Trawniki-Bataillon

Trawniki-Bataillon
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Im Ort Trawniki, im Landkreis Świdnicki etwa 40 km südöstlich von Lublin, hatte die deutsche Totenkopf-SS im Herbst 1941 auf dem Gelände einer alten Zuckerfabrik mit Bahnanschluss ein Zwangsarbeitslager und ein SS-Ausbildungslager für „Freiwillige“ eingerichtet. Die dort ausgebildeten, meist ukrainischen Hilfskräfte für die KZ-Wachmannschaften wurden zur Durchführung des Völkermords eingesetzt und häufig als „Trawniki-Männer“ bezeichnet oder kurz „die Trawniki“ genannt.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildungslager

Im „Ausbildungslager Trawniki der SS“ wurden, wie es im SS-Jargon hieß, „fremdvölkische Einheiten“ für den SS- und Polizeiführer von Lublin, Odilo Globocnik, aufgestellt und ausgebildet. Diese sollten in erster Linie zur Ermordung der Juden im Generalgouvernement (deutsch besetztes Polen) eingesetzt werden. Die Befehlsgrundlage ergab sich aus der Ernennung Globocniks als Beauftragter des Reichsführers-SS für Errichtung von SS- und Polizeistützpunkten im neuen Ostraum vom 17. Juli 1941. In den eroberten Gebieten der Sowjetunion sollten diese Stützpunkte errichtet werden, um die Ermordung von dort siedelnden Minderheiten und die deutsche Besiedlung zu steuern.

Ausbilder und Ausbildung

Zu diesem Zweck wurde für nicht-deutsches Personal das SS-Ausbildungslager Trawniki errichtet. Es unterstand dem Stab des SS- und Polizeiführers und wurde zunächst durch SS-Sturmbannführer Hermann Höfle beaufsichtigt. Ab dem 17. Oktober 1941 übernahm Karl Streibel die Leitung des SS-Ausbildungslagers. Das Personal wurde aus sowjetischen Kriegsgefangenen vor allem in den Stammlagern im Distrikt Lublin rekrutiert. Dort meldeten sich Volksdeutsche, in erster Linie aber Ukrainer. Daneben wurden auch Letten und Litauer angeworben. Zuerst wurden nur Freiwillige (SS Jargon: „Hilfswillige“) aufgenommen. Später, besonders ab Anfang bis Mitte 1943, wurden auch zwangsweise verpflichtete Einheimische aus dem Generalgouvernement ins Lager dienstverpflichtet.

Insgesamt wird die Zahl der Ausgebildeten auf 4.000 bis 5.000 geschätzt. Es wurden zwei Bataillone und ein Unterführer-Lehrgang gebildet. Die Dauer der Ausbildung betrug etwa zwei bis drei Monate im militärischen Teil. Das deutsche Personal, das für die Aktion Reinhard vorgesehen war, hatte eine kürzere Ausbildung. Die nichtdeutschen Absolventen der Ausbildung wurden „Askaris“ (arab. askari: Soldat), „Trawniki-Männer“, „Wachmänner“ oder „Hiwis“ genannt. Sie waren einer strengen Disziplin unterworfen und meist 18 bis 22 Jahre alt.

Einsatzgebiete und -orte

Mit dem Scheitern der Eroberung der Sowjetunion beschränkten sich die Einsatzgebiete der Trawniki-Männer auf das Gebiet des Generalgouvernements. Die beiden Hauptaufgaben beschränkten sich auf die Bewachung und Partisanenbekämpfung. So wurden Trawniki-Männer zur Bewachung von militärischen und zivilen Objekten, bei Zwangsarbeitslagern und im Arbeitslager von Trawniki eingesetzt. Ab 1943 kamen Trawniki-Männer auch zur Bewachung des KZ Auschwitz und des KZ Stutthof zum Einsatz. Andere wurden zur Ermordung von Juden im Rahmen der Aktion Reinhard eingesetzt.

Mehrere Züge des Personals von Trawniki wurden in den Vernichtungslagern von Belzec, Sobibor und Treblinka eingesetzt. Auch innerhalb der Lager übten sie Funktionen aus wie den Betrieb von Gaskammern und bei der Leichenverbrennung. Auch die Arbeitskommandos, die außerhalb der Lager tätig waren, wurden von Trawniki-Männern bewacht. Ein zahlenmäßig großer Teil von Trawniki-Männern nahm an den „Umsiedlungen“ oder „Aktionen“, wie die Ghettoräumungen und Massenerschießungen genannt wurden, teil. Hier ist vor allem die Aktion Reinhard bei Warschau und Lublin zu nennen, wo Juden von Juli bis September 1942 nach Treblinka deportiert wurden. Als es zum Ghettoaufstand im April/Mai 1943 in Warschau kam, wurden zur militärischen Niederschlagung auch Trawniki-Männer eingesetzt.

