Tian'anmen-Massaker

Tian'anmen-Massaker

Tian'anmen-Massaker bezeichnet die gewaltsame Beendigung der monatelangen Besetzung des Platzes des himmlischen Friedens in Peking von chinesischen Studenten am 3. und 4. Juni 1989 durch das chinesische Militär. Vor allem im chinesischen Sprachraum wird die Bezeichnung „Zwischenfall vom 4. Juni“ (六四事件 liù-sì shìjiàn) verwendet, die jedoch nicht mit dem Tian'anmen-Zwischenfall von 1976 verwechselt werden darf. Trotz der Namensgebung kam es auf dem Platz selbst, im Gegensatz zum Rest von Peking, nur zu wenigen Toten.

Die Anwesenheit internationaler Pressevertreter, die eigentlich über den Staatsbesuch Gorbatschows berichten sollten, hatte zuvor die chinesische Demokratiebewegung und ihre Forderungen weltweit bekannt gemacht. Dieses Ereignis beendete eine Phase politischer Aktivität unter den Studenten Chinas.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die post-kulturrevolutionären 1980er Jahre waren durch eine deutliche Lockerung der rigiden Parteiherrschaft geprägt und hatten bei Demokratieaktivisten die Hoffnung auf weitergehende politische Veränderungen geweckt. Die Schriften Wei Jingshengs (魏京生) und Fang Lizhis (方勵之) fanden bei Studenten großen Anklang und die Forderungen nach weitergehender Öffnung der Gesellschaft und Demokratie als einer – in Anspielung auf die Vier Modernisierungen – „Fünften Modernisierung“ wurden auf die Straße getragen. Im Dezember 1986 gab es zuerst in Hefei (5. und 12.) und dann in Shanghai (20.) Demonstrationen mit bis zu 70.000 Personen, die gegen die manipulierte Besetzung der Volkskongresse durch die KPCh protestierten. Bis in den Januar 1987 kam es in den Universitätsstädten immer wieder zu Protesten. Die behördliche Reaktion bestand dagegen in Demonstrationsverboten, Nachrichtensperren und Verfolgung der Wortführer der Demokratiebewegung.

Zugleich zeigte die wirtschaftliche Liberalisierung auch ihre Schattenseiten. Die vorher extrem egalitäre Gesellschaft teilte sich in Gewinner und Verlierer der Reformen. Für die Reformverlierer wirkten sich Preissteigerungen der Konsumgüter von 20 % bis 26 % (Ende 1988) direkt auf den Lebensstandard aus. Dagegen war offensichtlich, dass viele Manager und Parteiführer sich verstärkt über Korruption und Amtsmissbrauch bereicherten.

Ende der siebziger Jahre hatte die chinesische Regierung unter Deng Xiaoping beschlossen, marktwirtschaftliche Reformen im Land einzuleiten. Diese Reform- und Öffnungspolitik griff Ideen wie die von Milton Friedman auf, der 1980 nach China von der Regierung als politischer Berater eingeladen wurde. Ähnlich wie bei seiner Beratertätigkeit in Chile unter der Diktatur Pinochets empfahl Friedman auch diesem Regime, seine Ideen radikal und mit großer Entschlossenheit durchzusetzen.

Gegen Ende der achtziger Jahre wurden diese Reformen immer unpopulärer: Lebenshaltungskosten schossen in die Höhe als Folge der Lockerung von Preiskontrollen, Arbeitsplatzgarantien wurden abgeschafft, was eine Welle der Entlassungen zur Folge hatte.

