Turkestanische Islamische Partei

Turkestanische Islamische Partei

Die Islamische Turkestan-Partei (İTP) ist eine islamistische politische Partei in Zentralasien. Diese Partei wurde im Sommer 2001 gegründet und ist auch unter den Bezeichnungen Islamische Partei von Turkestan und Turkestanische Islamische Partei bekannt. Kurzformen sind turkestanische Partei und Turkestan-Partei.

Letzterer Begriff stammt von einer der Vorgängerorganisationen.

In China besteht eine Unterorganisation der Partei, die sich Islamische Partei Ostturkestans nennt und in China verboten ist.

Inhaltsverzeichnis

Ziele

Die Islamische Turkestan-Partei hat vor allem folgende Ziele:

  • Wiedereinführung des arabischen Alphabetes und die erneute Anbindung Zentralasiens an den „arabisch-persischen Kulturkreis“
  • Wiedereinführung der alten Literatursprache Tschagatai anstelle der heutigen Einzelsprachen bzw. die enge Anpassung der Einzelsprachen an dieses Idiom (siehe hierzu auch den Artikel Tschagataische Sprache)
  • Reorganisation des Islam in Zentralasien
  • Einführung der Scharia
  • Rückführung aller Nichtmuslime aus der Region
  • Loslösung des Xinjiang von China und erneut die Bildung einer „Islamischen Republik Ostturkestan“
  • Errichtung eines „zentralasiatischen Kalifates“, wie es auch von der Hizb ut-Tahrir gefordert wurde und das anfangs die Staaten Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Xinjiang umfassen soll
  • Spätere Eingliederung der Staaten Kasachstan und Turkmenistan in das zentralasiatische Kalifat

Sprachen

In der İTP werden heute drei Sprachen benutzt: „Tschagatei“ (ein stark arabisiertes Usbekisch für die Kommunikation mit Angehörigen anderer Turkvölker), Russisch und Arabisch. Russisch und Arabisch dienen zur Kommunikation mit anderen Muslimen Russlands, die keine Turksprache sprechen bzw. dient das Arabische auch für die Zusammenarbeit mit der al-Qaida. In Xinjiang verwendet die Unterorganisation der Islamischen Partei Ostturkestans ebenfalls ein stark arabisiertes und dem Usbekischen angepasstes Uigurisch, das sie ebenfalls als „Tschagatai“ bezeichnen.

Geschichte

Die Islamische Partei Turkestans hat viele politische Wurzeln. 1990 wurde auch in Zentralasien eine Partei gegründet, die sich auf panislamische Traditionen berief und sich - wie die Partei in Russland (vor allem in Tatarstan) - Islamische Partei der Wiedergeburt (PIW) nannte. Bereits 1991/92 umfasste diese Partei in ganz Zentralasien rund 20.000 Mitglieder.[1] Der Chef der usbekischen PIW-Sektion, Tahir Abduhalilowitsch Juldaschew, lernte schließlich auch Osama bin Laden kennen und wurde dessen Vertreter für Usbekistan. Beide trafen sich im benachbarten Afghanistan, nach dem die usbekische Regierung zahlreiche Mitglieder der PIW aus dem Ferghana-Tal vertrieben hatte.

Die namensgebende Turkestan-Partei wurde 1991[2] im Ferghana-Tal gegründet. Sie stand unter starkem Einfluss der PIW und auch teilweise in Konkurrenz zu dieser. Die Zusammenarbeit mit der Alasch-Partei erlaubte es der Turkestan-Partei, ihre Tätigkeiten auch auf Kasachstan und Kirgisistan auszudehnen. Ebenfalls wurden Regionalstellen der Partei in Tadschikistan eingerichtet. Vor allem die Turkestan-Partei galt als „Anlaufstelle“ zwischen den radikalen turkestanischen Muslimen und der al-Qaida: Die Turkestan-Partei vermittelte muslimische Freiwillige Zentralasiens für den „bewaffneten Kampf um die Freiheit“ des von den Taliban ausgerufenen „Emirat Afghanistan“. Dafür erhielt die Partei finanzielle Unterstützung von Seiten der al-Qaida. 1998 kehrte Juldaschew aus Afghanistan zurück und begründete die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU). Diese stand unter dem Einfluss der Muslimbrüder und wurde ebenfalls von der al-Qaida finanziert. Sie galt schließlich als offizieller Arm der al-Qaida in Usbekistan und arbeitete eng mit der Turkestan-Partei zusammen. So waren viele der Mitglieder der IBU auch Mitglieder in der Turkestan-Partei und umgekehrt. Schnell hatte auch die IBU 10.000 Mitglieder verzeichnet. 1998/99 wurden die Muslimbrüder in Zentralasien generell verboten und ihre Mitglieder traten den regionalen nationalistischen Parteien bei.

