Basarabia

Basarabia
Wappen Bessarabiens
Bessarabien in Europa
Bessarabien 1940

Bessarabien (rumänisch Basarabia, ukrainisch Бессарабія) ist eine historische Landschaft in Südosteuropa, begrenzt vom Schwarzen Meer im Süden sowie den Flüssen Pruth im Westen und Dnister im Osten. Das frühere Bessarabien deckt sich heute weitgehend mit dem westlich des Dnister liegenden Teil Moldawiens, nur der Süden (Budschak), sowie der äußerste Norden (um Hotin) gehören zur Ukraine. Jahrhundertelang war das Land Pufferregion zwischen den Großmächten Österreich, Russland und dem Osmanischen Reich. Die Gebietsbezeichnung entstand erst 1812, als das Fürstentum Moldau die Herrschaft an Russland abtrat. Danach war der mehrheitlich von Rumänen bewohnte Landstrich bis 1917 Gouvernement im Zarenreich, wurde bis zum Zweiten Weltkrieg eine östliche Provinz Rumäniens und kam später zur Sowjetunion.

Inhaltsverzeichnis

Name

Die Bezeichnung „Bessarabien“ (rumänisch Basarabia, gagausisch Basarabiya) leitet sich vom walachischen Fürstengeschlecht Basarab ab, das dort im 13. und 14. Jahrhundert herrschte, und hat nichts mit Arabien zu tun. Ursprünglich galt nur das südliche Drittel des Landes als Terra Bassarabum (lat.). Mit der russischen Übernahme von 1812 dehnte Russland die Bezeichnung „Bessarabien“ auf das gesamte Gebiet zwischen den Flüssen Pruth und Dnister aus.

Wappen

Wappen Bessarabiens
Bessarabischer Landwirt mit einem Stier ähnlich dem Wappentier (1940)

Das Wappen Bessarabiens ist der Auerochse, der oben von einem fünfzackigen Stern, links (heraldisch: rechts) von einer Rose und rechts (heraldisch: links) von einem Halbmond, umgeben ist. Die Wappendarstellung (Zeichnung links) entstammt dem Dokument, in dem die nationale Vollversammlung Bessarabiens (Sfatul Ţării) am 9. April 1918 den Anschluss des Gebietes an Rumänien für ewige Zeiten erklärte.

Der Auerochse ist das Symbol des Fürstentums Moldau, zu dem Bessarabien bis zu seiner Abtrennung 1812 gehörte.

Land und Wirtschaft

Geografie

Bessarabien war ein Landstrich am Schwarzen Meer zwischen den Flüssen Pruth im Westen und Dnister im Osten und im Übergang von den Karpaten zur osteuropäischen Steppe. Die Fläche betrug bei einer Ausdehnung von ca. 450 km × 100 km rund 45.000 km². Das südliche Drittel (Budschak), sowie der nordwestliche Zipfel um die Stadt Chotyn gehören heute zur Ukraine (im Osten der Oblast Czernowitz). Der Rest der nördlichen zwei Drittel und der zentrale Teil sind heute Teil Moldawiens und machen den Hauptteil des Staatsgebietes aus.

Bessarabien lässt sich landschaftlich in drei Zonen unterteilen. Nordbessarabien ist als Karpatenausläufer eine leicht bewaldete Hochebene von etwa 400 m über dem Meeresspiegel. Dieser Landesteil ist mit Eichen- und Buchenwäldern bedeckt und von tiefen Schluchten durchschnitten. Mittelbessarabien, ebenfalls von Wäldern bedeckt (wovon es auch den Namen Codrii, also "Wälder" trägt) und geht ab Tighina allmählich in das steppenähnliche Gebiet des Budschak in Südbessarabien über, ein flachwelliges Hügelland mit einer baumfreien Landschaft etwa 100 m über dem Meeresspiegel. Unter mannshohem Steppengras liegt fruchtbarer Schwarzerdeboden. Alle Flüsse fließen bei geringem Gefälle in südöstliche Richtung und münden ins Schwarze Meer. Im Sommer fallen die kleinen Steppenflüsse fast trocken.