Wang Hui, einer der Organisatoren der Proteste von 1989, zeichnet ein anderes Bild der Proteste als das allgemein verbreitete: Es sei keine Erhebung von ausschließlich Studenten gegen die Kommunistische Partei. Vielmehr sei ein breites Spektrum der Bevölkerung vertreten, das neben demokratischen Reformen eine Abkehr von den aktuellen kapitalistischen Reformen forderte.[1]

Auslöser

Der Tod Hu Yaobangs (胡耀邦) am 15. April 1989 wurde als Anlass für öffentliche Demonstration von Trauer für ein respektiertes Parteimitglied genommen, die die Regierung schlecht unterbinden konnte. Wie bereits 1976 beim auf den Tod Zhou Enlais (周恩來) folgenden Tian'anmen-Zwischenfall konnte damit auch Kritik an der vorherrschenden politischen Linie zum Ausdruck gebracht werden. Hu Yaobang war nach den Demonstrationen im Winter 1986/87 zum parteiinternen Sündenbock für diese Ereignisse gemacht, seiner Parteiämter entledigt und zur Selbstkritik genötigt worden. Am 17. April marschierten tausende Pekinger Studenten zum Platz des Himmlischen Friedens und veranstalteten am Denkmal für die Volkshelden eine Kundgebung, bei der Hu betrauert und damit erst implizit und dann auch explizit die Forderungen von 1986/87 wieder aufgenommen wurden. Diese regimekritische Trauerstimmung griff bald auf andere Städte wie zum Beispiel Shanghai über, wo ähnliche Veranstaltungen organisiert wurden.

Anwachsen und Organisation der Bewegung

Am 18. April fanden Sit-Ins und Kundgebungen auf dem Platz des himmlischen Friedens, vor der Parteizentrale und den Residenzen der Staats- und Parteiführung in Zhongnanhai statt. Täglich kam es zu Demonstrationen von mehreren 10.000 Studenten mit einem ersten Höhepunkt am 22. April, dem Tag der offiziellen Trauerfeier für Hu Yaobang. Die für die Morgenstunden angeordnete Sperrung des Tian'anmen wurde von den Studenten vorausgesehen und der Platz bereits ab Mitternacht von den Demonstranten in Besitz genommen. Die offizielle Trauerveranstaltung musste vor dem Hintergrund einer mächtigen Studentendemonstration stattfinden. In dieser Zeit organisierte sich die Studentenschaft in einem unabhängigen provisorischen Studentenverband und wählte sich am 23. April Wu’er Kaixi (吾尔开希/吾爾開希), Wang Dan (王丹) und Chai Ling (柴玲) als Führer der Studentenschaft. Am nächsten Tag beschlossen die Studenten einen Massenboykott der Vorlesungen, um sich stärker Gehör zu verschaffen und forderten den Rücktritt des Ministerpräsidenten Li Peng (李鵬). Diese Forderungen lösten harsche Verurteilungen der Studentenbewegung durch die Führung um Deng Xiaoping (鄧小平) aus, die am 26. April in der Volkszeitung veröffentlicht wurden, und die Versuche, die Lage polizeilich in den Griff zu bekommen, wurden verstärkt.

Bis zum 4. Mai, dem auch für die Partei historisch bedeutenden Jahrestag der Volksbewegung von 1919, wuchsen die fast täglichen Demonstrationen auf Versammlungen von über 100.000 Menschen an. Obwohl die Demonstrationszüge auch mehrfach Polizeiabsperrungen durchbrachen (27. April), kam es in dieser Phase zu keinen größeren gewalttätigen Zwischenfällen.

Hungerstreik und Besetzung des Platzes

Am 12. Mai beschloss die Pekinger Studentenschaft vor allem auf Betreiben von Chai Ling, einen Hungerstreik zu beginnen, wenn die Regierung nicht in einen offenen Dialog mit ihr eintreten würde. Am 13. Mai zogen die Studenten erneut auf den Platz des Himmlischen Friedens und die ersten 400 von ihnen traten dort in einen öffentlichen Hungerstreik. Damit begann die dauerhafte Besetzung des Platzes. An einem der Fahnenmasten wurde ein Stück Tuch mit der Aufschrift 绝食 (Pinyin: juéshí = Hungerstreik) gehisst und in einer Pressekonferenz die Position der Studenten den Auslandskorrespondenten offen dargestellt. Diese waren wegen des am 15. Mai anstehenden Staatsbesuchs von Michail Gorbatschow zahlreich in Peking erschienen. Das mit großem Pomp geplante Gipfeltreffen stand nun im Schatten der Studentenproteste, und schließlich musste der Staatsgast durch einen Seiteneingang die Große Halle des Volkes betreten. Die Demonstranten feierten derweil auf dem Platz den sowjetischen Reformer auf ihren Plakaten.

