Tonale Musik

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Tonalität ist ein musikalisches System oder geordnetes Ganzes, in dem bestimmte hierarchische Tonhöhenbeziehungen gelten, die auf ein "Zentrum" einer Tonleiter bezogen sind oder etwas enger gefasst auf eine Tonika.

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff Tonalität

Der Ausdruck Tonalität (tonalité) rührt von Alexandre Choron (1810) her, und wurde von François-Joseph Fétis 1840 entliehen [1]. Obwohl es Fétis als allgemeine Bezeichnung für die musikalische Ordnung benutzte und eher von Arten der Tonalität sprach, als von einem einzelnen System, wird der Begriff heute meist dazu benutzt, um sich auf die Dur-Moll-Tonalität zu beziehen (die auch die diatonische, funktionale oder harmonische Tonalität genannt wird), eben dem System musikalischen Aufbaus, das in der Klassik in Gebrauch war und dessen sich weltweit die meiste moderne populäre Musik heute bedient.[2]

Tonalität ist deshalb eine Eigenschaft von großen Teilen der abendländisch beeinflussten Musik: tonale Musik bezieht sich innerhalb des vorherrschenden Systems aus 12 Halbtönen auf ein tonales Zentrum. Dieses besteht aus einem bestimmten Ton (dem Grundton bzw. Zielton) und den auf diesem aufbauenden sowie den damit verwandten Dreiklängen. Jean-Philippe Rameau meinte mit dem engeren Begriff Tonika auch schon einen Akkord („l'accord tonique“). Er ist deswegen nicht synonym, weil auch eine einstimmige Melodie Tonalität hervorrufen kann.

Diese spezielle diatonische oder funktionale Tonalität bringt es mit sich, dass die in einem Musikstück vorkommenden Akkorde nach bestimmten Mustern zusammengesetzt sind und aufeinander folgen. Hierbei werden im Rahmen der Harmonielehre manche Akkorde als auflösungsbedürftige Dissonanzen, andere als in sich ruhende Konsonanzen gewertet. Eine Abweichung vom tonalen Zentrum verursacht einen Spannungsaufbau, eine Rückkehr eine Entspannung. Ebenfalls lassen sich in tonaler Musik die verwendeten Tonarten bestimmen. Genau genommen handelt es sich mit dieser Definition um die in unserem Kulturkreis fast selbstverständliche Dur-Moll-Tonalität.

Etwas allgemeiner läßt sich Tonalität fassen, wenn man von einem Tonsystem, also einer Auswahl von Tönen fester Tonhöhe ausgeht. Dort kann es je nach System ein, zwei oder mehrere Töne mit einer größeren Ruhewirkung, Schlußwirkung oder Auflösungswirkung geben. Diese Eigenschaft kann sich schon an einstimmigen Melodien zeigen. Entwickelt sich die Musik von diesen Ruhetönen weg oder baut zu ihnen Spannung auf, so wird die Annäherung an einen Ruheton und Auflösung der Spannungen wieder als Ruhewirkung oder gar als Schlußwirkung empfunden und ein tonales, eventuell nur vorübergehendes Zentrum erreicht. Als Beispiel lassen sich schon die mittelalterlichen Kirchentonleitern anführen, die Melodien hervorgebracht haben, die sich dem Dur-Moll Schema nicht vollständig fügen können, ohne ihre Charakteristik zu verlieren.

Geschichte

Aristoxenos' Musiktheorie ist ein frühes Musterbeispiel für angewandte Mathematik aus der klassischen Antike kurz vor Euklid und beschäftigt sich mit Tonsystemen als erstes exakt. Er baute die Musiktheorie strikt auf der Wahrnehmung mit dem Gehör auf und gilt daher als der führende Harmoniker. Er lehnte die akustische Musiktheorie der Pythagoras-Schule ab, die Intervalle über Zahlenverhältnisse definierte, als Abirren auf ein fremdes Gebiet und kritisierte ihre unüberprüfbaren Hypothesen (Archytas) und ihre mit Ungenauigkeiten behafteten Flöten- und Saitenexperimente. Euklid, der in seiner Musikschrift Teilung des Kanons eine pythagoreisch-modifizierte Fassung des diatonischen aristoxeneischen Tonsystems bot, bewies gleichzeitig aber eine Reihe von Sätzen gegen die Harmonik des Aristoxenos.[3]

