Störfall

Störfall

Als Störfall bezeichnet man gemeinhin eine Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes einer technischen Anlage, insbesondere der chemischen Industrie, oder eines Kernkraftwerkes. Bestimmungsgemäßer Betrieb ist der Betrieb, für den die Anlage technisch ausgelegt und von der zuständigen Behörde genehmigt ist.

Im juristischen Sinne ist der Begriff des Störfalls für verschiedene technische Anlagen bzw. Betriebe unterschiedlich definiert.

Inhaltsverzeichnis

Kerntechnik

In der Kerntechnik ist ein Störfall gemäß § 3 der Strahlenschutzverordnungein Ereignisablauf, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind.“ Er unterscheidet sich vom Unfall dadurch, dass sich die Auswirkungen auf die Anlage beschränken. Auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) entspricht ein Störfall in einer kerntechnischen Anlage der Stufe 2, ein Ernster Störfall der Stufe 3. Stufe 0 entspricht Pannen, die keine oder nur sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung haben. Ereignisse der Kategorie 1 sind Störungen, also Abweichungen vom normalen Betrieb ohne radiologische Auswirkung. In Kernkraftwerken wird bei einem Störfall meist als erste Gegenmaßnahme eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst, und meist treten auch weitere Sicherheits-Systeme in Aktion.

Chemieindustrie

Gesetzlicher Hintergrund

In der chemischen Industrie sowie sonstigen Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, aber auch für öffentliche Körperschaften (mit Ausnahme von Einrichtungen der Landesverteidigung), gelten in Deutschland die Vorschriften der 12. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz - Störfallverordnung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 33 vom 16. Juni 2005 S. 1598). Hier sind die wesentlichen Anforderungen an die Betreiber von Betriebsbereichen bzw. Anlagen, die unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung fallen, definiert (u. a. bestehen Pflichten zur Erstellung von Sicherheitskonzept, Sicherheitsmanagement, Sicherheitsbericht, Betriebliche Alarm- und Gefahrenabwehrpläne sowie zur Information der Öffentlichkeit).

Definition

Gemäß dieser Verordnung ist ein Störfall definiert als „ein Ereignis, wie z. B. eine Emission, ein Brand oder eine Explosion größeren Ausmaßes, das sich aus einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs in einem unter diese Verordnung fallenden Betriebsbereich oder in einer unter diese Verordnung fallenden Anlage ergibt, das unmittelbar oder später innerhalb oder außerhalb des Betriebsbereichs oder der Anlage zu einer ernsten Gefahr oder zu Sachschäden nach Anhang VI Teil 1 Ziffer I Nr. 4 der Störfallverordnung führt und bei dem ein oder mehrere gefährliche Stoffe beteiligt sind“. Eine ernste Gefahr ist definiert als „eine Gefahr, bei der das Leben von Menschen bedroht wird oder schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen von Menschen zu befürchten sind, die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen beeinträchtigt werden kann oder die Umwelt, insbesondere Tiere und Pflanzen, der Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- oder sonstige Sachgüter geschädigt werden können, falls durch eine Veränderung ihres Bestandes oder ihrer Nutzbarkeit das Gemeinwohl beeinträchtigt würde.

Die gefährlichen Stoffe sind dabei in der Verordnung selbst genannt. Betriebsbereiche bzw. Anlagen, für die die Verordnung zur Anwendung kommt, sind solche, für die Mengenschwellen vorhandener gefährlicher Stoffe bestimmte, in der Verordnung definierte Grenzwerte überschreiten.

Der Begriff Störfall aus der Störfallverordnung beschreibt damit Ereignisse mit Auswirkungen auch auf die Umgebung einer Anlage, während sich in der Kerntechnik Störfälle auf den Bereich der Anlage beschränken.

Was die Sicherheits-Vorkehrungen gegen solche Störfälle (Chemiesicherheit) anbelangt, spricht man hier v.a. auch von "Zweit-Barrieren": z.B. Rohre mit Doppelmantel, Tankwannen oder abgedichtete Schutzbauwerke sollen Freisetzungen gefährlicher Stoffe wenn immer möglich vermeiden. Nicht ausreichender Schutz besteht allerdings teils gegen Explosions- und Brandlasten.[1]

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. Sonderseite des Bieler Tagblatt (Schweiz) vom 6. Oktober 1993 zu den Störfall-Vorkehrungen von Ciba

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Störfall — Störfall,der:Havarie+GAU …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Störfall — Unglück; Unfall; Betriebsstörung; Ausfall * * * Stör|fall 〈m. 1u〉 schwere Funktionsstörung in einer großen Industrieanlage, bes. in einem Atomkraftwerk ● im Kühlsystem des Reaktors ereignete sich ein Störfall * * * Stör|fall: in der Chemie Bez.… …   Universal-Lexikon

  • Störfall-Verordnung — Die Störfallverordnung (StöV, StFV) oder Industrieunfallverordnung (IUV, Österreich) ist eine Verordnung, die den Schutz von Mensch und Umwelt vor den Folgen von Störfällen in Industrieanlagen gewährleisten soll. Sie setzt die Anforderungen der… …   Deutsch Wikipedia

  • Störfall (Christa Wolf) — In dem Buch Störfall der Autorin Christa Wolf aus dem Jahr 1987 geht es zum einen um den Reaktorunfall von Tschernobyl sowie zum anderen um die Gehirnoperation des jüngeren Bruders der Erzählerin. Beides trifft auf einen Tag, so dass sich die… …   Deutsch Wikipedia

  • Störfall-Verordnung — Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (12. BImSchV) vom 26.4.2000 (BGBl I 603) m.spät.Änd.; gehört ebenfalls u.a. zum Arbeitsschutzrecht (⇡ Arbeitsschutz). Die Verordnung bezweckt in besonderem Maße eine Vorsorge… …   Lexikon der Economics

  • Störfall — Stö̲r·fall der; ein Defekt, eine Störung in einer technischen Anlage (besonders einem Atomkraftwerk) …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Störfall — Stör|fall (besonders in einem Kernkraftwerk) …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Störfall-Kommission — beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zur Beratung der Bundesregierung zu bildende Kommission, die gutachtlich Möglichkeiten zur Verbesserung der Anlagensicherheit aufzeigen soll. In die St. K. sind der… …   Lexikon der Economics

  • Bethe-Tait-Störfall — Der Bethe Tait Störfall ist ein extremer Störfall in einem nuklearen Brutreaktor. Beim Bethe Tait Störfall wird das gleichzeitige Ausfallen aller Hauptkühlmittelpumpen und aller Abschaltsysteme angenommen, so dass es zu einer Reaktivitäts und… …   Deutsch Wikipedia

  • Bethe-Tait-Störfall —   [ teɪt ; nach H. A. Bethe und dem amerikanischen Physiker J. H. Tait], Reaktortechnik: ein schwerer Störfall in einem natriumgekühlten Brutreaktor (Brüten), ausgelöst durch den gleichzeitigen Ausfall sämtlicher Hauptkühlmittelpumpen und das… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”