Schnell entstand dort eine provisorische Siedlung mit Sanitätsstation, Versorgungsstation, Ordnern und einer eigenen Medieninfrastruktur (zum Beispiel einer Siebdruckerei). Die selbstorganisierten Strukturen stießen allerdings mit der wachsenden Zahl von Protestierenden an ihre Grenzen. Am 17. Mai befanden sich schätzungsweise eine Million Menschen auf dem Platz, womit die Bereitstellung von Wasser und die Entsorgung von Fäkalien zu deutlichen Problemen wurden. Noch glich die Versammlung aber auch einem großen Fest der Freiheit. Chinesische Rockmusiker wie Cui Jian (崔健), Hou Dejian (侯德健) und He Yong (何勇), die ohnehin der Untergrundkultur zugerechnet wurden, traten auf dem Platz auf. Genauso mischten sich allerdings auch die normalen Pekinger, Intellektuelle und Arbeiter unter die Studenten.

Am 18. Mai fand eine im chinesischen Fernsehen übertragene Debatte zwischen Li Peng und weiteren Parteiführern und Studentenführern wie Wang Dan und Wu’er Kaixi statt. Bemerkenswert war dabei zuerst die Unverfrorenheit, mit der vor allem Wu’er Kaixi mit dem Ministerpräsidenten umging und ihm durch lässige Verweigerung von Höflichkeiten die Stirn bot. Dabei zählte er die Forderungen der Studentenbewegung auf: Widerruf der Verurteilung im Leitartikel vom 26. April, Anerkennung des autonomen Studentenverbandes und Aufnahme von Verhandlungen.

Ende der Demonstrationen

Am 19. Mai begab sich Zhao Ziyang (趙紫陽), Generalsekretär der KPCh und bei den Studenten als Vertreter der liberalen Fraktion beliebt, auf den Platz, um die Studenten zu bitten, den Hungerstreik einzustellen und den Platz zu räumen. Am selben Tag versammelten sich die anderen hochrangigen Anführer von Partei, Staat und Militär im Oberkommando der Region Peking zu einer Sitzung, die um 22:00 beendet war. Im Anschluss daran erklärte Li Peng in einer Sondersendung des Fernsehens die Entschlossenheit der Regierung, „dem Aufruhr ein schnelles Ende zu bereiten, die Führung der Partei zu verteidigen und das sozialistische System zu schützen.“ Für den kommenden 20. Mai wurde der Beginn des Ausnahmezustands für Peking erklärt. Tatsächlich standen rund um Peking bereits Truppen der Volksbefreiungsarmee bereit, um den Ausnahmezustand durchzusetzen.

Alarmiert durch Lis Ansprache und die Berichte der Fliegenden Tiger, einer selbstorganisierten Meldereinheit aus Rockern (流氓 liumang) und Kleinunternehmern, die Motorräder besaßen, begab sich die Pekinger Bevölkerung am Abend des 19. Mai auf die Straßen, um das Vorrücken der Armee aus den Vororten zu verhindern. Barrikaden und die versammelten Menschenmengen stoppten Einheiten der Armee, die vorerst unbewaffnet waren. Armeelastwagen wurden lahmgelegt, indem die Reifen durchstochen und Verteilerkappen herausgerissen wurden. In den kommenden Tagen wurden weitere Versuche von Truppen blockiert, zum Tian'anmen vorzudringen.

Am 20. Mai wurden der Auslandspresse die direkten Satellitenverbindungen gekappt und ihre Aufgabe mit der Abreise Gorbatschows für beendet erklärt.

