Tierschutzgesetz

Tierschutzgesetz

Tierschutzrecht umfasst Rechtsprechung und Gesetze zu Tierschutzfragen. Sie wurden in vielen Ländern erlassen, um Tiere, insbesondere Wirbeltiere wie Haus- und Nutztiere vor Tierquälerei und Missbrauch durch Menschen zu schützen und den Umgang mit Tieren, die Tierhaltung und Nutzung, den Tierschutz sowie Tierversuche zu regeln. Internationale Regelungen umfassen insbesondere den Handel mit lebenden Tieren und Tierprodukten unter der Maßgabe des Artenschutzes.

In den letzten Jahren wurden die Tierschutzgesetze in den meisten Ländern der Europäischen Union und ihrer Nachbarländer verschärft. In Spanien ist ein bundesweit gültiges einheitliches Tierschutzgesetz geplant aber noch nicht erlassen. In China und Indien gibt es nur geringe oder keine Regelungen zum Tierschutzrecht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits im Alten Testament finden sich Hinweise und rechtliche Vorgaben zur Verantwortung und schonenden Umgang mit Mitgeschöpfen [1]. Auch im Reich des Kaisers Ashoka (272 v. Chr.-232 v. Chr.) war die Stellung der Tiere bereits gesetzlich geregelt. Ein frühes neuzeitliches Tierschutzgesetz trat im Jahre 1502 unter Sultan Beyazid II in Istanbul in Kraft. Es wurde unter Strafe gestellt wenn Nutztiere wie Pferde und Esel nicht richtig behandelt beziehungsweise unter Qualen arbeiten mussten. Dazu zählte auch, dass die Tiere entsprechendes Geschirr und Sattel tragen mussten.

Viele heutige Aspekte des Tierschutzes sind mittlerweile auch durch europäisches Recht geregelt; dieses wird von den Mitgliedsstaaten in nationale Gesetzte umgesetzt. Seit 1986 regelt beispielsweise die EG-Richtlinie 86/609/EWG den Umgang mit Versuchstieren. In dieser Richtlinie ist festgelegt, dass Versuchstiere artgerecht gehalten werden müssen.

Gesetzlicher Tierschutz in Deutschland von 1871 bis 1930

In Deutschland wurde im Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 (§ 360 Nr. 13) als Übertretung mit Strafe bedroht, wer „öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft quält oder misshandelt.“ Geschützt wurde also das Empfinden der Menschen, weswegen man von einem anthropozentrischen Tierschutz spricht.

Im Kaiserreich forderte eine Vielzahl von Initiativen und Gruppen eine weitere Verstärkung des Tierschutzes und insbesondere auch eines Verbots der Vivisektion. Ein prominentes Mitglied wie Richard Wagner forderte in seinen letzten Lebensjahren nicht nur eine Abschaffung von Tierversuchen, die für ihn zutiefst jüdisch und verdammenswert erschien, sondern ebenso vehement eine Abkehr vom Fleischverzehr. 1885 wurden in Preußen mit dem „Gossler-Erlaß“ die vorhandenen Bestimmungen zur Vivisektion neu formuliert und moderat verschärft. Weitergehende Petitionen und Initiativen zum Tierschutz wurden mit Hinweis auf diese Regelung regelmäßig ignoriert und abgeschmettert. Die einprägsamen Forderungen der Anti-Vivisektionisten fanden bei der wachsenden Zahl rechtsextrem gesinnter Menschen hohen Zuspruch wie auch bei rechten Lebensreformern, die eine Abkehr von der modernen „jüdischen“ Wissenschaft hin zu einer rein deutschen Volks- und Naturmedizin forderten. 1930 kam es mit dem sogenannten Grimme-Erlaß zu einer weiteren Verschärfung, die aber den massenhaft, in über 700 verschiedenen Vereinen und Organisationen engagierten Tierschützern, bei weitem nicht genügte.

