Baldemar von Peterweil

Baldemar von Peterweil

Baldemar von Petterweil, auch Baldemar Fabri (* um 1330 vermutlich in Frankfurt am Main; † 1382 in Frankfurt am Main) war ein im 14. Jahrhundert lebender Kanonikus des Stiftes St. Bartholomäus in Frankfurt am Main.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Baldemar von Petterweil hatte einen Bruder namens Hertwig und eine Schwester namens Gela.[1] Der Nachname und die Stellung Baldemars als Kanonikus des damals schon traditionsreichen und bedeutsamen Bartholomäusstifts legt nahe, dass bereits ihre Vorfahren aus dem nahen Ort Petterweil, heute ein Stadtteil von Karben, eingewandert waren und das Bürgerrecht erworben hatten.

So nennt das früheste erhaltene Bürgerbuch Frankfurts im Jahre 1311 einen Zuwanderer namens Wilhelmus de Petirwil. Es bleibt die einzige Erwähnung eines Bürgers aus diesem Ort für mehrere Jahrzehnte.[2] Es wäre somit möglich, dass Wilhelmus, auch unter Berücksichtigung der Altersabstände, der erste Spross der Familie Petterweil in Frankfurt und der Vater von Baldemar war. Dies ist allerdings urkundlich unbewiesen.

Ferner gibt es zahlreiche urkundliche Erwähnungen, vor allem in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die auf eine Verbundenheit weiterer Familienmitglieder mit dem Stift St. Bartholomäus hindeuten.[3] Gemäß Johann Georg Battonn, der aus einer nur kryptisch abgekürzten, wohl privaturkundlichen Quelle nicht wörtlich zitiert, war Baldemars Bruder sogar Chorherr des Stifts.[4]

Mit seinen Geschwistern lebte Baldemar auf einem an der Schnurgasse, gegenüber der Ziegelgasse gelegenen, unbenannten Hof, der sich somit im Umfeld des großen Nürnberger Hofs befand. Von seinem Leben ist außer seiner urkundlich verbürgten Stiftungstätigkeit nahezu nichts bekannt. So stiftete er zusammen mit seinen Geschwistern mit einem Zins des vorgenannten Hofs 1379 die Vikarie der Heiligen Dreifaltigkeit, der sein Bruder nach seinem Tod im Jahr 1382 noch zwei an ihre Behausung angrenzende Häuser hinzufügte.[5]

Battonn führt, basierend auf der vorgenannten privaturkundlichen Quelle, weiter aus, dass Baldemar 1364 auch das Haus zum rothen Hahn an der damaligen Ecke Frohnhofstraße / Predigerstraße (beide nach dem Zweiten Weltkrieg aufgehoben bzw. überbaut) erwarb. Es diente ab 1379 dem Vikar der von ihm begründeten Stiftung als Wohnsitz und wechselte erst im 16. Jahrhundert wieder den Besitzer, als die Stiftung infolge der Reformation einging.

Werk

Baldemar fertigte eine große Menge historischer Aufzeichnungen an, die ein über seine eigentliche Tätigkeit hinausgehendes Interesse an der Stadtgeschichte vermuten lassen. So schrieb er wichtige Informationen über den Dombrand von 1349 und den Empfang römisch-deutschen Kaiser im Dom im nach ihm benannten Liber Baldemari nieder. Das wichtige Quellenwerk ging wohl im frühen 19. Jahrhundert verloren, da z. B. Battonn für sein Hauptwerk Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main noch aus ihm schöpfen konnte, es 1884 aber bereits als Verlust bezeichnet wird.[6]

Ein weiteres bemerkenswertes Werk Baldemars ist eine über 4 Meter lange Dirigierrolle mit Rollentexten und Darstelleranweisungen zum Frankfurter Passionsspiel aus dem Jahre 1350. Da vergleichbare Texte der Zeit nur fragmentarisch überliefert sind, handelt es sich dabei um das früheste vollständig erhaltene Schriftstück dieser Art im deutschen Raum.

Von historisch größter Bedeutung ist sein im selben Jahr niedergeschriebener Liber censuum. Im Prinzip handelt es sich dabei nur um ein Verzeichnis der Einkünfte des Domstifts, das Baldemar aber sehr ausführlich fasste und in vier Teile zerfällt. Der erste beschreibt die Einkünfte nach Monatsdaten geordnet, der zweite nach Orten, von denen sie stammen, der dritte nach Vikarien und der vierte nach Ämtern der betreffenden Geistlichen. Den vier Teilen geht eine Einführung mit einer Erklärung des Zwecks des Buchs sowie ein ausführliches Straßenregister voraus. Auf Basis des Textes kann somit die Ausdehnung, Topographie und teils auch soziale Struktur der Frankfurter Altstadt Mitte des 14. Jahrhunderts nachvollzogen werden. Es ist damit der älteste bekannte Frankfurter Text dieser Art überhaupt.