Die Führung der Studentenschaft war zu diesem Zeitpunkt uneins, ob sie sich mit diesen Erfolgen, die allesamt Demütigungen der Staatsführung darstellten, zufriedengeben wollten – dies auch angesichts der immer realer werdenden Gefahr staatlicher Gewaltanwendung – oder weiter auf dem Platz ausharren sollten bis zur vollständigen Anerkennung ihrer Forderungen. Für eine Räumung sprachen auch der zunehmende Wunsch vieler Studenten, zu einem normalen Leben zurückzukehren, und die zunehmend unhaltbaren hygienischen Verhältnisse auf dem Platz. Dagegen stand der Durchhaltewille erst später zugereister Studenten und die Befürchtung, ohne die Öffentlichkeit des Platzes staatlicher Repression ausgesetzt zu sein. Diese Spaltungen lähmten zu einem wichtigen Zeitpunkt die Entscheidungsfähigkeit der Studentenschaft und sollten fatale Folgen haben.

Am 30. Mai fand eine von der Fraktion der Abzugswilligen als Abschlusskundgebung geplante Veranstaltung statt, auf der eine Statue der Göttin der Demokratie gegenüber dem Mao-Porträt über dem Eingang zur Verbotenen Stadt – dem Tor des himmlischen Friedens – aufgestellt wurde. Das zwölf Meter hohe Standbild aus Polystyrol und Gips war von Studenten der Zentralen Kunstakademie gebaut worden. Die Mehrzahl der Studenten blieb weiterhin auf dem Platz.

Niederschlagung

Ab der Nacht vom 2. auf den 3. Juni unternahmen Armee und Polizei erneute Versuche, den Platz zu besetzen. Die vorrückenden Einheiten blieben erneut in den sich versammelnden Menschenmassen stecken. In abgefangenen Lastwagen wurden Schnellfeuerwaffen, Helme und Uniformen gefunden. Jedoch wurde seitens der Demonstranten keine dieser Waffen eingesetzt und die Konfrontation der Pekinger Bürger mit der Armee blieb friedlich. Über Lautsprecher und den Rundfunk verbreitete die Regierung dagegen zusehends schärfere Warnungen. Angesichts der Drohungen der Regierung kehrten die Abzugswilligen zum Platz zurück, von dem sie sich nicht mit Gewalt vertreiben lassen wollten.

Am Abend des 3. Juni bewegten sich Soldaten in voller Ausrüstung mit Schützenpanzern aus mehreren Richtungen auf die Innenstadt zu. Gegen 21:00 stießen diese Einheiten auf der dritten Ringstraße in der Nähe der U-Bahnstation Gongzhufen auf eine Barrikade, von der aus sie mit Steinen beworfen wurden. Das Militär schoss mit scharfer Munition auf die Menge, wobei mehrere Personen getötet und verletzt wurden. Zwei bewaffnete Soldaten, die von den Lastwagen abgesprungen waren, wurden daraufhin von der erzürnten Menge gelyncht.

Die vorrückenden Kolonnen stießen überall auf entschiedenen Widerstand und brennende Barrikaden, und mit fortschreitender Konfrontation wurde der Schusswaffeneinsatz gegen die Menge immer verbreiteter und rücksichtsloser. Unbeteiligte wurden ebenso beschossen wie Personen, die versuchten, Verletzte zu bergen. Die zunehmende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung führte zu einer allgemeinen Eskalation, in der auch zahlreiche Soldaten entweder mit bloßen Händen getötet wurden oder durch Molotowcocktails und andere improvisierte Waffen ums Leben kamen.

