Totenbildchen

Totenbildchen
Totenzettel aus dem Rheinland, 1885

Totenzettel sind einfache oder gefaltete Zettel mit den wichtigsten Lebensdaten eines Verstorbenen, die meist im Rahmen der Totenmesse an die anwesenden Trauergäste verteilt werden. Der Brauch war im gesamten katholischen Europa verbreitet und wird in manchen Gegenden auch heute noch praktiziert.

Im weiteren Sinn versteht man unter Totenzetteln auch Todesnachrichten, die früher im Ort verteilt oder versandt wurden. Ihrem Zweck nach waren sie jenen ähnlich, die man auch heute noch benützt, um das Ableben eines Menschen den Verwandten, Freunden, Bekannten oder der Öffentlichkeit mitzuteilen, zur Beerdigung einzuladen, aber auch, um das Gedenken im Gebet zu erbitten. Sie sind eine sehr informative Quelle für die Ahnenforschung.

Inhaltsverzeichnis

Alternative Bezeichnungen

In manchen Gegenden sind dafür die Bezeichnungen Totenbild(chen), Sterbebild(chen) und Sterbezettel, Trauerbild(chen) und Trauerzettel, Leichenzettel, Grabzettel gebräuchlich, in Österreich werden sie auch Parten oder Partezettel genannt, in Holland Bidprentjes.

Geschichtlicher Rückblick

Der Totenzettel, wie er sich heute in verschiedenen Sammlungen findet, ist ein Kind des 17. Jahrhunderts, wenn man einmal von Einzelfällen aus früherer Zeit absieht. Niederländische Quellen nennen das Jahr 1668 als frühest nachweisbares Datum der Bidprentjes; der älteste Würzburger Totenzettel stammt aus dem Jahr 1672. Totenzettel erfreuten sich insbesondere in den Niederlanden einer besonderen Beliebtheit, wie die umfangreichen Sammlungen in Nimwegen (Albertinum) und Amsterdam (Museum Amstelkring) mit je 300.000 Exemplaren sowie jene des Central Bureau voor Genealogie in Den Haag mit über 1 Mio. Exemplaren zeigen. Inhalt und Umfang hat sich dabei den Gewohnheiten der jeweiligen Zeit angepasst. Zu Ende des 17. und vor allem im 18. Jahrhundert ließ man auf vielen Totenzetteln das Leben des Verstorbenen Revue passieren, vermerkte wichtige Ereignisse und pries die religiöse Prägung des beendeten Lebenslaufes. Begleitend konnten Trost spendende Zitate biblischer oder sonstiger Herkunft abgedruckt sein, manchmal in lateinischer Sprache sowie in der deutschen Übersetzung.

Im 19. Jahrhundert verbreitete sich der Brauch über das gesamte katholische Europa und erreichte 1840 Bayern. Bis 1860 wurden gewöhnliche Heiligen- oder Andachtsbildchen, gelegentlich solche mit gestanztem Spitzenrand, auf der Rückseite mit dem Namen und sonstigen Angaben zur Person des Verstorbenen bedruckt. Erst danach setzte die Produktion spezieller Sterbebilder mit schwarzem, oftmals aber auch silbernem Trauerrand ein.

Je weiter man sich dem 20. Jahrhundert nähert, desto mehr verknappt sich der Umfang der Totenzettel auf einige wenige Lebensdaten des Verstorbenen und desto mehr vereinfacht sich der Bildschmuck. Es bleibt oft nur der Trauerrand. Der Wunsch, der Verstorbene möge die ewige Ruhe erlangen und die an die Hinterbliebenen gerichtete Bitte um ein Gebet für den Verstorbenen gehören zum unverzichtbaren Bestandteil der Totenzettel.

Das Sammeln von Totenzetteln gehört mittlerweile zu den beliebten Sammelhobbies.

Format

Die kleinformatigen Totenzettel sind in der Regel zwei- oder vierseitig und werden im Papierformat DIN A6 oder auch DIN A7 gedruckt, die größeren erreichen DIN A4 oder sogar das Format eines kleineren Plakats.

Auf der ersten Seite ist meistens ein Bild zunächst in Schwarz-Weiß, heute meist farbig abgedruckt.

Bildliche Gestaltung

Hauptthema war früher auf den Sterbebildern die Passion Christi. Szenen der Todesangst auf dem Ölberg, über den Kreuzweg und den Kreuzestod selbst bis zur Auferstehung waren die Regel. Häufig dargestellt findet sich in diesem Themenkreis Maria als schmerzensreiche Muttergottes. Daneben gab es Bilder, welche die Heilige Familie in ihrer werktäglichen Beschäftigung zeigten.

