Tribuene

Tribuene
Eingang der Tribüne, 2009

Die tribuene war ein Berliner Theater an der Otto-Suhr-Allee in der Nähe des Ernst-Reuter-Platzes, das zwischen 1919 und 2008 existierte.

Es gehörte zu den ältesten bestehenden Berliner Privatbühnen. Der Theatersaal der tribuene war ursprünglich die Aula eines 1915 von der Architektin Emilie Winkelmann erbauten Mädchengymnasiums und hatte zuletzt rund 300 Plätze.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gegründet wurde die tribuene im September 1919 als politisch-expressionistisches Theater. Sie wurde mit den Stücken Der Retter und Die Entscheidung, beide von Walter Hasenclever, eröffnet. Größere Aufmerksamkeit erreichte man mit der Uraufführung von Ernst Tollers Die Wandlung, in der Fritz Kortner in der Hauptrolle zu sehen war. Sie fand am 30. September 1919 unter der Regie von Karlheinz Martin statt. Zu dieser frühen Zeit standen auch Autorenlesungen von Else Lasker-Schüler und Stefan Zweig auf dem Spielplan und die Dadaisten wie Raoul Hausmann, George Grosz, Richard Hülsenbeck, Walter Mehring und John Heartfield zelebrierten ihre Publikumsbeschimpfungen. Im Dezember 1919 übernahm Eugen Robert die Bühne und das Repertoire umfasste neben ernster Theaterliteratur nun auch mehr Unterhaltendes.

1920 bis 1945

In den 1920er-Jahren traten Schauspieler wie Paul Wegener, Marlene Dietrich, Adele Sandrock, Tilla Durieux und Heinrich George an der tribuene auf und unter anderen inszenierten Erwin Piscator und Jürgen Fehling. Nach Eugen Roberts Flucht nach London setzten die Leiter fortan auf reines Unterhaltungstheater, so auch mit Rudolf Platte in der Spielzeit 1936/1937.

Zwischen 1938 und 1945 war die tribuene mehrmals geschlossen, es gab keinen geregelten Spielbetrieb. In den letzten Kriegsjahren wurde die Bühne vom Deutschen Theater genutzt.

Wiedereröffnung 1945

Am 1. Juni 1945 wurde die tribuene als erstes Berliner Theater nach dem Zweiten Weltkrieg von Viktor de Kowa wiedereröffnet. Gezeigt wurde ein Kleinkunstprogramm in der Conférence von Hildegard Knef. Das Publikum bezahlte auch mit Naturalien wie Lebensmitteln, Briketts, Zigaretten oder Strümpfen. Später feierten hier auch Horst Buchholz, Wolfgang Kieling, Käthe Haack, Wolfgang Spier, Edith Hancke, Peter Thom und Klaus Sonnenschein, der ab 1972 auch die Leitung des Theaters inne hatte, große Erfolge. Seit den 1970er-Jahren stellten die politisch-literarischen Programme von Rainer Behrend, etwa die mit dem Kritikerpreis ausgezeichnete Revue Die verbrannten Dichter, ein besonderes Genre dar. Gesellschaftskritische Komödien bildeten einen weiteren Schwerpunkt. Aber auch Klassiker von Kleist bis Shakespeare und die Klassiker der Moderne wurden gespielt. Mit diesem Programm prägten die späteren Intendanten Ingrid Keller und Rainer Behrend bis zu ihrem Ruhestand 2006 das Profil der tribuene. Die Leitung übernahmen dann Corinna und Thomas Trempnau, als künstlerischen Leiter engagierten sie den inzwischen verstorbenen Regisseur Helmut Palitzsch, der die tribuene aber nach einem halben Jahr wieder verließ.

2006 bis 2008

Die aktuellen Produktionen machten das Spektrum an Inhalten und Theaterformen deutlich:

  • Tiergartenstraße 4, von Christoph Klimke, verfasst im Auftrag der tribuene, behandelt die Euthanasie-Politik in Nazi-Deutschland (Uraufführung),
  • das Musical Irma la Douce
  • und ab 4. Oktober 2008 das Boxermusical Der Kampf des Jahrhunderts von James Edward Lyons und Paul Graham Brown.

Daneben bot die kleine Bühne der tribuene, der blaue raum, eine Vielzahl von Lesungen, Monologen und musikalische Veranstaltungen.

Auszeichnungen

Bestandsgefährdung und Schließung

Seit den 1970er-Jahren erhielt das Theater öffentliche Zuwendungen. Zuletzt wurden für 2007 und 2008 jeweils 600.000 Euro aus dem Etat des Landes Berlin gewährt. Ein Antrag auf Fortsetzung dieser Förderung für die Jahre 2009 bis 2010 wurde vom Berliner Senat abgelehnt, sodass ein weiterer Theaterbetrieb nicht mehr möglich war.

Die Ablehnung der Förderung begründete die vom Senat beauftragte Jury folgendermaßen:

„Im Beurteilungszeitraum hat die Tribuene zunächst auf ein Konzept der GegenWarte gesetzt, um sich dann infolge ökonomischen Drucks abrupt auf bewährtes Unterhaltungstheater rückzubesinnen. Der anschließende Neuanfang unter der künstlerischen Leitung von Anna Langhoff wurde noch in der Woche der ersten Premiere beendet. Der mit der Premiere des Theaterstücks Tiergartenstraße 4 (Klimke) konstatierte neuerliche „Neuanfang“ – der dritte in zwei Jahren – wird von der Jury nicht nachvollzogen. Hier scheint ein ums Überleben ringendes Theater sich allzu offensichtlich mit der Euthanasie eines „Aufregerthemas“ zu bedienen, das sich wegen seiner Brisanz einer kritischen Betrachtung entzieht. Ärgerlich ist, dass Text und theatrale Umsetzung inhaltlich und formal den 1950er-Jahren verhaftet bleiben. Das eingereichte Konzept und die mündlichen Ausführungen der Theaterleitung während der Anhörung haben der Jury keine überzeugende förderungswürdige Grundlage für die Entwicklung der Tribuene vermittelt. Der jüngste Erfolg des Musicals Irma la Douce ändert nichts an dieser Einschätzung. Insgesamt erscheint die für 2009/10 vorgeschlagene Programmplanung um das biblische Motto „Dekalog“ weder hinreichend begründet noch programmatisch, ästhetisch und haushalterisch abgesichert. Das gewählte Grundthema der Auseinandersetzung mit den Zehn Geboten führt zu einer eher beliebigen Auflistung von Stücken. Unterhaltsame und ernste Stoffe werden in ähnlicher Weise gemischt wie schon seit Jahren.“

Sowohl die Leitung als auch verschiedene Mitarbeiter des Theaters setzten sich für einen Erhalt des Theaters ein, allerdings nur wenige Personen der Öffentlichkeit. Man warf seitens der Leitung der urteilenden Jury vor, die Entwicklung der tribuene in den letzten Jahren nach einem Generationswechsel nicht ausreichend gewürdigt zu haben.

Mit einer letzten Aufführung des Boxermusicals Der Kampf des Jahrhunderts wurde das Theater am 31. Dezember 2008 geschlossen. Im September nächsten Jahres hätte die tribuene ihren 90. Geburtstag feiern können.

Weblinks

52.51416666666713.3205555555567Koordinaten: 52° 30′ 51″ N, 13° 19′ 14″ O


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