Tierschutz und Tierschutzgesetzgebung im Nationalsozialismus

Für die Nationalsozialisten war der Tierschutz ein willkommenes populäres Thema - auch weil Pelzhändler wie praktische und akademische Mediziner und Biologen vielfach Juden waren und mit Tierschutzargumentationen nicht nur deren berufliche Existenz in Frage zu stellen, sondern über das Verbot des religiös bedingten Schächtens hinaus auch ihr kulturelles Leben unter Druck zu setzen war. Nach der Machtübernahme 1933 wurde bereits ab dem 1. April 1933 unter Innenminister Wilhelm Frick mit Hochdruck und intensiver Mitarbeit der Tierschutzverbände an einem pathozentrischen Tierschutzgesetz gearbeitet, welches das Leiden des Tieres und nicht mehr dessen öffentliche Wirkung in den Mittelpunkt stellte.

Der durch ein Gesetz vom 26. Mai eingefügte § 145b StGB bestrafte nun generell das rohe Misshandeln sowie das absichtliche Quälen von Tieren als Vergehen (RGBl. I S. 295[2]). Diese Strafvorschrift wurde in das am 24. November erlassene Reichstierschutzgesetz (RGBl. I S. 987[3]) übernommen.

Ein Verbot des rituellen Schächtens wurde am 21. April 1933 durch das Gesetz über das Schlachten von Tieren (RGBl. I S. 203[4]) eingeführt. Unter vermeintlich zivilisatorischen Vorzeichen bediente es antisemitische Ressentiments und schränkte religiöse Freiheiten der Juden erheblich ein.[5]

Am 16. August 1933, über drei Monate vor Erlass des Reichstierschutzgesetzes, hatte Hermann Göring in seiner Funktion als preußischer Ministerpräsident die „Vivisektion an Tieren aller Art für das gesamte preußische Staatsgebiet“ per Erlass als verboten erklärt. Die gleichzeitige Androhung von Lagerhaft für Tierquälerei im Rahmen einer Radioansprache war eine der ersten öffentlichen Erwähnungen der Konzentrationslager.

Die nationalsozialistische Tierschutzgesetzgebung stand nicht im Gegensatz zu den massenhaft durchgeführten Menschenversuchen mit oft tödlichem Ausgang, genauso wenig wie dem nationalsozialistischen Krankenmord oder dem Holocaust. Der nationalsozialistische Tierschutzgedanke implizierte eine radikale Verschiebung innerhalb der Mensch-Tier-Hierarchie, ausgewählten Tieren wurden als ideologischer Bestandteil einer arisch-naturverbundenen Volksgemeinschaft Schutz gewährt, außerhalb dieser stehenden Menschen wurde dieser verwehrt[6].

Auf den Punkt brachte diese Einstellung Heinrich Himmler bei seiner Posener Rede am 4. Oktober 1943:

Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird. (…) Wir Deutsche, die wir als einzige auf der Welt eine anständige Einstellung zum Tier haben, werden ja auch zu diesen Menschentieren eine anständige Einstellung einnehmen, aber es ist ein Verbrechen gegen unser eigenes Blut, uns um sie Sorge zu machen…. [7]

Gesetzlicher Tierschutz in Deutschland seit 1945

Die DDR hat die Regelungen des Reichstierschutzgesetz in den 50er Jahren wieder übernommen. Die Tierschutzgesetze aus dem Dritten Reich galten in der Bundesrepublik Deutschland als vorkonstitutionelles Recht fort, wurden aber bis heute durch neu erlassene Gesetze ersetzt. So wurde am 24. Juli 1972 ein neues Tierschutzgesetz verkündet, das mehrfach geändert und zuletzt am 18. Mai 2006 neugefasst wurde.

In dem 1990 durch das TierVerbG eingefügten § 90a BGB wird ausdrücklich festgestellt, dass Tiere keine Sachen sind. Allerdings sind auf sie grundsätzlich die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Helmut Heinrichs beschreibt den Paragraphen daher als eine „gefühlige Deklamation ohne wirklichen rechtlichen Inhalt“[8]. Othmar Jauernig hebt insbesondere die Inhaltslosigkeit von § 90a Satz 2 BGB hervor und weist darauf hin, dass dessen Banalität von § 903 Satz 2 BGB sogar noch übertroffen würde.[9].