Gegen 24:00 trafen die ersten Soldaten am Platz des Himmlischen Friedens ein, der jetzt nur noch von etwa 5.000 Studenten besetzt war. Bis 3:00 morgens hielten sie den Platz umzingelt und bereiteten sich auf die Räumung vor. Unter den Demonstranten hatte inzwischen Hou Dejian eine führende Position übernommen und war mit dem Kommandant der Truppen, Ji Xingguo, in Verhandlungen eingetreten, um einen freien Abzug zu erreichen. Dieser wurde ihnen zugestanden, aber es dauerte bis 5:00 morgens, die eine Räumung ablehnenden Hungerstreikenden zu überzeugen, den Platz zu verlassen.

Auf dem Tiananmen-Platz selbst wurden im Vergleich zu anderen Stadtteilen wenige Gewalttaten verübt. Die Geschehnisse in der Stadt Peking in ihrer Gesamtheit, wo zahlreiche Bürger ums Leben kamen und die Krankenhäuser mit Verletzten überfüllt waren, rechtfertigen diesen Begriff jedoch in den Augen der meisten Beobachter.

Die Unruhen setzten sich am 5. Juni fort, obwohl der Widerstand bereits im Wesentlichen gebrochen war. Bei mehreren Konfrontationen zwischen Militär und Menschenmenge wurden Schusswaffen eingesetzt. Ebenso gab es weiter Überfälle auf Soldaten. An diesem Tag stellte sich ein später als Tank Man bezeichneter Jugendlicher einer Kolonne Panzer in den Weg, wodurch er sie kurzzeitig aufhielt. Die Szene wurde von Charlie Cole fotographiert, wofür er 1989 den World Press Photo Award erhielt.

Opferzahlen und Repression

Die geschätzten Opferzahlen gehen sehr weit auseinander. Offiziell war von insgesamt 300 toten Soldaten und Zivilisten die Rede und etwa 5.000 Soldaten und 2.000 Zivilisten waren verletzt. Amnesty international schätzte 700 bis 3.000 Tote, das chinesische Rote Kreuz meldete am 4. Juni den Tod von 2.600 Zivilisten. Trotz der Namensgebung („Tian'anmen-Massaker“) kam es auf dem Platz selbst im Unterschied zum Rest von Peking nur zu einer vergleichsweise geringen Anzahl von etwa einhundert Toten.

An die Niederschlagung der Proteste schloss sich eine Welle der Repressionen seitens der Staatsführung an. Am 13. Juni wurde eine Liste mit den 21 meistgesuchten Aktivisten der Studentenbewegung veröffentlicht. Weiterhin wurden Arbeiter, die sich an den Protesten beteiligt hatten, wie auch kritische Intellektuelle verhaftet und in wenig rechtsstaatlichen Prozessen zu langen Haftstrafen oder auch der Todesstrafe verurteilt. Im Zusammenhang mit dem Tian'anmen-Massaker wurden 49 Hinrichtungen öffentlich bekannt gegeben. Diese betrafen vorwiegend Arbeiter und keinen Studenten. Die Studenten, die während der Proteste von den chinesischen Behörden als Teilnehmer dauerhaft registriert wurden, erhielten in der Folgezeit gezielt keine Möglichkeit, eine Arbeit zu finden.

Innerhalb der politischen Führung wurde KP-Generalsekretär Zhao Ziyang (1919–2005) für das Vorgefallene verantwortlich gemacht, seiner Ämter enthoben und bis an sein Lebensende unter Hausarrest gestellt.

Das Tian'anmen-Massaker beendete die Demokratie- und Studentenbewegung der 1980er-Jahre in der Volksrepublik China. Neben der abschreckenden Wirkung der Ereignisse vom 3. und 4. Juni 1989 wirkte sich allerdings auch das starke wirtschaftliche Wachstum mit guten Karrierechancen für Absolventen einer Hochschulausbildung auf diesen Prioritätenwechsel aus.

Heutige chinesische Haltung zu den Ereignissen

Die chinesische Führung steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass 1989 „durch entschlossenes Eingreifen die Stabilität des Landes gesichert“ worden sei. Zuletzt wurde diese Ansicht im Oktober 2004 von Hu Jintao (胡錦濤) während seines Staatsbesuchs in Frankreich vertreten.

