Tuntenhaus (Berlin)

Tuntenhaus (Berlin)
Das Haus Kastanienallee 86
im Juni 1990

Das Tuntenhaus im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg ist ein Wohnprojekt von Schwulen und Tunten. Es ist Teil des ehemals besetzten Hauses Kastanienallee 86.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das erste Tuntenhaus in Berlin wurde am 12. Februar 1981 durch Besetzung Bülowstraße 55 in Schöneberg gegründet. Es wurde hauptsächlich, aber nicht ausschließlich von homosexuellen Männern in Wohngemeinschaften bewohnt, nachdem es in Eigenarbeit renoviert und ausgebaut worden war. Nach dem Wahlsieg der CDU und der Räumung einiger besetzter Häuser am 12. September 1981, bei denen der Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay starb, war klar, dass nur wenige der zwischenzeitlich 165 besetzten Häuser legalisiert würden. Im Dezember 1983 wurde schließlich das Haus geräumt und kurz darauf abgerissen.[1]

Mainzer Straße

Das Tuntenhaus Forellenhof wurde am 1. Mai 1990 in der Mainzer Straße 4[2] in Friedrichshain von homosexuellen West-Berlinern besetzt. Es war damit eins der ersten besetzten Häuser in der Mainzer Straße. Nachdem das Haus mit Unterstützung durch die schwule Szene in Berlin in Eigenarbeit renoviert wurden war, wohnten schließlich ca. 30 homosexuelle Männer dort.[3] Einblick in das damalige Haus-Leben gibt die Dokumentation Battle of Tuntenhaus (GB, 1990, 60 Min.) der US-amerikanischen Regisseurin Juliet Bashore. Im November 1990 wurde das Haus – wie der Rest der Mainzer Straße – nach heftigen Straßenschlachten zwischen der Polizei und Autonomen geräumt. (siehe: Räumung der Mainzer Straße) Über das Leben ehemaliger Bewohner nach der Räumung berichtet Bashores Dokumentation Tuntenhaus-Update (GB, 1992, 45 Min.).

Kastanienallee

Ein Großteil der Bewohner zog nach der Räumung in ein besetztes Haus in der Kastanienallee 86 im Ortsteil Prenzlauer Berg, wo sich heute im Hinterhaus das dritte Berliner Tuntenhaus befindet, das zusammen mit dem Vorderhaus ein alternatives Wohnprojekt bildet. Wie schon beim Einzug absehbar war, wurden die Wohnverhältnisse in der Kastanienallee 86 schnell legalisiert. Im Gegensatz zum Projekt in der Mainzer Straße war das Nachfolgeprojekt in der Kastanienallee weniger politisch ausgerichtet. Dennoch beteiligten sich viele Bewohner an politischen Initiativen wie z. B. der Schwulen Antifa, der Zeitschrift Tuntentinte und der Kneipe h-bar. Großen Zulauf findet auch das jährlich stattfindende Hoffest. Samstags gibt es regelmäßig eine Volxküche.

Das Haus war in der DDR von der Kommunalen Wohnungsverwaltung entmietet worden und wurde nach der Wende und langjährigem Leerstand besetzt. Kurz darauf wurden mit der mittlerweile für das Gebäude zuständigen Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (heute GEWOBAG) Mietverträge abgeschlossen.

Schriftzug an der Hausfassade

Im Rahmen der Rückübertragung ging das Haus 1999 an einen Steuerberater aus Düsseldorf über, der es 2004 an die Kastanienallee 86 GbR verkaufte.

Während sich das Tuntenhaus im hinteren Flügel ansiedelte, entstanden im Vorderhaus neben den Wohnräumen unter anderem Projekte wie die nichtkommerzielle Galerie Walden, eine Lebensmittelverteilerstelle, ähnlich der Tafel, sowie ein Leih- und Umsonstladen.[4]

Das Haus gilt als eine der letzten Einrichtungen, die bisher nicht von der Gentrifizierung der Kastanienallee betroffen waren. Nach dem Verkauf im Jahr 2004 an die Kastanienallee 86 GBR, beabsichtigen die drei neuen Eigentümer Brauner, Witte und Schlothauer jedoch, das Haus zu sanieren. Zunächst sollen die Dachböden, auf denen sich momentan die Gemeinschaftsbäder befinden, ausgebaut werden und sowohl neuen Mietern als auch einem der Eigentümer selber modernen Wohnraum bieten. Gegen die damit verbundenen Mietpreiserhöhungen und veränderten Lebensbedingungen protestierten die Bewohner der Kastanienallee 86 unter anderem mit mehreren Kundgebungen und machten zudem mit der Leuchtschrift Kapitalismus normiert, zerstört, tötet auf der Fassade des Vorderhauses auf das Problem aufmerksam.