Sterbebild eines jungen Mädchens aus dem Jahr 1887

Eine große Rolle, vor allem bei verstorbenen Kindern, spielten Schutzengelbilder oder auch Darstellungen von Maria oder Christus als Spender von Trost und Zuversicht. Gerne wählte man Abbildungen der als wundertätig geltenden Marien- oder Heiligenfiguren bekannter Wallfahrtsorte in Bayern, vor allem der „Schwarzen Madonna“ von Altötting. Auch Auferweckungswunder wurden vereinzelt dargestellt.

Von etwa 1885 bis Ende des Ersten Weltkrieges war das ikonographische Angebot am breitesten gefächert. Es gab eine fast unüberschaubare Fülle symbolischer und allegorischer Darstellungen mit Grabkerzen, Gedenksteinen, Urnen und Säulen sowie Stillleben aus Kreuzen, Leidenswerkzeugen, Ankern, Kelchen, Herzen usw., welche die Verstorbenen in den Himmel geleiten.

Ab etwa 1875 wurden die Textseiten der Sterbebilder vielerorts mit Original-Fotografien versehen. Die Fotos mussten hierzu in Handarbeit ausgeschnitten und aufgeklebt werden. Der Brauch, den Verstorbenen selbst mit abzubilden, verbreitete sich ab 1885. In Bayern fasste diese Sitte nur sehr zögernd Fuß. Lediglich die Sterbebilder von Honoratioren oder anderen „hochstehenden“ Persönlichkeiten weisen hie und da ein Foto des Verstorbenen auf. Erst mit den Gefallenenbildchen des Ersten Weltkrieges wurde das Einrücken eines Fotos auch in Bayern üblich.

Textliche Gestaltung

Neben der bildlichen Darstellung auf der Vorderseite war stets auch der ausgewählte Text auf der Rückseite des Sterbebildes von großer Bedeutung. Zwischen 1880 und 1950 waren die Sterbebilder sehr beredt. Der Betrachter erfährt vom Familien- und Gesellschaftsstand „ehrengeachteter“ Männer und Frauen und davon, ob sie verheiratet, verwitwet oder als „tugendsame Jünglinge oder Jungfrauen“ dahingeschieden waren. Schmunzeln muss man heutzutage, wenn von „ehrbaren Fräulein“ oder „tugendsamer Jungfrau“ die Rede ist, welche unverheiratet selbst noch mit 80 oder 90 Jahren so bezeichnet wurden.

Bei den Begriffen „Hochwohlgeborene“ oder „Wohlgeboren“ kann man davon ausgehen, dass diese aus „besseren Kreisen“ stammten. In der Landwirtschaft spielten Hof- und Flurnamen eine gewichtige Rolle. Es wurde genau festgehalten, ob die verstorbene Person Bäuerin, Austragsmutter, Bauernsohn oder der „Huberbauer“ war.

Das lange oder kurze Leiden wurden ebenfalls genannt. Bei Unglücksfällen ist auch deren Art bezeichnet worden, selbst vom Tod durch „Mörderhand“ ist zu lesen. Sorgfältig ist auch das genaue Alter des oder der Verstorbenen angeführt sowie der Empfang der Sterbesakramente. Vermerkt wurden früher auch Verdienste beim Militärdienst und Kriegsauszeichnungen, Verdienste in öffentlichen Ämtern und wichtigste weltliche bzw. geistliche Orden und Ehrenzeichen sowie Mitgliedschaften im Dritten Orden. Auch die Berufsbezeichnung galt bis in die 50-er Jahre hinein als unerlässlich. Weitere wichtige Informationen auf den Totenzetteln sind Geburtsnamen, Geburts- und Sterbeort.

Vielfach wurden die Sterbebilder mit Sinnsprüchen – meist alte Gebetstexte, Bibel- oder Kirchenväterzitate – versehen. Häufig findet sich das lateinische „Requiescat In Pace“, oft auch abgekürzt zu „R.I.P.“ auf der Vorder- oder Rückseite des Sterbebildes. Manchmal wurde auch angegeben, wie viele Tage Ablass dem Verstorbenen durch bestimmte Gebete zugewandt werden können.

Druckverfahren

Technisch waren die Sterbebilder von etwa 1860 bis 1890 in Stahlstich oder Lithografie ausgeführt. Ab 1880 verlegte man sich zunehmend auf die Chromlithografie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Kupfertiefdruck aufgenommen. Heute ist de Druck nach Motiven alter Kunst üblich. Auch melancholische Landschaftsbilder findet man. Beliebt sind vor allen Dingen auch randlose Vierfarbendrucke.

Siehe auch

Danksagung, Leichenpredigt, Todesanzeige, Andachtsbildchen

Literatur

  • Alois Lederer: Seit 1840 erinnern in Bayern Sterbebilder an die Verstorbenen. Labertaler Igeleien - Lesejournal der ArGe Naherholung Mittleres Labertal - Ausgabe November 2004

Weblinks


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