Klima

Das Klima des Gebietes ist kontinental, mit trockenheißen Sommern und kalten Wintern. Im Süden herrscht ein trockenes Steppenklima mit geringen durchschnittlichen Niederschlagsmengen (300 mm), was in regenarmen Jahren ohne künstliche Bewässerung zu Missernten in der Landwirtschaft führt. Gleichzeitig kann es bei Wolkenbrüchen zu schwerwiegenden Überschwemmungen kommen, wenn die kleinen Flüsse überlaufen. Im waldreicheren Norden sind 600 mm jährlicher Niederschlag üblich.

Landwirtschaft

Bessarabiens Reichtum war die humusreiche, fruchtbare Schwarzerde mit einer Mächtigkeit von bis zu 1,5 m, die einen ertragreichen Anbau von Wein, Weizen, Hirse, Mais und Obst ermöglichte. Als reines Agrarland exportierte Bessarabien vor allem Wein, Früchte (Melonen und Kürbisse), Gemüse, Tabak, Getreide und Wolle, die aus der weit verbreiteten Schafzucht, vor allem des feinwolligen Karakulschafes, stammte. Auch heute noch sind die landwirtschaftlichen Produkte von hoher Bedeutung. Diese machen z. B. für Moldawien im Jahr 2000 etwa 40 % des Bruttoinlandsproduktes und zwei Drittel aller Exporte aus.

Rinderherde mit Hirte in der Steppe des Budschak (1940)

Die Exportprodukte transportierten die Landwirte zum Schwarzmeerhafen Odessa (Ukraine). Nach dem Anschluss an Rumänien (1918) ging jedoch der Absatz über das dann sowjetische Odessa verloren und auch der Verkauf in die Sowjetunion litt stark. Ein kleiner Ausgleich dafür war in den 1930er Jahren der Absatz von Ölfrüchten und Sojabohnen zu festen Preisen ins Deutsche Reich. Bei der Nutztierhaltung waren Rinder weiter verbreitet als Pferde. Die bessarabischen Landwirte setzten beim Bestellen ihrer Ackerflächen vor allem Ochsen als Zugtiere ein.

Eine gewerbliche, industrielle Produktion gab es infolge der Armut an Energiequellen nur für den lokalen Bedarf, wobei es sich hauptsächlich um landwirtschaftliches Gerät handelte. Bodenschätze des Landes waren Salpeter und Marmor. Eine Gewinnung von Meersalz gab es in lagunenartigen Limanen des Schwarzen Meeres.

Verkehr

Die wichtigsten Verkehrswege im Altertum und im Mittelalter waren die Flüsse, und so galt es diese zu kontrollieren. Eine wichtige Handelsroute führte von der Krim an der Küste Bessarabiens entlang, ins Mittelmeer. Sie wurde vom 13. bis zum 14. Jahrhundert von den Genuesen beherrscht und mit befestigten Handelsposten abgesichert. Die Route war bis zur Eroberung der Krim durch das Osmanische Reich im Jahr 1475 der westliche Abschnitt der Seidenstraße. Die Festung in Bilhorod-Dnistrowskyj gehörte unter dem Namen Mauro Castro im 14. Jahrhundert den Genuesen. Einen weiteren Handelsposten unterhielten sie in Tighina am Dnister.

Das Straßennetz im Land war stets unterentwickelt und behinderte die wirtschaftliche Entwicklung. 1930 gab es 800 Kilometer befestigte Straßen und 7000 km Naturwege, die nur bei trockenem Wetter befahrbar waren. Die erste Eisenbahnverbindung verband 1871 die Landeshauptstadt Kischinjow mit dem russischen Reich. Als Bessarabien 1918 von Russland nach Rumänien wechselte, wurde das 1300 km lange Gesamteisenbahnnetz von der russischen Breitspur auf die mitteleuropäische Normalspur umgestellt. Dieser Schritt wurde mit der Eingliederung in die Sowjetunion rückgängig gemacht. Der Schiffsverkehr lag größtenteils darnieder, obwohl das Land von den Gewässern Pruth, Dnister und Donau umgeben war sowie Anteil am Schwarzen Meer hatte. Den auf 200 km schiffbaren Pruth befuhren 1920 26 Frachtkähne. Der Schiffsverkehr auf dem 700 km schiffbaren Dnister war nach 1918 wegen der Grenzlage zwischen Rumänien und der Sowjetunion lahmgelegt.