Alle späteren antiken Musiktheoretiker im Bereich der Harmonik übernahmen von Aristoxenos die musikalische Terminologie[4]. Aristoxeneer (z.B. Psellos) heißen diejenigen Musiktheoretiker, die sich an der Lehre des Aristoxenos orientierten und sich von der pythagoreischen Richtung fernhielten. Sie entfernten jedoch fälschlicherweise alle Mathematik aus seiner Lehre, das heißt alle Axiome und Beweise und viele Definitionen, ferner auch die ganze experimentelle wahrnehmungsbezogene Fundierung. Das führte zu einer Reihe von Missverständnissen.[3]

Vertreter einer aristoxeneisch-pythagoreischen Kompromisslinie waren auch Eratosthenes und vor allem Ptolemaios.[3]

Ptolemaios wirkte weiter über Boethius, der den Disput zwischen der Pythagoras- und Aristoxenos-Schule im lateinischen Sprachraum tradierte und wesentlichen Einfluss auf die mittelalterliche und heutige Tonsystemtheorie hatte. In der mittelalterlichen Musik bekamen die aristoxenische Formen der Oktave, die auch als Oktavgattungen bezeichnet werden, eine praktische Bedeutung für die Kirchentonarten.[3]

Die tonale Musik löste dann die modale Musik des Mittelalters ab, die auf den Kirchentonarten beruhte, wobei viele der Merkmale von Tonalität schon dort galten. Die authentische Kadenz nimmt in ihr eine zentrale Stellung ein, an ihrem Ende teils sogar eine ausschließliche. Im 18. Jahrhundert waren schließlich nur noch die Tongeschlechter Dur und Moll übrig. Moll bleibt aber als gleichnamiges Moll und paralleles Moll immer noch zweideutig. Es wurden Stufentheorie und die Funktionstheorie als Systeme der musikalischen Analyse entwickelt, jedoch nachträglich als deren Gesetze schon längst wieder außer Kraft gesetzt waren, nämlich Ende des 19. Jhs. vor allem durch Hugo Riemann. Ein Gegner dieser Richtung war Johannes Brahms. Zitat Hermann von Helmholtz: Die Vorherrschaft des Tonalen wirkt als Verbindungsglied für alle Töne eines Stückes.

Bei der Kadenz in der klassischen Musik als Ordnungsprinzip seit 1700 für ca. 200 Jahre handelt es sich um eine harmonische-tonale und gewichtsmäßig-metrische Gruppierung. Die einzelnen Stimmen bewegen sich einem Schluss zu, der als Tonalitätszentrum empfunden wird. Entfernt man sich vom Zentrum wird das als unbetonter, angehobener Schritt empfunden. Ebenso tragen rhythmische Aspekte zum Empfinden der Tonalität bei: ein erster Ton, ein erster Klang wird als Tonalität aufgefasst.[5]

Im 19. Jahrhundert wurden bei Richard Wagner und anderen Komponisten nach und nach die Grenzen der Tonalität erweitert, bis sie im musikalischen Impressionismus (z. B. Claude Debussy) schon nicht mehr stufen- oder funktionsharmonisch betrachtet werden konnte.

Die völlige Befreiung von der Beschränkung auf die Tonalität brachte im 20. Jahrhundert der Komponist Arnold Schönberg, dessen atonale Kompositionsweise theoretisch von Theodor W. Adorno in seiner „Philosophie der Neuen Musik“ vertreten wird.

Trotzdem sind bis heute nahezu alle Bereiche auch und gerade der populären Musik weiterhin durch eine mehr oder weniger erweiterte Tonalität geprägt. Lediglich Neue Musik ist in den überwiegenden Fällen atonal.

Einzelnachweise

  1. Weiterführende Autoren: Reti, 1958; Simms 1975, 119; Judd, 1998; Dahlhaus 1990
  2. englischer Artikel: en:Tonality
  3. a b c d Artikel Aristoxenos
  4. Fußnote: Aristoxenos definierte auf rein musikalischer Grundlage unter anderem folgende Begriffe: Intervall, Tonsystem, Ton, Halbton, Drittelton, Viertelton, ..., diatonisches, chromatisches und enharmonisches Tongeschlecht, Dauer, Rhythmus.
  5. Lars Ulrich Abraham, Harmonielehre, zwei Bände, Laaber Verlag

Literatur

  • Helmuth Federhofer Akkord und Stimmführung in den musiktheoretischen Systemen von Hugo Riemann, Ernst Kurth und Heinrich Schenker
  • Wilfried Neumaier: Was ist ein Tonsystem? Eine historisch-systematische Theorie der abendländischen Tonsysteme, gegründet auf die antiken Theoretiker, Aristoxenos, Eukleides und Ptolemaios, dargestellt mit Mitteln der modernen Algebra. Lang, Frankfurt am Main/Bern/New York 1986, ISBN 3-8204-9492-8. 

Siehe auch


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