Thomas Morton

Thomas Morton

Thomas Morton (* vermutlich zwischen 1580 und 1595 in England, genauer Geburtsort unbekannt; † 1646 oder 1647 in Acomenticus, heute York, Maine) war ein englischer Abenteurer und Siedlerpionier in Neuengland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über Mortons Herkunft ist nichts sicheres bekannt. Gesichert ist, dass er am Clifford's Inn, einer der Londoner Rechtsschulen, Juristerei studierte. 1622 war er Mitglied der kurzlebigen Expedition Thomas Westons in die fast unerschlossenen Gebiete des späteren Neuengland, wo erst zwei Jahre zuvor die „Pilgerväter“ mit der Kolonie Plymouth die erste dauerhafte englische Siedlung der Region gegründet hatten. Nach seiner Rückkehr nach England begab er sich schon zwei Jahre darauf im Tross eines Captain Wollaston wieder nach Plymouth.

Da Wollaston, Morton und einige andere Neuankömmlinge mit den frommen Pilgervätern nicht auskamen, begaben sie sich nach Norden und gründeten an der Stelle der heutigen Stadt Quincy, Massachusetts, einen Handelsposten. In den nächsten Jahren erkundete Morton die Gegend und knüpfte Handelskontakte mit den ansässigen Indianerstämmen. Als Wollaston 1626 den Posten verließ, übernahm Morton die Leitung der kleinen Siedlung, die wohl kaum mehr als sechs oder sieben weiße Händler zählte.

Im Mai des Jahres 1627 errichtete Morton in der Siedlung einen Maibaum und taufte die Siedlung auf den Namen Ma-Re Mount. An den ausgelassenen Feiern, Tänzen und Trinkgelagen, die er in den nächsten Monaten unter dem Maibaum ausrichtete, nahmen auch viele Indianer teil. Das Treiben wurde mit Argwohn von den frommen und züchtigen Pilgervätern von Plymouth beobachtet, bis sie im September 1628 eingriffen. Gouverneur William Bradford entsandte eine bewaffnete Mannschaft unter Führung von John Endicott nach Mar-Re Mount, ließ den Maibaum fällen und Morton unter der Anschuldigung, er habe den Indianern Waffen verkauft, festnehmen. Zum einen mag es weltanschaulicher Gegensatz zwischen dem lebensfrohen Morton und den asketischen Pilgervätern gewesen sein, der zu dieser Eskalation führte, zum anderen aber auch die Konkurrenz, die Morton mit den Indianern für die Pilgerväter darstellte.

Morton wurde nach England deportiert, da dort aber wider Erwarten keine Anklage gegen ihn erhoben wurde, kam er wieder auf freien Fuß und kehrte sehr zum Missfallen der Pilger bereits 1629 nach Plymouth zurück. Um ihn zur Konformität zu zwingen, setzten Bradford und Endicott daraufhin einen Verhaltenskodex auf, der von jedem Siedler der Kolonie, also auch Morton unterschrieben werden sollte - Morton weigerte sich zu unterschreiben, wenn dem Dokument nicht ein Passus hinzugefügt würde, dass in der Kolonie keine Taten geduldet würden, die gegen die Gesetze des Königreichs England verstoßen. Schließlich wurde Morton auf Anweisung Bradfords in Ketten gelegt und wiederum nach England verbracht.

In England kam Morton wieder frei. Wohl 1633/34 verfasste er ein Buch über Neuengland, New English Canaan über seine Erfahrungen in Neuengland. Es erschien 1637 in Amsterdam und stellt eine wichtige Quelle zu den Anfängen der neuenglischen Kolonien dar, insbesondere in seinen ebenso ausführlichen wie wohlwollenden Beschreibungen der Indianer. Außergewöhnlich ist es besonders, da es eine der wenigen nicht aus puritanischer Perspektive geschriebenen Dokumente über das koloniale Neuengland darstellt. Zwar nutzt auch Morton im Titel seines Werks die auch von den Puritanern häufig bemühte Trope von Neuengland als Gelobtem Land oder neuem Kanaan, doch stellt sich die Beschreibung des Landstrichs bei Morton weitaus weniger theologisch verbrämt dar.