Siedlungen und Städte

Außer der bessarabischen Hauptstadt Kischinau, russisch Kischinjow, gab es keine bedeutenden Städte. Kischinjow am Rande des russischen Imperiums genoss jedoch in den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung durch Russland keinen guten Ruf im Zarenreich, sondern galt als Strafversetzungslager für Unzufriedene und Aufmüpfige. Der junge russische Nationaldichter Alexander Puschkin war von 1820 bis 1823 als Übersetzer nach Kischinjow verbannt worden und schrieb über die Stadt:

Oh Kischinjow, oh dunkle Stadt!
Verfluchte Stadt Kischinjow, die Zunge wird nicht müde dich zu beschimpfen.

Ab 1834 entstand in Kischinjow durch einen großzügigen Stadtentwicklungsplan ein imperiales Stadtbild mit breiten und langen Straßen. Dennoch war Bessarabien ein Agrargebiet mit einer mehrheitlich auf dem Lande lebenden Bevölkerung. Die größeren Orte wiesen als Marktgemeinden nur halbstädtischen Charakter auf. Die Kolonistendörfer (siehe Foto oben) waren jeweils als Straßendorf angelegt und mehrere Kilometer lang. Im Gefolge jahrhundertelanger osmanischer Herrschaft gelangte der Typ der orientalischen Basarstadt ins Land. Viele Orte hatten deshalb großangelegte Marktflächen. Einige Ortsnamen im Süden deuten auf die frühere osmanische Herrschaft und tatarische Besiedlung hin, z. B. Akkerman (türk. für weiße Festung), Bender (türk. für das Tor, heute Tighina), Tatarbunar, Ismail, Tuzla, Kubey, Manuk-Bey.

Orte mit städtischem Charakter waren 1937 (mit Einwohnerzahl):

Die übrigen größeren Orte wie Orhei, Chilia, Comrat, Tuzla, Cahul, Leova, Bolgrad und Vâlcov, waren nur Marktflecken mit bis zu 15.000 Einwohnern.

Bevölkerung

Ethnische Gruppen in Bessarabien 1930
Ethnische Gruppen in Moldawien(Mai 1995) auf dem Gebiet des früheren Bessarabien

Bei der rumänischen Volkszählung von 1930 hatte Bessarabien ca. 2,8 Millionen Einwohner. Die Bevölkerung bestand aus:

Wie von der Obrigkeit vorgegeben, bewohnten die Volksgruppen anfangs im 19. Jahrhundert jeweils eigene Dörfer. Unter den deutschen Kolonisten gab es ursprünglich sogar eine Trennung in evangelisch-lutherische und katholische Siedlungen. Im 20. Jahrhundert bestand die reine landsmannschaftliche Einheit in den Dörfern nicht mehr. Das Verhältnis der verschiedenen Ethnien untereinander war ein friedliches Nachbarschaftsverhältnis, wobei jedoch Mischehen aufgrund der unterschiedlichen Sprach- und Religionszugehörigkeiten eher selten waren.

Jüdische Bevölkerung

Katharina die Große hatte 1791 fast alle russischen Juden (Aschkenasen) gezwungen, in westliche Provinzen umzusiedeln, und so die „Schtetl“ geschaffen. Ihre Politik wurde von den späteren Zaren im Wesentlichen fortgesetzt, wodurch Bessarabien nach der russischen Übernahme von 1812 ebenfalls ein sog. Ansiedlungsrayon wurde. Allerdings galt bis 1835 ein Autonomiestatus, so dass dort die normalen russischen gesetzlichen Diskriminierungen nicht gültig waren (wie das Verbot von Landkauf[1]). Eine weitere Gruppe von Zuzüglern waren Juden aus Deutschland und Polen, die meist Jiddisch sprachen. Infolgedessen gab es in den größeren Orten bald einen Anteil von nahezu 40 % jüdischer Bevölkerung.