Trotz seiner Bedeutung wurde das Buch bis heute weder in voller Länge transkribiert, geschweige übersetzt und veröffentlicht. Ludwig Heinrich Euler und zuletzt Heinrich von Nathusius-Neinstedt haben sich im 19. Jahrhundert immer nur mit der Einleitung und dem darin enthaltenen Straßenverzeichnis beschäftigt,[7] nicht aber mit den teils sehr reichen topographischen Angaben der vier nachfolgenden Hauptteile des Buchs, die oft bestimmte Orte oder Häuser in Frankfurt das erste Mal überhaupt erwähnen.

Bei Battonn finden sich zumindest größere Auszüge in lateinischer Sprache abgedruckt. Ohnehin war er offenbar ein großer Bewunderer Baldemars, wie Friedrich Siegmund Feyerlein ausführt[8] und da sich in Battonns Nachlass auch ein kommentiertes Transkript des Straßenverzeichnisses fand. Demnach sollte das Verzeichnis ursprünglich Battons unvollendet gebliebenen und erst in den 1860er Jahren zur Veröffentlichung gelangten Mammutwerk zur Frankfurter Topographie vorweggedruckt werden. Dies erscheint logisch, war er doch doch wie Baldemar Kanonikus des Stiftes St. Bartholomäus, und die Umsetzung hätte die Perfektion einer uralten Idee zum Ausdruck gebracht.

War der Liber censuum vor der Zerstörung der gesamten Altstadt im Zweiten Weltkrieg noch Maß dafür, wie erstaunlich wenig sich der innerste Stadtkern in den fast 600 Jahren seit Baldemars Niederschrift verändert hatte, ist sein Werk heute eher Zeugnis einer lange vergangenen Zeit. Andere Hinterlassenschaften beschäftigen auch in der Gegenwart noch die Forschung, wie die erst 1997 erschienene wissenschaftliche Bearbeitung seiner Dirigierrolle zum Passionsspiel zeigt.

Literatur

  • Ludwig Heinrich Euler: Des Canonicus Baldemar von Peterweil Beschreibung der kaiserlichen Stadt Frankfurt am Main aus dem XIV. Jahrhundert. In: Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt a. M.. Verein für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt a. M. (Selbstverlag), Frankfurt am Main 1858, S. 51 - 110
  • Dr. Heinrich von Nathusius-Neinstedt: Baldemars von Peterweil Beschreibung von Frankfurt. In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. K. Th. Völckers Verlag, Frankfurt am Main 1896, S. 1 - 54
  • Johannes Janota: Frankfurter Dirigierrolle, Frankfurter Passionsspiel. Mit den Paralleltexten der „Frankfurter Dirigierrolle“, des „Alsfelder Passionsspiels“, des „Heidelberger Passionsspiels“, des „Frankfurter Osterspielfragments“ und des „Fritzlarer Passionsspielfragments“. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1997, ISBN 3-484-19081-7

Anmerkungen

  1. diese und alle nachfolgenden Angaben, sofern nicht explizit abweichend belegt, aus: Baldemars von Peterweils Beschreibung von Frankfurt. In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. K. Th. Völckers Verlag, Frankfurt am Main 1896, S. 1 - 54
  2. Dietrich Andernacht, Otto Stamm: Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt 1311 - 1400 und das Einwohnerverzeichnis von 1387. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1955, S. 1 ff.
  3. Johann Friedrich Boehmer, Friedrich Lau: Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt. Verlag Joseph Baer & Co, Frankfurt am Main 1901 - 1905, Band II; Urkunden Nr. 525, 550,575,581, 619, 682 (Johann bzw. Hennekin, Vikar an St. Bartholomäus, 1335 - 1339); Urkunden Nr. 9, 23, 26, 30, 36, 37, 50, 55, 57, 61, 102, 109, 127, 141, 207, 214, 215, 244, 260, 277, 298, 306, 326, 335 (Reinhard, Kantor an St. Bartholomäus 1315 - 1328)
  4. Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main - Band III. Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1863, S. 153 & 154
  5. Urkunden über diese Tätigkeit finden sich bei Stephan Alexander Würdtwein: Dioecesis Moguntina in Archidiaconatus Distincta Commentationibus Diplomaticis Illustrata. Mannheim 1771, S. 604 & 605
  6. Richard Froning: Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen des Mittelalters. Verlag Carl Jügel, Frankfurt am Main 1884, S. XIII
  7. siehe Literatur
  8. Ansichten, Nachträge und Berichtigungen zu Anton Kirchners Geschichte der Stadt Frankfurt am Mayn von einem Halbwisser. Frankfurt am Main 1809, S. 137

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