Nach Ausbruch des Englischen Bürgerkriegs kehrte Morton, mittlerweile recht verarmt, wiederum nach Plymouth zurück und brach nach dem ersten Winter zu Erkundungsreisen nordwärts auf. 1644 wurde er von den Magistraten der Massachusetts Bay Colony festgesetzt und des Verrats angeklagt. In Ermangelung von Beweisen wurde er nach einem Jahr aus der Haft entlassen und zu einer Geldbuße von 100 Pfund verurteilt, die er aber nicht aufbringen konnte. Der Gouverneur der Kolonie, John Winthrop, schrieb, dass man in seinem Fall von einer Körperstrafe abgesehen habe, da Morton „alt und wahnsinnig“ sei, doch schwächte ihn die Haftzeit offenbar sehr. Morton wurde die Gelegenheit gegeben, sich aus der Kolonie zu absentieren, und er begab sich in die Siedlung Acomenticus im heutigen Maine, wo er 1646 oder 1647 verstarb.

Rezeption

Morton ist in der amerikanischen Geschichtsschreibung über Jahrhunderte oftmals in eben dem Maße als gewissenloser Abenteurer verfemt, wie die Pilgerväter und Puritaner zu Protagonisten und heldenhaften Gründervätern eines Gesellschaftsentwurfs verklärt wurden, aus deren Geist die amerikanische Nation geboren wurde.

Diese allegorische Deutung der Vorgänge um den Maibaum von Ma-Re Mount prägt in all ihrer moralischen Uneindeutigkeit auch Nathaniel Hawthornes berühmte Kurzgeschichte The Maypole of Merry Mount (1835). Mortons Schicksal ist nicht erst seit Hawthorne vielfach künstlerisch verarbeitet worden; der Historiker John Lothrop Motley veröffentlichte etwa zwei Romane über Morton (Morton’s Hope, or the Memoirs of a Provincial (1839) und Merry Mount, a Romance of the Massachusetts Colony (1849)).

Erst in jüngerer Zeit ist Morton und sein New England Canaan in einer positiven Umdeutung zu einer Art Symbolgestalt eines „anderen Amerika“ geworden, insbesondere im Zusammenhang mit seinem wohlwollenden Umgang mit der indianischen Kultur. Zu seinen bedeutendsten Fürsprechern zählt William Carlos Williams, der Morton in seinem Werk In The American Grain (1925) zu einem der Begründer einer ureigenen amerikanischen Denkungsart und Literatur erklärte,[1] sowie Richard Slotkin, dessen Regeneration through Violence Morton geradezu als prototypischen Vertreter einer gegenkulturellen Nonkonformität beschreibt.[2]

Ausgaben des New English Canaan

  • New English Canaan. Jacob Stam, Amsterdam 1637.
    • Faksimile: Da Capo, New York 1969.
  • The New English Canaan of Thomas Morton. Herausgegeben von Charles Francis Adams. Boston 1868.
  • New English Canaan. Herausgegeben von Jack Dempsey. Digital Scanning, Inc., 2000.

Literatur

  • Donald F. Connors: Thomas Morton. Twayne, New York 1969 (Twayne’s United States Authors Series).
  • Michael J. Colacurcio: Godly Letters. University of Notre Dame Press, Notre Dame IN 2006, S. 3–33.
  • Jack Dempsey: Thomas Morton of “Merrymount”: The Life and Renaissance of an Early American Poet. Digital Scanning, Inc., 2000.
  • Daniel B. Shea: ’Our Professed Old Adversary‘. In: Early American Literature 23, 1988, S. 52–69.

Einzelnachweise

  1. William Carlos Williams: In the American Grain. (1925). Reprint: New Directions, 1956, S. 75–80.
  2. Richard Slotkin: Regeneration through Violence. Wesleyan University Press, Middletown CN 1973, S. 58–70.

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