In den folgenden Jahrzehnten wurden die gesetzlichen Begünstigungen nach und nach geringer. Dennoch gab es bis zur vollständigen Abschaffung der Diskriminierung nach der Oktoberrevolution von 1917 einige Vorteile, die auf die günstige Lage am Rande des russischen Reichs zurückzuführen sind.

Farbige Lithografie aus dem Jahr 1904 zur Situation der Juden im Russischen Reich

Nach der Ermordung des reformorientierten Zaren Alexander II. im Jahre 1881 wurden vom Zaren Alexander III. die alten Beschränkungen wieder eingeführt. Bis auf Bessarabien, wo die Mehrheitsbevölkerung eine Minderheit in Russland war, gab es nun im gesamten russischen Süden Judenpogrome. Schließlich erfolgte am 6. April 1903 auch in Kischinjow ein Pogrom, bei dem 47 Menschen starben und der vom Herausgeber der einzigen Zeitung Bessarabez (Бессарабецъ) bewusst geschürt worden war und Anzeichen einer organisierten Tat aufwies.[2] Die Reaktion auf eine Dokumentation dieses Vorfalls in der Weltpresse war heftig, selbst innerhalb Russlands. So wurde z. B. dem Zaren im Juli 1905 eine amerikanische Petition übergeben, die allerdings keine Wirkung auf seine Politik hatte. Unter dem Eindruck des Ereignisses schrieb Chaim Nachman Bialik mehrere Gedichte, darunter das 1904 entstandene berühmte Gedicht Be-Ir ha-Haregah („In der Stadt des Schlachtens“). 1905 gab es einen weiteren Pogrom mit 19 Toten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden unter deutsch-rumänischer Besatzung zuerst Massaker unter der jüdischen Bevölkerung verübt; später die Überlebenden in Todesmärschen in das rumänisch okkupierte Transnistria deportiert und so zu großen Teilen vernichtet.

Bulgarische Bevölkerung

Einzelne bulgarische Familien kamen schon Ende des 18. Jahrhunderts als Emigranten nach Südbessarabien, in den Budschak, um Schutz vor dem Osmanischen Reich zu finden. Größere Gruppen wanderten nach der russischen Übernahme von 1812 ein und ließen sich im Westen bei der Stadt Bolgrad und auf den von den Tataren verlassenen Gebieten im Süden nieder. 1819 erhielten die 24.000 im Land lebenden Bulgaren eine Selbstverwaltung und den Kolonistenstatus.

Die an der südwestlichen Grenze Bessarabiens angrenzende Dobrudscha war zwischen Bulgarien und Rumänien umstritten, da sowohl Bulgaren als auch Rumänen dort lebten, und Rumänien einen Zugang zum Schwarzen Meer wollte. Die bessarabischen Bulgaren waren von diesem Konflikt, aber auch von der Unabhängigkeitsbewegung Bulgariens von den Osmanen, seit dem Bulgarischen Aprilaufstand 1876, erfasst. Während des Aufstandes kaperte Christo Botew, ein in Bessarabien lebender Bulgare, ein Dampfschiff auf der Donau und griff mit 200 anderen Exil-Bulgaren in die Kämpfe gegen die Osmanen ein. Des weiteren erklärte im April 1877 Zar Alexander II. dem Osmanischen Reich den Krieg mit dem Ziel, „die Bulgaren und andere Balkanvölker zu befreien“, was letztendlich die Unabhängigkeit Rumäniens zur Folge hatte.

