Süsterhenn

Süsterhenn
Adolf Süsterhenn, 1949

Adolf Süsterhenn (* 31. Mai 1905 in Köln; † 24. November 1974 in Koblenz) war ein Staatsrechtler, Politiker, Minister, Mitglied des Deutschen Bundestages und als einer der führenden Köpfe des Parlamentarischen Rates einer der Baumeister der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Adolf Süsterhenn war während der Weimarer Republik Mitglied der Katholischen Hochschulgemeinde und der Zentrumspartei in Köln. Ab 1933 war er Stadtverordneter in seiner Heimatstadt. Aus diesen Positionen heraus agierte er gegen die NS-Bewegung. Während der NS-Zeit verteidigte er als Anwalt ehemalige Zentrumspolitiker und Ordensgeistliche.

In seiner Wahlheimat Rheingönheim bei Koblenz zählte er 1945 zu den Mitbegründern der CDU. Bald avancierte er zum Vorsitzenden der Vorbereitenden Verfassungskommission für das neue Land Rheinland-Pfalz, wo er ab 1946 verschiedene Ministerämter in der provisorischen Regierung und der 1. Wahlperiode (18. Mai 1947 bis 17. Mai 1951) innehatte:

  • ab 3. Dezember 1946: Justizminister in der provisorischen Landesregierung des Ministerpräsidenten Wilhelm Boden
  • im Übergangskabinett ab 13. Juni 1947: Minister für Justiz und Kultus
  • ab 9. Juli 1947 im Kabinett Peter Altmeier: Minister für Justiz, Erziehung und Kultus
  • ab 14. Dezember 1949 im Kabinett Peter Altmeier: Minister für Justiz, Unterricht und Kultus

Bereits 1946 war Süsterhenn ein Verfechter eines deutschen Föderalismus'. Seine Thesen leitete er aus einem naturrechtlich begründeten Subsidiaritätsprinzip ab – „als Grundlage der vertikalen Gewaltenteilung“.

Seine von antiken Denkern und katholischen Kirchengelehrten beeinflusste Naturrechtskonzeption vertrat der Staatsrechtler Adolf Süsterhenn bereits im Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee und ab September 1948 im Parlamentarischen Rat in Bonn, wo er es zum Vize-Chef der CDU/CSU-Fraktion brachte. Die „Verantwortung vor Gott“ in der Präambel des Grundgesetzes, das Bekenntnis zu einer starken Stellung des Bundesverfassungsgerichts und die Kompetenzvermutung zugunsten der Länder gehen auf seinen Einsatz mit zurück. Die Verfassungsgebung hat Süsterhenn als Akt der geistigen Auseinandersetzung mit dem vorausgegangenen Unrechtsregime begriffen. Er hat der Allmacht des Staates Grenzen setzen wollen. Hierfür ist ihm die Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte entscheidend gewesen. Damit diese Postulate keine unverbindlichen Programmsätze blieben, hat die besondere Leistung von Adolf Süsterhenn darin bestanden, zusätzlich Institutionen und Verfahren zu schaffen, welche die Durchsetzung der verfassungsrechtlichen Bindung der Staatsgewalten ermöglichten. Hierzu zählen eine effektive Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie die Einrichtung einer Verfassungsgerichtsbarkeit als wirksame Hüterin der Verfassung. Trotz seiner christlichen Prägung war er ein Verfechter der Todesstrafe. „Die rationalen Gründe für die Todesstrafe“ des Juristen Adolf Süsterhenn beschränkten sich darauf, zu behaupten, die Todesstrafe sei „im Dienste der Gerechtigkeit“ notwendig.

Durch einen schweren Autounfall am 5. Mai 1949 wurde er an der Teilnahme der Schlussabstimmung des Parlamentarischen Rates am 8. Mai 1949 gehindert. Die Mehrheit des Rates beschloss so die Abschaffung der Todesstrafe.

Seine Ministerämter in Mainz musste er aufgrund der Folgen des Unfalls aufgeben; er verzichtete nach der Landtagswahl 1951 auf eine Wiederberufung in die Landesregierung.

