Sölring

Sölring
Das Sylterfriesische und seine friesischen Nachbardialekte

Sölring (auch Sylterfriesisch, veraltet Syltring) ist einer der zehn Hauptdialekte der nordfriesischen Sprache. Er wird traditionell auf der Insel Sylt gesprochen und gehört zum inselfriesischen Zweig des Nordfriesischen.

Inhaltsverzeichnis

Sprache

Als nördlichster nordfriesischer Dialekt, der bereits in der ersten friesischen Einwanderungswelle etwa ab dem Jahr 800 entstand, war das Sylterfriesische einem relativ starken jütischem Einfluss unterworfen und weist eine entsprechend alte Schicht jütischer Lehn- und Substratwörter auf. Zudem hat das Sölring viele Entwicklungen der übrigen Dialekte nicht oder nur teilweise mitgemacht. Die typisch nordfriesische Senkung von i zu a entwickelte sich auf Sylt beispielsweise in der Regel nur bis zum e (vergleiche Sölring fesk, Fering fask, „Fisch“).

Im nominalen Genus des Sylterfriesischen sind – wie im Niederländischen – das Maskulinum und Femininum gegenüber dem Neutrum zusammengefallen (di - „der“/„die“, dit – „das“). Dieses System teilt das Sölring innerhalb des Nordfriesischen nur mit dem Helgoländer Dialekt. Es gibt auf Sylt sogar die Tendenz, dass alle drei Genera wie etwa im Englischen zusammenfallen. Diese Entwicklung wurde aber wahrscheinlich durch den zunehmenden Einfluss des Hochdeutschen aufgehalten. Ebenfalls nur mit dem Halunder teilt das Sölring die Eigenschaft, nur eine genusübergreifende Einheitsform beim Possessivpronomen zu kennen (z.B. min - „mein“), während die übrigen nordfriesischen Mundarten unterschiedliche Formen für das Maskulinum einerseits und das Femininum und Neutrum andererseits kennen.[1]

Das Sylterfriesische gilt als die nordfriesische Mundart, in der sich Dualpronomina am längsten - bis ins 20. Jahrhundert hinein - halten konnte. Im Gegensatz zu den anderen Mundarten wies das Sölring den Dual neben der 1. (wat - „wir beide“; unk - „uns beiden“) und der 2. Person (at - „ihr beide“; junk - „euch beiden“) auch in der 3. Person auf (jat - „die beiden“), allerdings nur in der Subjektform.

Dialektliteratur

Eine herausragende Stellung unter den nordfriesischen Mundarten hat das Sölring auf dem Gebiet der Literatur. Die sylterfriesische Literatur gilt als die umfassendste und ausgebauteste nordfriesische Dialektliteratur. Auch wenn kein sylterfriesisches Literaturzeugnis aus der Zeit vor 1800 überliefert ist, waren die Sylter Dichter danach häufig Vorreiter in der literarischen Entwicklung. Es wird angenommen, dass dies durch den früh einsetzenden Fremdenverkehr auf der Insel und der damit einhergehenden Bedrohung der Sprache begünstigt wurde, welche die Sylter für ihre Identität und Sprache sensibilisierte.[2]

Das Erscheinen der Komödie Di Söl'ring Pir'rersdei („Der Sylter Petritag“) des Sylter Seemanns Jap Peter Hansen (1767–1855) im Jahr 1809 gilt heute als Startpunkt der modernen nordfriesischen Literatur. Ebenfalls von Hansen stammt der einzige längere Roman, der je auf Nordfriesisch geschrieben wurde. Di lekkelk Stjüürman („Der glückliche Steuermann“) erschien 1833 als Fortsetzung zum Sylter Petritag.

Sein Sohn, der Lehrer Christian Peter Hansen (1803–1879), schuf mit dem Werk Ualð Sölðring Tialen („Alte Sylter Geschichten“) aus dem Sylter Sagenschatz durch Umdeutung und Bearbeitung einen friesischen Nationalmythos. Eine bekannte Ballade Hansens ist Di Brirfiarhooger („Die Brautzughügel“).

Von besonderer Bedeutung ist auch die Übersetzung des Neuen Testaments und der Psalmen durch den Pfarrer Peter Michael Clemens (1804–1870) in die Sylter Sprache. Damit entstand eine nordfriesische Bibelübersetzung weitaus früher als beispielsweise in der westfriesischen Sprache. Das Werk blieb allerdings lange unentdeckt und wurde nie gedruckt.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand der Großteil der Sylter Literatur. Bekannte Dichter der Zeit waren beispielsweise der Kaufmann Andreas Hübbe (Di Önergang fan Söl) und der Verleger Christian Peter Christiansen, der die Sylter Hymne Üüs Sölring Lön („Unser Sylt“) verfasste.

Von höchster Bedeutung für die Sylter und die gesamte nordfriesische Literatur war aber Jens Emil Mungard. Er verfasste etwa 800 Gedichte, dazu ein wenig Prosa und Theaterstücke. Sein bekanntestes Werk ist das Gedicht Di Hiir es Brir („Die Heide blüht“). Mungard starb 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen.[3]

Textbeispiel: Üüs Söl'ring Lön'

Es folgt die erste Strophe und der Refrain des Liedes Üüs Söl'ring Lön, der inoffiziellen Sylter Hymne, von Christian Peter Christiansen.[4]


Üüs Söl'ring Lön'

Üüs Söl'ring Lön', dü best üüs helig;
Dü blefst üüs ain, dü best üüs Lek!
Din Wiis tö hual'en, sen wü welig;
Di Söl'ring Spraak auriit wü ek.
Wü bliiv me di ark Tir forbün'en,
Sa lung üs wü üp Warel' sen.
Uk diar jaar Uuning bütlön' fün'en,
Ja leng dach altert tö di hen.

Kumt Riin,
Kumt Senenskiin,
Kum junk of lekelk Tiren,
Tö Söl' wü hual'
Aural;
Wü bliiv truu Söl'ring Liren!

Unser Sylter Land

Unser Sylter Land, du bist uns heilig,
du bist unser Eigen, du bist unser Glück.
Deine Art zu halten, sind wir willig.
Die Sylter Sprache vergessen wir nicht.
Wir bleiben mit Dir jederzeit verbunden,
solange wir auf der Welt sind.
Auch jene, die ihr Zuhause außerhalb fanden,
sie sehnen sich doch immer zu dir hin.

Kommt Regen,
kommt Sonnenschein,
kommen dunkle oder glückliche Zeiten
Zu Sylt halten wir
Immer
Wir bleiben treue Sylter Leute.

Literatur

  • Boy Peter Möller: Wörterbuch der Sylter Mundart. Sändig Reprint Verlag, Vaduz/Liechtenstein 1993 (1916), ISBN 3-253-02746-5.

Film

2006: Inselklang – Die Sylter Sprache vergessen wir nicht. 28 Minuten, Regie: Anne Goltz[5]

Quellen

  1. Ommo Wilts und Alastair Walker: Die nordfriesischen Mundarten. In: Horst H. Munske (Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Tübingen: Niemeyer 2001
  2. Thomas Steensen: Zwei Jahrhunderte nordfriesischer Literatur - ein kurzer Rück- und Ausblick. In: Zeitschrift für Kultur- und Bildungswissenschaften. Universität Flensburg, Nr. 8, S. 121-127
  3. Ommo Wilts: Die nordfriesische Literatur. In: Horst H. Munske (Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Tübingen: Niemeyer 2001
  4. Vollständiger Text als PDF, Stand 20. Februar 2010
  5. Informationen zum Film, abgerufen am 21. Januar 2010

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