Im August 1999 rief die IBU offen zum Dschihad in Zentralasien auf.[3] Dieser Aufruf hatte das Verbot der IBU zur Folge und die Bewegung ging in den Untergrund. Zahlreiche Mitglieder gingen nach Afghanistan und ließen sich dort von den Taliban und der al-Qaida ausbilden. Mit dem Zusammenschluss von ehemaliger IBU, Turkestan-Partei und weitere verschiedener Organisationen wurde im Juni 2001 die „Islamische Turkestan-Partei“ gegründet.[4][5]

Die Islamische Turkestan-Partei ist seit 2006 in Russland und inzwischen auch in fast allen zentralasiatischen Staaten verboten. So ermordeten Angehörige eines kirgisischen Spezialkommandos einen der politischen Anführer der Islamischen Turkestan-Partei: Rusul Akhunow.[6] Die Islamische Turkestan-Partei hat heute ihren Wirkungsbereich im wesentlichen auf das usbekische Kernland, dem chinesischen Xinjiang und Tadschikistan eingeschränkt. Dennoch scheint die Partei fest in den Organisationsstrukturen der al-Qaida eingebunden zu sein. So unterhält sie weltweit die Verbindungen separatistischer Exil-Uiguren aufrecht. So arbeitet die Islamische Turkestan-Partei mit Exil-Organisationen zusammen, deren Sitz sich in der Türkei, Deutschland, Australien und den USA befinden. Die Islamische Turkestan-Partei wird wie zahlreiche Vorgängerorganisationen finanziell von al-Qaida unterstützt. So schloss sich die Islamische Turkestan-Partei mit anderen Nachfolgeorganisationen der PIW in den Jahren 2005/6 im pakistanischen Waziristan zur „Islamische Dschihad-Union“ (IJU) zusammen, die die Taliban und al-Qaida unterstützt. Seit 2007/08 besitzt die IJU auch eine Zelle in Deutschland.[7]

Rund zwei Wochen vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in China (2008) forderten Mitglieder dieser Partei die chinesische Zentralregierung auf, der Provinz Xinjiang die staatliche Unabhängigkeit zu gewähren und warnte westliche Touristen vor blutigen Anschlägen.[8]

Einzelnachweise

  1. Berndt Georg Thamm: Der Dschihad in Asien, S. 51
  2. Roland Götz und Uwe Halbach: Politisches Lexikon GUS, S. 119
  3. Berndt Georg Thamm: ebenda, S. 55-56
  4. http://cns.miis.edu/archive/wtc01/imu.htm
  5. http://www.globalsecurity.org/military/world/para/imu.htm
  6. http://www.cacianalyst.org/?q=node/4189
  7. Berndt Georg Thamm: ebenda, S. 201 (Grafik)
  8. http://www.abendblatt.de/daten/2008/07/29/913559.html

Literatur

  • Berndt Georg Thamm: Der Dschihad in Asien. Die islamistische Gefahr in Russland und China, Deutscher Taschenbuch Verlag 2008, ISBN 978-3-423-24652-1
  • Roland Götz und Uwe Halbach: Politisches Lexikon GUS, Beck'sche Reihe, Verlag C. H. Beck München 1992, ISBN 3-406-35173-5

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