Tembrock

Tembrock

Günter Tembrock (* 7. Juni 1918 in Berlin) gründete 1948 in Berlin die erste deutsche Forschungsstätte für Ethologie und gilt als der bedeutendste Forscher auf dem Gebiet der Verhaltensbiologie in der DDR. Populär wurde er in der DDR in den 1980er-Jahren unter anderem mit seiner Fernsehsendung "Rendezvous mit Tieren".

Werdegang

Günter Tembrock studierte ab 1937 in Berlin Zoologie, Anthropologie und Paläontologie. 1941 schrieb er seine Doktorarbeit über die Evolution eines Laufkäfers und wurde promoviert. Sämtliche Exemplare seiner Doktorarbeit verbrannten kurz darauf bei einem Luftangriff; erst 60 Jahre später, zu seinem 85. Geburtstag, wurde auf Basis einer zufällig wieder aufgefundenen Korrekturabschrift eine Neuausgabe gedruckt.

Gegen starke Strömungen, die verhindern wollten, dass Verhaltensbiologie überhaupt als Wissenschaft anerkannt wurde, setzte Tembrock 1948 in Ost-Berlin die Gründung einer Forschungsstätte für Tierpsychologie durch (wie damals die klassische vergleichende Verhaltensforschung noch genannt wurde). Die politische Führung der im Entstehen begriffenen DDR orientierte sich eher an den Erkenntnissen der Reflex-Forscher (zum Beispiel an Iwan Pawlow) und an verqueren Thesen zur Genetik, wie sie der russische Biologe Trofim Denissowitsch Lyssenko verbreitete; so gab es seinerzeit größte Schwierigkeiten, angeborene Mechanismen zu postulieren. In einem Interview mit der „Zeit“ sagte Tembrock 1996: "Genetische Vorherbestimmung des Verhaltens passte nicht ins politische Weltbild." Daher konnte Tembrock auch seine Vorreiterrolle in der deutschen Verhaltensforschung der Nachkriegszeit nicht auskosten (Konrad Lorenz befand sich 1948 noch in russischer Kriegsgefangenschaft), die erste Einrichtung der Verhaltensbiologie Deutschlands geschaffen zu haben: Tembrock durfte nicht mehr reisen und hatte daher kaum noch direkten Kontakt zu ausländischen Forschern.

Nach seiner Habilitation (1955) über das Verhalten von Rotfüchsen wurde Günter Tembrock zunächst Professor an der Humboldt-Universität Berlin (1961) und später dort Lehrstuhlinhaber (1969), und er blieb dieser Hochschule auch nach seiner Emeritierung (1983) beinahe täglich verbunden.

Neben zahlreichen Fachaufsätzen und verhaltenskundlichen Büchern baute er in Berlin das größte Tierstimmenarchiv Europas auf, das mehr als 100.000 Aufnahmen von hunderten Tierarten umfasst. Auf Günter Tembrock geht auch der Begriff Bioakustik zurück, den er 1959 in seinem ersten Buch über Tierstimmen vom englischen Begriff "Biological acoustics" ableitete.

Werke

  • Tembrock, Günter: Angst. 2000: Darmstadt (Wissensch. Buchges.), ISBN 3534140966
  • Tembrock, Günter: Akustische Kommunikation bei Säugetieren. Die Stimmen der Säugetiere und ihre Bedeutung. 1996: Darmstadt (Wissensch. Buchges.), ISBN 3534123530
  • Tembrock, Günter: Verhaltensbiologie. 1992 (2. bearb. Aufl.), ISBN 3825216640
  • Tembrock, Günter: Zur Geschichte der Verhaltensbiologie seit 1945. in: Wissenschaftsentwicklung von 1945 bis zur Gegenwart. Hrsg. v. Günter Wendel. Ostberlin 1985.(teilweise autobiographischer Inhalt)
  • Tembrock, Günter: Grundriß der Verhaltenswissenschaften. Eine Einführung in die allgemeine Biologie des Verhaltens. Jena 1968 (BRD-Lizenzausgabe Stuttgart 1968, 3. überarb. Aufl. 1980: Stuttgart (Fischer). ISBN 3-437-20231-6 )
  • Tembrock, Günter: Verhaltensbiologie unter besonderer Berücksichtigung der Physiologie des Verhaltens. 1978: Stuttgart (Fischer, UTB 693), ISBN 3-437-20175-1
  • Tembrock, Günter: Tierstimmenforschung. Eine Einführung in die Bioakustik. 1977 (Die Neue Brehm Bücherei 250)
  • Tembrock, Günter: Zur Strukturanalyse des Kampfverhaltens bei Vulpes. Behaviour, 19 (1962), S. 261-282
  • Tembrock, Günter: Spielverhalten beim Rotfuchs. Zool. Beitr. Berlin, 3 (1958), S. 423-496
  • Tembrock, Günter: Zur Ethologie des Rotfuchses unter besonderer Berücksichtigung der Fortpflanzung. Zool. Garten Leipzig, 23 (1957), S. 289-532
  • Tembrock, Günter: Tierpsychologie. 1956: Wittenberg (Verlag A. Ziemsen)

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