Ab Herbst 1943 verlagerte sich der Schwerpunkt des Einsatzes auf die Partisanenbekämpfung im Distrikt Lublin. Ab Sommer 1944 mussten sich auch die Einsatzkommandos mit den deutschen Truppen nach Westen zurückziehen, so dass sie z. B. bei der Leichenverbrennung in Dresden im Februar 1945 eingesetzt wurden. Einerseits waren die Trawniki-Männer wegen ihrer Brutalität sehr gefürchtet, andererseits kam es auch zu Desertionen aus dem Ausbildungslager von Trawniki und auch teilweise aus den Vernichtungslagern.

Strafrechtliche Ahndung

Die nach dem Kriege in die Sowjetunion zurückgeführten Trawniki-Männer wurden in vielen Prozessen bis in die sechziger Jahre verurteilt. In Warschau fand im Jahre 1954 ein Verfahren gegen Trawniki-Männer statt. In Deutschland stand ein Volksdeutscher und ein Teil des deutschen Führungspersonals von Trawniki vor Gericht. Gegen Karl Streibel wurde vom 5. Dezember 1972 bis zum 3. Juni 1976 verhandelt und dann mangels ausreichender Beweise frei gesprochen.[1]. Dieses Urteil war sehr umstritten und Ende 1976 noch immer nicht rechtskräftig.

Zuletzt wurden in den achtziger Jahren Ermittlungen gegen Trawniki-Männer in Kanada und den Vereinigten Staaten geführt. Ein Verdächtiger wurde 1984 an die Sowjetunion ausgeliefert und dort 1987 verurteilt und hingerichtet. Ein anderer, der sich in den Vereinigten Staaten John Demjanjuk[2] nannte, wurde 1986 an Israel ausgeliefert und dort in erster Instanz 1988 zum Tode verurteilt. Mit Hilfe des Bundeskriminalamtes wurden entscheidende Hinweise beigebracht, dass das Dokument zur Identifizierung gefälscht war. So wurde er in der Berufungsverhandlung freigesprochen.

Zwangsarbeitslager

Im Herbst 1941 wurde neben einer ehemaligen Zuckerfabrik ein Zwangsarbeitslager als Außenlager des KZ Majdanek aufgebaut. Diese Zuckerfabrik diente bis zu diesem Zeitpunkt als „M-Lager“ (Materiallager für die Sortierung der Hinterlassenschaft ermordeter Juden zum Zwecke der Werterfassung). Hier wurden vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene und polnische Juden inhaftiert. Die beiden Lager gehörten zu einem Komplex von Lagern, die dem Höheren SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, SS-Obergruppenführer Odilo Globocnik, unterstand. Die Befehlsgewalt über beide Lager hatte seit dem 27. Oktober 1941 SS-Sturmbannführer Karl Streibel[3]. Die eigentliche Führung des Lagers wurde dem SS-Hauptscharführer Franz Bartetzko überlassen.

Die Wachmannschaften des Arbeitslagers wurden aus dem SS-Ausbildungslager rekrutiert. Vom 16. Februar 1942 bis zum 2. Mai 1942 liefen die Transporte der Belegschaft der Firma Schultz & Co. Gmbh aus dem Ghetto Międzyrzec Podlaski[4] von Warschau[5] nach Trawniki. Unter den rund 6.000 Deportierten aus Warschau befanden sich Dr. Emanuel Ringelblum (1900-1944)[6] und 33 Mitglieder der Żydowska Organizacja Bojowa. Diese bauten eine Untergrundorganisation auf, beschafften sich Waffen und bereiteten einen Aufstand vor.

Ausbau der Lagerteile

Ab Mai 1943 wurden Juden aus Białystok und Minsk nach Trawniki transportiert. Wegen der Bedeutung der dort für die Wehrmacht produzierten Güter wie Uniformen u. a. schlug die zur SS gehörige Ostindustrie GmbH (Osti) vor, das Lager zu erweitern. Nach einer Zeichnung der Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei in Lublin vom 21. Juni 1942[7] war folgende Planung der Lager beabsichtigt:

  • Gebäude Nr. 1 bis 11 und 18 waren für das Ausbildungslager vorgesehen
  • Gebäude Nr. 12, 13, 15, 16, 17 und 19 gehörten zum Arbeitslager oder waren dafür vorgesehen

Das Ausbildungslager sollte folgende Struktur erhalten:

  • Nr. 1: Unterkünfte der Ukrainer
  • Nr. 2: Unterkünfte der Ukrainer
  • Nr. 3: Garage
  • Nr. 4: Unterkünfte der Esten und Letten
  • Nr. 5: Duschbad und Entlausung
  • Nr. 6: Küche und andere Wirtschaftsräume
  • Nr. 7: Unterkünfte für deutsches Personal
  • Nr. 8: Werkstätten des Ausbildungslagers
  • Nr. 9: Krankenrevier
  • Nr. 10: Kommandantur
  • Nr. 11: Ställe in herabgekommenen Steingebäuden (Nutzung u. a. für Angorakaninchenzucht)
  • Nr. 18: das Wohngebäude von Karl Streibel außerhalb des Planungsbereichs

Das Arbeitslager sollte folgende Struktur erhalten:

  • Nr. 12: Werkstätten
  • Nr. 13: Unterkünfte
  • Nr. 14: M-Lager
  • Nr. 15: Wohn- und Dienstgebäude von Franz Bartetzko
  • Nr. 16: vorgesehen als Büro der Fa. Schultze
  • Nr. 17: Wohngebäude der Betriebsangehörigen der Fa. Schultz
  • Nr. 19: vorgesehen für 10 bis 20 Jüdinnen, die im Ausbildungslager beschäftigt waren
  • Nr. 20: Exekutionsgräben
  • Nr. 21: Verbrennungsrost

„Auflösung“ des Zwangsarbeitslagers

Einige hundert der jüdischen Häftlinge wurden zum Torfabbau in Dorohucza im SS Arbeitslager Dorohucza[8] eingesetzt. Auch zu Erdarbeiten außerhalb des Lagers gab es Arbeitseinsätze. Der größte Teil, etwa 6.000 Personen, stellte Wehrmachtsbekleidung im Betrieb der Firma Schultz & Co her, die einen Teil ihrer Werkstätten aus Warschau ins Lager verlegt hatte. Im Oktober 1943 sollten die Fabriken der Ostindustrie GmbH übergeben werden. Am 22. Oktober 1943 ordnete SS-Obergruppenführer Oswald Pohl an, dass die Gruppe D des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts (WVHA) das Lager Trawniki übernehmen sollte[9].

Kurz darauf jedoch befahl Heinrich Himmler - möglicherweise aus Furcht vor Aufständen wie den im Vernichtungslager Sobibor vom 14. Oktober 1943 - die Auflösung aller Lager im Distrikt Lublin und mit der Aktion Erntefest die Ermordung der jüdischen Zwangsarbeiter.

Nach dem Proktokoll der Aussage von Franz Skubinn[10] wurde das Arbeitslager am 3. November 1943 früh morgens von einer herantransportierten SS- und SD-Einheit umstellt. Nach einer Untersuchung wurden die Inhaftierten in das Ausbildungslager getrieben, wo sie sich ausziehen mussten. Dann wurden sie zu den Exekutionsgräben geführt und dort erschossen. Da die Gräben nicht alle Opfer fassen konnten, fanden auch in einer ehemaligen Kiesgrube Erschießungen statt. Insgesamt wurden etwa 6.000 Juden an diesem Tag erschossen. Nach 14 Tagen wurde begonnen, die Leichen zu verbrennen; dies dauerte etwa drei Wochen. Die Verbrennung wurde von Ukrainern des SS-Ausbildungslagers überwacht. Das jüdische Verbrennungskommando wurde anschließend ebenfalls erschossen.

Literatur

  • Helge Grabitz, Wolfgang Scheffler: Letzte Spuren - Ghetto Warschau - SS-Arbeitslager Trawniki - Aktion Erntefest. Berlin 1993, ISBN 3-89468-058-X

Einzelnachweise

  1. Aktenzeichen: Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 43/69.
  2. http://web.archive.org/web/20050317001130/http://www.ukar.org/spiegel2.html
  3. http://web.archive.org/web/20050416115223/http://www.uccla.ca/issues/warcrimes/i_wrcrms_105.html
  4. Warschauer Ghetto Miedzyrzec Podlaski (Englisch)
  5. Fabrik für Rauch- und Pelzwaren, Hauptbüro in Warschau: Neue Burgstr. 60, Zentrale: Danzig, Dominikswall 11. Das Arbeitslager Trawniki wurde von der Firma als "Betrieb III" geführt. Vergl. Grabitz, Letzte Spuren
  6. Zu Emanuel Ringelblum (Englisch)
  7. Helge Grabitz, Wolfgang Scheffler, Letzte Spuren - Ghetto Warschau- SS-Arbeitslager Trawniki - Aktion Erntefest, 1993, ISBN 3-89468-058-X
  8. Dorohucza (Polnisch)
  9. Nürnberger Dokument NO-60.
  10. Aussage vom 30. Mai 1963, Staatsanwaltschaft Hamburg, 147 Js 43/69, Bl. 7027 ff. in Grabitz, Letzte Spuren

Weblinks

51.13144444444423.0149722222227Koordinaten: 51° 7′ 53″ N, 23° 0′ 54″ O


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