Der Staat versucht, eine kritische Debatte über die Ereignisse wie auch jede Erinnerung daran innerhalb Chinas zu unterbinden. So sind Inhalte über das Tian'anmen-Massaker im Internet auch Gegenstand der Internetkontrolle in China. Chinesische Bürgerrechtler wie Li Hai, die sich heute für das Schicksal der Opfer und ihrer Hinterbliebenen interessieren, werden weiterhin vom Staat verfolgt.[2]

Internationale Reaktionen

Zerstörtes Fahrrad und Panzerspur – Symbol des chinesischen Widerstands im polnischen Breslau

Die Niederschlagung der Proteste schadete dem weltöffentlichen Ansehen der Regierung Chinas sehr. Als Reaktion auf die Stimmung der Weltöffentlichkeit wurde von der EU und den USA zumindest ein Waffenembargo gegen die Volksrepublik China verhängt, das weiterhin (Stand 2008) in Kraft ist.

In Hongkong findet weiterhin jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung statt (2006: 44.000 Teilnehmer), über die in den Medien der Volksrepublik China allerdings nicht berichtet wird. Außerdem befindet sich auf dem Campus der University of Hong Kong (HKU) ein Pillar of Shame genanntes Mahnmal aus Beton, welches als Reaktion auf die Ereignisse von Studenten geschaffen und in einem Umzug durch Hongkong transportiert worden war.

Unterstützung fand das harte chinesische Vorgehen gegen die Proteste bei der DDR-Führung. Das Neue Deutschland kommentierte sie am 5. Juni 1989: „Konterrevolutionärer Aufruhr in China wurde durch Volksbefreiungsarmee niedergeschlagen“[3]. Die Volkskammer verabschiedete eine Resolution, in der die DDR ihre Unterstützung für die Niederschlagung der „konterrevolutionären Unruhen“ bekanntmachte. Während eines Besuches des chinesischen Außenministers Qian Qichen in Ost-Berlin lobte der Außenminister der DDR, Oskar Fischer, die engen Beziehungen zwischen der DDR und der Volksrepublik China; DDR-Politiker wie Hans Modrow, Günter Schabowski und Egon Krenz besuchten China, um ihre Unterstützung zu dokumentieren[4][5]. So äußerte sich Krenz im Juni 1989 mit den Worten, es sei „etwas getan worden, um die Ordnung wiederherzustellen“. In der Zuspitzung der Ereignisse der politischen Veränderung in der DDR tauchte zwischenzeitlich die Befürchtung auf, die Staatsführung der DDR könne sich für eine Chinesische Lösung entscheiden. Im Juni 1990 bedauerte die mittlerweile frei gewählte DDR-Volkskammer die Unterstützung der chinesischen Regierung ein Jahr zuvor und gedachte der Opfer.

Literatur

  • Jonathan Spence: Chinas Weg in die Moderne. München 1995, ISBN 978-3-446-16284-6.
  • Orville Schell: Das Mandat des Himmels. China: Die Zukunft einer Weltmacht. Berlin 1995, ISBN 978-3-87134-251-6.
  • Andrew J. Nathan, Perry Link: Die Tiananmen-Akte. Die Geheimdokumente der chinesischen Führung zum Massaker am Platz des Himmlischen Friedens. 2001, ISBN 978-3-549-07134-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Naomi Klein: Die Schock-Strategie: Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus. Fischer (S.), Frankfurt 2007
  2. Grit Hartmann: „Die verordnete Harmonie“. In: Berliner Zeitung, 27.3.2008.
  3. zit. nach Das Westfernsehen und der revolutionäre Umbruch in der DDR im Herbst 1989 http://www.lars-bruecher.de/ddr_westmedien.htm#_ftn212
  4. Bundeszentrale f. politische Bildung: Zusammenbruch des SED-Regimes
  5. Tagebuch der Deutschen Einheit


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