Stunde null

Stunde null

Der Begriff Stunde Null fand Anwendung auf den 8. Mai 1945 und den frühesten Abschnitt der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland. Er ist auf den Moment der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht bezogen.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Ausdruck „Stunde null“ stammt eigentlich aus der Planungssprache von Organisationen, klassisch des Militärs. Er meint allgemein die ausschlaggebende Uhrzeit, zu der eine neuartige Ereigniskette abzulaufen beginnt. Ein Manöverbefehl könnte entsprechend lauten: „Abmarsch 04:15. Erreichen des Punktes P in null plus 3 Stunden.

Kontroverse Verwendung

Historisch-politisch wird in Deutschland der Zeitpunkt der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und somit der Niederlage des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg am 9. Mai 1945, 0 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit, metaphorisch als „Stunde Null“ bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt trat für alle Fronten die Kapitulation in Kraft.[1] Wann der Begriff erstmalig auftauchte, ist kaum noch zu ermitteln. Vermutlich geschah dies, als sich ein Konzept des „Wiederaufbaus“ abzuzeichnen begonnen hatte (siehe Nachkriegszeit). Der Titel von Roberto Rossellinis Film von 1948 Deutschland im Jahre Null hat vermutlich die Verbreitung des Ausdrucks gefördert.

Um dieses Schlagwort „Stunde Null“ gibt es seit seinem Auftreten in der Nachkriegszeit viel Begriffspolemik. Es wurde zeitkritisch und z. T. sozialhistorisch betont, durch den Verlust der Selbstbestimmung des deutschen Volkes unter der Militärbesatzung ab 1945 habe auch die (alte) deutsche Gesellschaft aufgehört zu existieren, ihre alten Werte seien damals sämtlich als widerlegt empfunden worden, und so habe eine Tabula-rasa-Situation geherrscht, von der ab „alles“ habe neu entwickelt werden müssen. Andere Stimmen sagen, dass es keine „Stunde Null“ gegeben habe, da sich die Mentalität der deutschen Gesellschaft nur langsam und nur teilweise innovativ geändert habe (radikalste Position: da sie sich gar nicht geändert habe). So sprach Altbundespräsident Richard v. Weizsäcker am 8. Mai 1985, dass es keine „Stunde Null“ gegeben habe, sondern lediglich einen „Neubeginn“.[2]

Eher könnten viele unterschiedliche und keinesfalls flächendeckende „Stunden null“ für das Deutschland der Nachkriegszeit ausgemacht werden. So könnten Familien (z. B. nach einem Wiederzusammenfinden von Eltern und Kindern unter ganz neuen Lebensanforderungen), Firmen (z. B. nach der Neuaufnahme der „Friedensproduktion“), Literaturformen neu auftretender Schriftsteller (z. B. die „Trümmerliteratur“ – vgl. Wolfgang Borchert), Kunstformen neu auftretender Künstler (nach der Rehabilitation der von den Nazis als „entartet“ diffamierten Kunstrichtungen – vgl. die erste Dokumenta 1955), Institutionen (z. B. der „Suchdienst“ des Deutschen Roten Kreuzes) und Parteien (hier z. B. die CDU und CSU als katholisch-evangelische Koalitionsparteien) ihre jeweils eigene „Stunde null“ erlebt haben. Insbesondere die Währungsreform am 20. Juni 1948 wurde von vielen Deutschen als ein großer Einschnitt (vgl. Anastrophe), aus sozialhistorischer Sicht auch als Zutagetreten einer „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ gesehen.

Einzelnachweise

  1. In Berlin-Karlshorst wurde um 0:16 Uhr die bedingungslose Kapitulation noch einmal unterzeichnet und damit endgültig vollzogen, siehe Bild.
  2. Rede Weizsäckers

Literatur

  • Michael Falser: 1945–1949: Die › Stunde Null ‹, die Schuldfrage, der ›Deutsche Geist‹ und der Wiederaufbau in Frankfurt a. Main. In: Ders.: Zwischen Identität und Authentizität. Zur politischen Geschichte der Denkmalpflege in Deutschland. Thelem Verlag, Dresden 2008, ISBN 978-3-939-888-41-3, S. 71-97.
  • Uta Gerhardt: Soziologie der Stunde Null. Zur Gesellschaftskonzeption des amerikanischen Besatzungsregimes in Deutschland 1944–1945/6, Suhrkamp, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-518-29368-0.
  • Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes – Die Stunde Null in bisher unbekannten Manuskripten. wjs-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-937-98900-5.

Siehe auch


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Synonyme:

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