hintergrund standen links das Pedalwerk und rechts das Hauptwerk (I).

Über den Werken befanden sich dazu noch tiefe Gewölbe. In diesen wurde der Ton so reflektiert, dass der Ton nicht nur ins Kirchenschiff, sondern vor allem zurück zur Orgel gelangte. Somit hörte man im Kirchenschiff nur 70 % des Klangvolumens auf der Empore, was durch die tiefliegenden Labien noch begünstigt wurde. Durch das Entfernen des Putzes in der Kirche wurde der Klang besser, allerdings war er auch zuletzt nicht optimal.

Zur Optimierung des Klanges konnten früher die Deckel des Hauptwerkes im Sinne eines Dachschwellers hochgefahren werden. Wegen des dünnen Sperrholzes, das als Deckel verwendet wurde, und der anderen Verarbeitungsfehler versagte diese Hilfskonstruktion indessen ebenfalls.

Katholischer Kirchenteil

Der katholische Teil der Stiftskirche erhielt unter Pfarrer Josef Hanß (1915-1925) eine gebrauchte Orgel der Firma Walcker, die ursprünglich 1879, als Opus 363 für die Präparandenschule in Blieskastel gebaut wurde. Das Instrument ist eine Rarität, da es sich noch im alten Originalzustand befindet. Es gehört der deutsch-romantischen Stilrichtung an und besitzt sechs Register auf mechanischen Kegelladen.[17][18] Die Orgel wurde in Blieskastel unter Federführung des Komponisten und späteren Speyer Domkapellmeisters Joseph Niedhammer angeschafft, der als Seminarlehrer sehr oft darauf spielte, unterrichtete und komponierte.[19]

1935 baute man im hinteren Bereich des katholischen Kirchenteils eine aufgekaufte, barocke Empore aus Rheinsheim ein und installierte darauf die Walcker-Orgel, verblendet mit einem Barock-Prospekt des Orgelbauers Franz Ignaz Seuffert von 1788, ebenfalls aus der Kirche von Rheinsheim/Baden.[20]

Literatur

  • Franz Xaver Remling:"Urkundliche Geschichte der ehemaligen Abteien und Klöster im jetzigen Rheinbayern", Band 1, 1836; Scan aus der Quelle
  • Lukas Grünenwald:„Wittelsbachische Denkmäler und Jahrgedächtnisse in der Stiftskirche zu Neustadt an der Haardt“ ; in Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, Band XIX, Speyer, 1895
  • Beton : […] Die Erneuerung der Stiftskirche a.d. Haardt. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Jahrgang 15 (1931), Heft 11/12, urn:nbn:de:kobv:109-opus-8391, S. 501–504. (Elf Abbildungen)
  • Alban Haas:Aus der Nüwenstat. Vom Werden und Leben des mittelalterlichen Neustadt an der Haardt. Selbstverlag, Neustadt/Weinstr. 1951 (1. Auflage; Untertitel ab der 2. Auflage – 1964 – abgeändert in „Neustadt an der Weinstraße“)
  • Gerhard Berzel: Die Stiftskirche und die Marienkirche Neustadt an der Weinstraße 1368/1860. Selbstverlag, Neustadt an der Weinstraße 2006. ISBN 3-926775-45-9.
  • Paul Habermehl:Die Neustadter Pfarrchronik der Jesuiten, Seiten 60-61, Historischer Verein der Pfalz, 2008

Weblinks

 Commons: Stiftskirche Neustadt an der Weinstraße – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Quelle nach Johann Goswin Widder, Versuch einer vollständigen Geographisch-Historischen Beschreibung der Kurfürstlichen Pfalz am Rheine, Band 2
  2. Zum Gründer des Stiftes und zum Stiftungszweck der Memoria für das Haus Wittelsbach
  3. Kurfürst Ruprecht über seine zusätzlichen Beweggründe zur Gründung des Stiftes Neustadt/Weinstraße
  4. Quelle zu einem Neustadter Seelenwärter für Kurfürstin Beatrix von Berg
  5. Zur Einführung der Reformation in der Kurpfalz
  6. Zur Kurpfälzischen Religionsdeklaration von 1705
  7. Friedrich Burkhardt und Paul Habermehl:Die Neustadter Pfarrchronik der Jesuiten, Seiten 60-61, Historischer Verein der Pfalz, 2008
  8. Offizielle Seite der Katholischen Pfarrei mit Bericht zur Ansiedlung der Gemeinde des Tridentinischen Ritus
  9. Quelle zum Amt des Neustadter Stiftsdekans an der Universität Heidelberg
  10. Lukas Grünenwald:„Wittelsbachische Denkmäler und Jahrgedächtnisse in der Stiftskirche zu Neustadt an der Haardt“ ; in Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, Band XIX, Speyer, 1895
  11. Foto des „Jüngsten Gerichtes“ im Chor der Stiftskirche Neustadt/Weinstraße
  12. Zum Neustadter Reliquienschatz
  13. Lukas Grünenwald:„Wittelsbachische Denkmäler und Jahrgedächtnisse in der Stiftskirche zu Neustadt an der Haardt“ ; in Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, Band XIX, Speyer, 1895, Seite 140
  14. Zu den Wittelsbacher-Gedenkgottesdiensten
  15. Zur Verbindung mit dem Fürstenhaus zu Löwenstein
  16. Videoaufnahme des Uhrschlags (YouTube, 1′24″)
  17. Webseite im Walcker-Portal zur Neustadter Orgel
  18. Literaturquelle zur Orgel Walcker Opus 363
  19. Zum Wirken von Joseph Niedhammer an der Präparandenschule Blieskastel
  20. Die Empore mit dem Seuffert’schen Orgelprospekt
49.3541388888898.136425

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