Deutsche Bevölkerung

Hauptartikel: Bessarabiendeutsche

Bessarabiendeutsche Männer mit rumänischen Fellmützen

Deutsche Auswanderer, die der Zar 1813 als Kolonisten ins Land rief, lebten in Bessarabien zwischen 1814 und 1940. Sie lebten als selbstständige Landwirte auf eigener Scholle. In 125-jähriger Siedlungszeit hatten sie die ursprüngliche Zahl von 24 Mutterkolonien auf über 150 Siedlungen erweitert. Die Zahl von etwa 9.000 eingewanderten Personen hatte sich auf 93.000 Personen mehr als verzehnfacht. Die anfänglich gewährten Privilegien, darunter die Selbstverwaltung durch das Fürsorgekomitee mit Sitz in Odessa, wurden um 1870 mit der Aufhebung des Kolonistenstatus zurückgenommen. Vor allem wegen der Einführung des Militärdienstes wanderten in der Folge viele Kolonisten nach Nord- und Südamerika (mit Schwerpunkten in Nord- und Süd-Dakota, Kanada, Argentinien, Brasilien) aus. Im Herbst 1940 verließen die Bessarabiendeutschen nahezu vollständig das Land. Vorausgegangen war die Besetzung Bessarabiens durch die Rote Armee im Juni 1940 als Folge des Hitler-Stalin-Paktes von 1939. Da die Besetzer unverzüglich damit begannen, das Sowjet-System einzuführen, schlossen sich nahezu alle Angehörigen der Volksgruppe als Volksdeutsche der vom Deutschen Reich durchgeführten Umsiedlung an. Darunter waren auch die Eltern des späteren deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler. Organisator der Umsiedlung unter der Devise Heim ins Reich war das Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle. Nach einem bis zu zweijährigen Aufenthalt in Lagern erhielten die Umsiedler ab 1941/42 Bauernhöfe im besetzten Polen, deren polnische Besitzer von deutschem Militär vertrieben wurden. Als 1944 die Rote Armee anrückte, flohen die Bessarabiendeutschen nach Westen.

Gagausische Bevölkerung

Heute leben im südlichen Moldawien auf dem Boden des früheren Bessarabien etwa 175.000 christlich-orthodoxe Gagausen in der autonomen Republik Gagausien mit der Hauptstadt Comrat. Die Vorfahren der Gagausen waren wahrscheinlich Kumanen, der westliche Teil der Kyptschaken, die im Osten der Balkanhalbinsel lebten. Im 13. Jahrhundert wurden diese katholisch (siehe auch: Codex Cumanicus). Zwischen 1812 und 1845 wanderten Nomaden aus der Dobrudscha in den Budschak, in Ortschaften wie Avdarma, Comrat, Congaz, Tomai und Cismichioi und teilweise weiter auf die Krim. Im Jahr 1906 gründeten die Gagausen eine eigene Republik, die allerdings nur wenige Tage Bestand hatte.

Kulturdenkmäler

In Bessarabien finden sich einige bedeutende Kulturdenkmäler, obwohl das Land über Jahrhunderte Durchzugsgebiet vieler Völkerschaften war und infolge kleinbäuerlicher Landwirtschaft kaum wirtschaftliche Ressourcen besaß.

Festung Akkerman

Bauhistorisch bedeutend ist die an der Dnister-Mündung zum Schwarzen Meer gelegene mittelalterliche Festung in Akkerman (türk. für weiße Stadt), heute Bilhorod-Dnistrowskyj in der Ukraine, in rumänischer Zeit Cetatea Alba (rumän. für weiße Burg). Weitere Befestigungen errichteten die Fürsten der Moldau gegen Tatareneinfälle am Dnister in Chotyn, Soroca, Orhei und Tighina sowie gegen die Türken in Kilia an der Donau.