Von 1951 bis 1961 war Dr. Süsterhenn Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts von Rheinland-Pfalz, ab 1951 war er Honorarprofessor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. 1954 bis 1974 engagierte er sich als Mitglied der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Straßburg und als Mitglied der Versammlung der WEU (Westeuropäischen Union) und der NATO-Parlamentarier-Konferenz sowie 1961 bis 1965 als Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates.

Im Jahre 1961 kehrte Süsterhenn jedoch wieder in die Politik zurück. Er war Mitglied des Bundestages bis 1969. Aufsehen erregte Süsterhenn 1965 mit der von ihm mit-initiierten Aktion Saubere Leinwand, mit der er nach seiner Auffassung Unsittliches aus dem Kino verbannen wollte. Er erntete für seine Bemühungen allerdings nur Unverständnis und Spott.

In der CDU/CSU-Fraktion zählte er zu den Gegnern von Bundeskanzler Ludwig Erhard, dem er eine Vernachlässigung der deutsch-französischen Beziehungen vorwarf.

Prof. Dr. Adolf Süsterhenn verstarb am 24. November 1974 in Koblenz. Der Nachlass Adolf Süsterhenn wird im Landeshauptarchiv Koblenz verwaltet.

Er war Mitglied der K.D.St.V. Hohenstaufen Freiburg im CV. [1]

Zitate

„...Über die Statuierung der Menschen- und Grundrechte hinaus fordern wir zwecks Sicherung der menschlichen Freiheit bewußt eine pluralistische Gestaltung von Staat und Gesellschaft, die jede Machtzusammenballung an einer Stelle verhindert. Nach unserer Auffassung war es das historische Verdienst Montesquieus, erkannt und verkündet zu haben, dass jede Macht der Gefahr des Mißbrauchs ausgesetzt ist, weil jeder Mensch geneigt ist, wie Montesquieu sagt, ‚die Gewalt, die er hat, zu mißbrauchen, bis er Schranken findet‘. Aus dieser Erkenntnis heraus fordert Montesquieu die Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung und ihre Übertragung auf verschiedene, einander gleichgeordnete Träger. Diese Auffassung, die auch heute morgen hier vertreten worden ist, wird von uns in vollem Umfang als richtig anerkannt, wobei wir den besonderen Nachdruck auf die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Justiz legen......“

Aus den stenografischen Protokollen der zweiten, dritten und neunten Sitzung des Plenums des Parlamentarischen Rates

Publikationen

  • Adolf Süsterhenn, Unternehmensfreiheit und Mißbrauchsaufsicht., Duncker & Humblot Berlin 1965, ISBN 3-428-01518-5
  • Adolf Süsterhenn, Der supranationale Schutz der Menschenrechte in Europa, Athenäum-Verlag 1962, ISBN B0000BOEPM
  • Adolf Süsterhenn, Föderalistische Ordnung, Rhenania Druck- u. Verlagsges. 1961, ISBN B0000BM4R5
  • Adolf Süsterhenn, Die geistigen Grundlagen der NATO, Verlag Staat u. Gesellschaft 1960, ISBN B0000BOEPJ
  • Adolf Süsterhenn, Christlicher Geist in der Europäischen Gemeinschaft, Bund Katholischer Unternehmer e.V. 1953, ISBN B0000BOEPI
  • Adolf Süsterhenn/Hans Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz, mit Berücksichtigung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Humanitas-Verlag 1950, ISBN B0000BOEPL
  • Adolf Süsterhenn, Die naturrechtlichen Grundlagen der internationalen Zusammenarbeit, UNA Europäische Verlagsges. 1949, ISBN B0000BOEPK
  • Adolf Süsterhenn/Vinzenz Rüfner, Wir Christen und die Erneuerung des staatlichen Lebens, Bamberger Verlagshaus 1948, ISBN B0000BOEPH

Literatur

  • Winfried Baumgart: Adolf Süsterhenn (1905-1974). In: Zeitgeschichte in Lebensbildern 6 (Hg. Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher). Mainz 1984.
  • Helmut Mathy: Das Porträt - Adolf Süsterhenn (1905-1974). In: Geschichte im Westen 3 (1988)

Siehe auch

Kabinett Boden IKabinett Boden IIKabinett Altmeier I

Einzelnachweis

  1. Der CVer Süsterhenn Ho! Rap! Rst!

Weblinks


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