Terrestrische Refraktion

Terrestrische Refraktion

Als terrestrische Refraktion (auch Strahlenbrechung oder atmosphärische Refraktion genannt) wird die Brechung eines Lichtstrahls in der untersten Erdatmosphäre bezeichnet. Diese entsteht durch die mit der Höhe abnehmende Luftdichte und bewirkt eine bogenförmige Krümmung des Strahls, die bei genaueren Vermessungen oder im physikalischen Labor als Korrektion („Reduktion“) an jeden gemessenen Vertikalwinkel angebracht werden muss.

Sichtbare Wirkung der Strahlenbrechung

Ovale Sonnenscheibe beim Untergang. Rechts fehlt ein schmales Band – die Mappingfunktion ist unstetig.

Da die Lichtstrahlen meist in Richtung der Erdoberfläche gekrümmt sind, lassen sie entfernte Gegenstände höher erscheinen, als wenn es keine Atmosphäre gäbe. Die den Meereshorizont gerade erst berührende Sonne steht rein geometrisch meist schon gänzlich darunter. Ihre (flach-)ovale Form entsteht dadurch, dass ihr unterer Rand stärker als ihr oberer nach oben verschoben ist, denn der Gradient der Luftdichte nimmt normalerweise mit der Dichte nach oben ab. Bodennahe warme Luftschichten können den Gradienten jedoch verringern, im Extremfall sogar umkehren. Dann sind die Lichtstrahlen nach oben gekrümmt, was bei flachem Einfallswinkel als eine Luftspiegelung erscheint. Umgekehrt ist in einer Inversionsschicht der Gradient erhöht.

Reguläre Refraktion

Die relativ stabilen Verhältnisse der Strahlenbrechung hat schon Carl Friedrich Gauß untersucht, als er um 1800 den Auftrag zur Hannoverschen Landesvermessung erhielt. Die Refraktion wirkt sich nämlich besonders auf Höhenmessungen über große Entfernungen aus: Bei konstanter Krümmung der Lichtstrahlen nimmt der Refraktionswinkel (ρ) linear und der Höhenfehler quadratisch mit der Entfernung zu. Über einige hundert Meter liegt er im Bereich von einem Millimeter, über 10 Kilometer beträgt er etwa einen Meter. Das Gauß'sche „große Dreieck“ hat aber Kantenlängen von 68, 84 und 106 Kilometern.

Er leitete aus seinen Messungen einen mittleren Refraktionskoeffizienten von k = 0,13 ab, das heißt, die mittlere Krümmung der Lichtstrahlen beträgt rund 13 Prozent der Erdkrümmung (mittlerer Erdradius R = 6371 km). Dieser Wert passt gut zum bodennahen Dichtegradienten der Normatmosphäre und wird seit 200 Jahren für die Reduktion der meisten geodätischen Höhenmessungen verwendet.

Lichtstrahlkrümmung bei verschiedenen Lufttemperaturen

Der Radius der Strahlkrümmung, er variiert von 40.000 bis 50.000 km, hängt von der Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur und dem Luftdruck ab, sodass er mittels lokaler meteorologischer Messungen pauschal berechnet werden kann. In geodätischer Software sind diese Berechnungen bereits fix programmiert.

Für hochpräzise Vermessungsprojekte ist es notwendig, den Strahlverlauf genauer zu untersuchen, was auf mehrere Arten erfolgen kann: mittels detaillierter Messung der Strahlungsbilanz, durch den Aufbau eines 3D-Messfeldes für die Lufttemperatur, durch genaues Abfliegen des Messstrahls oder mit Zweifarbenlaser-Messgeräten.

Beim Nivellement kürzt sich der Höhenfehler unter der Voraussetzung heraus, dass beim Vor- und Rückblick gleiche Zielweiten eingehalten werden und die Refraktion über beide Strecken konstant ist. Das Nivellement unterscheidet sich allerdings von der rein trigonometrischen Vermessung dadurch, dass es dem möglicherweise unbekannten Geoid folgt.

Wegen der durch die terrestrische Refraktion beschränkten Genauigkeit spielt in der modernen Landesvermessung die Satellitengeodäsie eine wichtige Rolle.

Die astronomische Refraktion ist ein Spezialfall der terrestrischen Refraktion in dem Sinne, dass das angepeilte Objekt sich außerhalb der Atmosphäre befindet und meist praktisch unendlich weit entfernt ist.

Literatur

  • H. Kahmen: Angewandte Geodäsie - Vermessungskunde. 20. Auflage, de Gruyter-Verlag, 2005.
  • K. Ramsayer: Geodätische Astronomie. Band IIa des Handbuchs der Vermessungskunde JEK, J. B. Metzler, Stuttgart 1969 (siehe Refraktion: Kap.6, S. 107–140, und Anhang II, S. 832 ff)
  • G. Gerstbach, M. Schrefl, W. Rössler: Bestimmung des Integralen Brechungsindex durch Befliegung des Meßstrahls. In: Österr. Zeitschrift für Verm. u.P hot. Baden 1981 und 1982
  • M. Hennes: Messungssimultane Reduktion des Refraktionseinflusses - ein Wunsch wird Wirklichkeit …?! In: Geodätisches Kolloquium. Geodätisches Institut, Uni Karlsruhe 1. Juli 2004 (Vortrag).

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