Ähnliche Projekte

Unter der Bezeichnung Tuntenhaus existierten bisher mehrere ähnliche Einrichtungen. Projekte wie das Bremer Tuntenhaus, das DerDieDas Tuntenhaus in Bern oder das schwul-lesbische Tantenhaus in Genf existieren heute jedoch nicht mehr. Es entstanden aber in den letzten Jahren in Europa mehrere Hausbesetzungen von mehrheitlich homosexuellen Männern oder Frauen, Bauwagenplätze und Wohnprojekte, wie der Schwarze Kanal die zum Teil noch heute existieren.

Weblinks

 Commons: Kastanienallee 86 – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://tuntenhaus.squat.net/haerinnerungframe.html
  2. Berlin – Mainzer Straße, ISBN 3-86163-020-6
  3. http://www.etuxx.com/diskussionen/foo025.php3
  4. Leihladen Leila in der Kastanienallee 86
52.53759722222213.409366666667

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Tuntenhaus Berlin — Das Tuntenhaus in Berlin Prenzlauer Berg ist ein Wohnprojekt von Schwulen und Tunten. Es ist Teil des ehemals besetzten Hauses Kastanienallee 86. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1.1 Mainzer Straße 1.2 Kastanienallee 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Tuntenhaus Forellenhof — Das Tuntenhaus in Berlin Prenzlauer Berg ist ein Wohnprojekt von Schwulen und Tunten. Es ist Teil des ehemals besetzten Hauses Kastanienallee 86. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1.1 Mainzer Straße 1.2 Kastanienallee 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Tuntenhaus — Unter der Bezeichnung Tuntenhaus existierten mehrere von Schwulen, Lesben und Transgendern organisierte alternative Hausprojekte in verschiedenen Städten, die sowohl als kommunaler Wohnraum, als auch für gelegentliche kulturelle Veranstaltungen… …   Deutsch Wikipedia

  • Mainzer Straße (Berlin-Friedrichshain) — Mainzer Straße Straße in Berlin …   Deutsch Wikipedia

  • Kastanienallee (Berlin) — Kastanienallee …   Deutsch Wikipedia

  • Kastanienallee 86 — Das Tuntenhaus in Berlin Prenzlauer Berg ist ein Wohnprojekt von Schwulen und Tunten. Es ist Teil des ehemals besetzten Hauses Kastanienallee 86. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1.1 Mainzer Straße 1.2 Kastanienallee 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Räumung der Mainzer Strasse — Die Räumung der Mainzer Straße im Bezirk Friedrichshain in Berlin am 14. November 1990 war eine Straßenschlacht um zwölf besetzte Häuser und gilt als einer der massivsten Polizeieinsätze Berlins in der Nachkriegszeit. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • Räumung der Mainzer Straße — Die Räumung der Mainzer Straße im Bezirk Friedrichshain in Berlin am 14. November 1990 war eine Straßenschlacht um 13[1] besetzte Häuser. Die Räumung gilt als einer der massivsten Polizeieinsätze Berlins in der Nachkriegszeit. Inhaltsverzeichnis… …   Deutsch Wikipedia

  • Homosexualität in der Bundeswehr — In den Jahren 1999 bis 2005 entwickelte sich Deutschland unter dem Einfluss der rot grünen Bundesregierung zu einer relativ aufgeschlossenen europäischen Nation, was das Thema Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen betrifft. Zuvor war… …   Deutsch Wikipedia

  • LGBT in Deutschland — In den Jahren 1999 bis 2005 entwickelte sich Deutschland unter dem Einfluss der rot grünen Bundesregierung zu einer relativ aufgeschlossenen europäischen Nation, was das Thema Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen betrifft. Zuvor war… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”