Baityl

Baityl

Steinkult und Steinverehrung (Litholatrie) waren in der Antike weit verbreitet. D. Müller vermutet, dass Steine schon in der Jungsteinzeit als Repräsentanten von Gottheiten galten und damit Kultsteine waren.[1] In diesem Sinne deuten manche Forscher auch die Obelisken im alten Ägypten.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung und Begriffe

In der Antike verehrten verschiedene Völker im Mittelmeerraum Steine, besonders in der phönizischen Religion im Rahmen des Ba'al-Kults. Auf Griechisch nannte man diese Steine baitýlia oder baítyloi; davon ist das deutsche Wort Bätyle abgeleitet (daneben kommen in der deutschsprachigen Literatur auch die Bezeichnungen Bätylien, Baitylien und Betyle vor). Dieser Begriff ist erstmals im 2. Jahrhundert n. Chr. bei Herennios Philon (Philon von Byblos) bezeugt. Er ist abgeleitet von aramäisch bet el („Haus Gottes“, vgl. hebräisch Bet-El). Der entsprechende Ausdruck in der punischen Sprache lautet Abaddir.

Manche Bätyle waren Meteoriten. Sie waren entweder den Göttern geweiht oder wurden selbst als göttlich betrachtet. Die Herkunft der Meteoriten „vom Himmel“ war bekannt.[2] Herennios spricht von „beseelten Steinen“ (líthoi émpsychoi).[3] Unter den griechischen Göttern war Apollon am engsten mit dem Steinkult verbunden.[4] Auch der Name des Gottes Hermes (griechisch ἕρμα herma: „Felsen“, „Stein“, „Ballast“) deutet auf einen Zusammenhang mit einem Steinkult.

Wie ihre Nachbarvölker kannten auch die Israeliten Steine mit kultischer Bedeutung. So sind Türpfosten (Ex 12,22 EU) mit dem Wort Gottes (Mesusa), Torsteine (1 Kön 7,28 EU), Grenzsteine (Gen 31,52 EU), Grabsteine (Gen 35,14 EU) und unbehauene Altarsteine (Ex 20,25 EU) bekannt.

Berühmte Bätyle

  • der schwarze Stein in der Kaaba in Mekka, der schon in vorislamischer Zeit verehrt wurde.
  • der auf einen goldenen Sockel gestellte schwarze, viereckige, unbehauene Stein des Gottes Dusares, den die Nabatäer in Petra verehrten.
  • * der Stein von Bet-El (nördlich von Jerusalem), den die Kanaaniter als Wohnsitz des Gottes El verehrten und der im 1. Buch Moses als Erscheinungsort der Jakobsleiter erwähnt wird.
  • der Stein des Zeus Kasios in Seleukia Pieria (Syrien).
  • der Stein von Emesa (Homs in Syrien), der dem Gott Elagabal heilig war. Durch den römischen Kaiser Elagabal wurde der Kult dieses Gottes 219 in Rom als Staatskult eingeführt und der Stein dorthin überführt. Nach der Ermordung des Kaisers 222 wurde der Stein nach Emesa zurückgebracht.
  • der Stein des Mondgottes Sin in Harran (Nordsyrien, heute Türkei).
  • der in Silber gefasste schwarze Stein der Göttermutter Kybele von Pessinus in Phrygien, der auf Veranlassung eines Orakels der Sibylle 205/204 v. Chr. nach Rom gebracht und dort in einem eigenen Tempel auf dem Palatin untergebracht wurde.
  • der Meteor von Aigospotamoi auf der Chersonesos in Thrakien.
  • der dem Gott Apollon heilige, von einem Flechtwerk aus Wolle bedeckte Stein Omphalos im Apollon-Heiligtum von Delphi.
  • der ebenfalls in Delphi aufgestellte Stein, den nach dem Mythos die Göttin Rhea dem Gott Kronos übergab. Kronos verschlang den Stein im Glauben, es sei sein Sohn Zeus. Später zwang Zeus Kronos, den Stein auszuspucken, und stellte den Stein in Delphi auf.
  • der Stein des Zeus in der Stadt Gythio, dem Hafen von Sparta.

Sardinien

Der Bätyl von Pischinainos

Auf Sardinien wird eine bestimmte Form prähistorischer Menhire als Baityloi bezeichnet. Ob die mit Steinkisten, Felsen- und Gigantengräbern vergesellschafteten Menhire von Pranu Muteddu auch dazu zählen, ist offen.

Es handelt sich meist um schlanke, granatenartig aussehende Steine, die aufrecht stehen. Einige haben Löcher anstelle der Augen, andere haben Brüste. Einer hat ein menschliches Antlitz. Fundstätten sind unter anderem:

Durch Zahnfriese (zinnenförmige Ausbildungen oberhalb der Zugänge) und Eintiefungen ist belegt, dass sie zunächst als Dreiergruppe über dem Portal von Gigantengräbern (Madau) und Felsengräbern der jüngeren Generation (Campu Luntanu) ihren Platz fanden. In Tamuli stehen sechs Bätyle neben den Überresten mehrerer Gigantengräber. Manche Autoren sehen darin einen Beleg für ein Pantheon (Heiligtum) von drei männlichen und drei weiblichen Gottheiten.[5]

Literatur

  • Uta Kron: Heilige Steine. In: Heide Froning (Hrsg.): Kotinos. Festschrift für Erika Simon. von Zabern, Mainz 1992, ISBN 3-8053-1425-6, S. 56–70. 
  • Matthias Bärmann (Hrsg.): Das Buch vom Stein - Texte aus 5 Jahrtausenden. Jung & Jung, Salzburg und Wien 2005, ISBN 3-902497-02-5, S. 7–58 (insbesondere Kap. I–IV). 
  • Giovanni Lilliu/Hermanfrid Schubart: Frühe Randkulturen des Mittelmeerraumes. Korsika, Sardinien, Balearen, Iberische Halbinsel. Holle, Baden-Baden 1979, ISBN 3-87355-192-6
  • Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom - europäische Kultplätze der Steinzeit. Beier und Beran, Langenweißbach 2003, ISBN 3-930036-70-3

Siehe auch

Weblinks

Anmerkungen

  1. D. W. Müller, Artikel Menhire, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 19 (2001) S. 532 (mit Abbildung einer Ritzzeichnung der "Dolmengöttin" auf einer jungsteinzeitlichen Menhirstele). Müller hält einen "kultischen Umgang" mit den Menhiren für plausibel.
  2. Martin Persson Nilsson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 1, 3. Auflage, München 1967, S. 201.
  3. Herennios wird zitiert von Eusebius von Caesarea, Praeparatio evangelica 1.10.23.
  4. Nilsson S. 204.
  5. Rainer Pauli: Sardinien, 7. Auflage, Ostfildern 1990, S. 234: „Papst Gregor I. schrieb noch 594 n. Chr. über die Sarden in der Barbagia: "Barbaricini omnes, ut insensata animali vivant, Deum verum nesicant, ligna autem lapides adorent". Sie leben wie seelenlose Tiere, wissen nichts von Gott und beten Steine und Hölzer (Menhire und Idole) an.“

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