Am 26. Juli 2002 wurde im Plenum des Bundestages das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz verankert, nachdem dies 2000 noch abgelehnt worden war. Der Art. 20a des Grundgesetzes lautet nun:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Auch diese Regelung ist bisher ohne größere rechtspraktische Bedeutung geblieben und wurde lediglich vereinzelt in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung herangezogen, um Muslimen das Schächten zu untersagen. Durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2002 (1 BvR 1783/99) wurde festgelegt, dass das Tierschutzgesetz so auszulegen ist, "dass muslimische Metzger eine Ausnahmegenehmigung für das Schächten erhalten können."

Der Tierschutz ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG ein Rechtsbereich der konkurrierenden Gesetzgebung.

Gesetzlicher Tierschutz in Österreich und der Schweiz

In Österreich war der Tierschutz bis zum Ablauf des Jahres 2004 in Gesetzgebung und Vollziehung Ländersache und wurde 2005 nach Artikel 11 (8) der Österreichische Bundesverfassung zur Bundessache. Näheres regelt das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Schutz der Tiere. Ferner gibt es in Österreich ein Gesetz über Versuche an lebenden Tieren (Tierversuchsgesetz) von 1989.

Am 1. Januar 2005 ist das Tierschutzgesetz des Bundes in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 118/2004). Durch die gleichzeitig mit der Erlassung dieses Gesetzes beschlossene Änderung des Art. 11 des Bundesverfassungsgesetzes wurde die Gesetzgebungskompetenz zum Bund verlagert. Die Vollziehung der tierschutzrechtlichen Normen bleibt jedoch weiter Aufgabe der Länder. Der Bund hat sich verschiedene Kontrollrechte vorbehalten (Einschaurecht, Berichtspflicht der Länder etc). Behörde I. Instanz sind die Bezirksverwaltungsbehörden. Über Berufungen entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat. Die Landesregierung ist sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, sie hat den Vollzug zu koordinieren, trifft aber selbst keine Sachentscheidungen. Bund, Länder und Gemeinden haben den Tierschutz nach Maßgabe der budgetären Mittel zu fördern. Ein wichtiger Punkt des neuen Gesetzes ist auch die Schaffung eines Tierschutzombudsmannes in jedem Bundesland, der die Interessen des Tierschutzes zu vertreten hat. Er genießt in den behördlichen Verfahren Parteistellung. Im Strafgesetzbuch vom 1. Januar 1975 sind die Strafbestimmungen für rohe Misshandlung von Tieren bundeseinheitlich festgelegt: Bis zu ein Jahr Freiheitsentzug oder 360 Tagessätze Geldstrafe. Außerdem existiert seit dem 1. Juli 1974 ein Tierversuchsgesetz.

Die Schweizer Bundesverfassung der Schweiz erwähnt den Tierschutz in § 80. In der Schweiz wurde am 9. März 1978 das Tierschutzgesetz verabschiedet und am 27. Mai 1981 die Tierschutzverordnung. Im Jahre 1992 wurde in die Schweizerische Bundesverfassung eine Bestimmung über die Kreaturwürde eingefügt. Art. 120 Satz 2 lautet: Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten

Einzelnachweise

  1. Hanna Rheinz, Kabbala der Tiere, Tierrechte im Judentum, in Tierrechte, eine interdiszinplinäre Herausforderung, Hrsg IATE, Heidelberg 2007, S. 234-252
  2. RGBl. I 1933 S. 295 (via ÖNB/ALEX)
  3. RGBl. I 1933 S. 987 (via ÖNB/ALEX)
  4. RGBl. I 1933 S. 203 (via ÖNB/ALEX)
  5. Julius Ludwig Pfeiffer: Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972. Die Geschichte des deutschen Tierschutzrechts von 1950 bis 1972. (Rechtshistorische Reihe, Band 294), Bern / Frankfurt am Main, 2004, Verlag Peter Lang, ISBN 3-631-52708-X
  6. [1] IDB Münster • Ber. Inst. Didaktik Biologie Suppl.2 (2002), 167-184 167, Tierschutz und Nationalsozialismus Die Entstehung und die Auswirkungen des nationalsozialistischen Reichstierschutzgesetzes von 1933 Daniel Jütte
  7. Text der Rede beiwww.nationalsozialismus.de
  8. Palandt/Heinrichs, BGB, § 90a, Rn. 1
  9. Jauernig, BGB, § 90a, Rn. 1

Weblinks


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