Archäologisch erwähnenswert sind die in Südbessarabien vorkommenden Kurgane. In den bis zu 30 m hoch aufgeschütteten Grabhügeln bestattete das Reitervolk der Skythen ihre Anführer zusammen mit einigen reich geschmückten Pferden. Von den beiden 120 km langen und den Römern zugeschriebenen Trajanwällen (Unterer und Oberer) sind noch heute stellenweise fünf Meter hohe Wälle vorhanden. Bedeutende Höhlenkirchen und -klöster entstanden zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert und sind an den Ufern der Flüsse Dnister und Răut in Fels gehauen. In einem etwa 100 m hohen Fels in Ţipova (Rajon Rezina) sind 19 Höhlen miteinander verbunden und bilden ein Ensemble aus Eremitenzellen, Glockenturm und einer Kirche. In Saharna (Rajon Rezina) finden sich auf einem Felsen Bebauungsspuren, die bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. reichen. Weitere historische Bauten sind Ruinen in Orheiul Vechi (Rajon Orhei) aus der tatarischen Zeit im 14. Jahrhundert, die mit der Goldenen Horde in Verbindung gebracht werden. Man nimmt an, dass hier die westlichste tatarische Hauptstadt Sheihr-ali-Jedid war.

Geschichte

Frühzeit und Mittelalter

Statue des Fürsten Neagoe Basarab in Curtea de Argeş in der Walachei

Das älteste historisch bezeugte Volk auf bessarabischem Gebiet waren die Skythen, die als nomadisierende Reiterkrieger im 6. Jahrhundert v. Chr. aus östlichen Steppengebieten einwanderten. Noch in vorchristlicher Zeit gründeten Griechen (siehe auch: Tyras, antike griechische Stadt) Kolonien an der Schwarzmeerküste und erwähnten den im zentralen Bessarabien siedelnden germanischen Stamm der Bastarnen. Hier wurden auch Daker (Geten) erwähnt (Tyragetae). Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. war Bessarabien Teil des Reiches Dacia. Im 1. Jahrhundert eroberte das Römische Reich Teile des Landes. Ihm wird die Sicherung des Landes durch den Trajanwall zugeschrieben. In der Völkerwanderungszeit zwischen dem 3. und dem 11. Jahrhundert war Bessarabien Durchzugsgebiet von Wandervölkern, darunter Goten, Hunnen, Awaren, Madjaren. Im 7. Jahrhundert ließen sich die Bulgaren im Süden Bessarabiens, im Deltaraum der Donau nieder und gründeten das Bulgarische Reich. Im 13. Jahrhundert ließen sich Tataren der Goldenen Horde am nördlichen Schwarzmeer nieder, doch in Bessarabien verschwanden ihre Spuren kurz danach. Mehrere Jahrhunderte davor stand Bessarabien unter der Herrschaft der Petschenegen. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gehörte der südliche Landstrich der Walachei. Seit dem 14. Jahrhundert gehört das Gebiet zwischen dem Pruth und Dnestr dem Fürstentum Moldau. Zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert war die Moldau Einflussbereich des Osmanischen Reichs (dem Vorläuferstaat der Türkei). Der Süden Bessarabiens (der Budschak) stand seit dem Ende des 15. Jahrhundert unter direkter osmanischen Herrschaft.

Im Mittelalter waren verschiedene walachische und moldauische Fürsten, darunter Neagoe Basarab (1512–21), Negru Vodă Basarab und Ladislas Basarab, hier einflussreich. Sie beherrschten im 13. und 14. Jahrhundert rund 150 Jahre lang das Gebiet. Kontakte unterhielten sie mit der Kiewer Rus, mit Ungarn und Polen.

Osmanische Zeit

Rückzug des Osmanischen Reiches (1683–1923) vom Balkan und den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres

Nachdem die Osmanen das von Fürst Stephan dem Großen erbaute Kastell in Akkerman (siehe auch Oblast Odessa) am 14. Juli 1484 erobert hatten, begann die osmanische Zeit. Etwa ab 1511 war ganz Südbessarabien von Sultan Bayezid II. erobert und wurde mit tatarischen Hirten der Nogaier-Horde bevölkert. Sie nannten den Südteil des Landes Budschak, was Winkel bedeutet und für die dreieckige Form des Landstücks zwischen Pruth, Dnister und Schwarzem Meer steht. 1538 wurde auch Tighina (Bendery) osmanisch.

Das Fürstentum Moldau zu dem das spätere Bessarabien gehörte, war seit Beginn des 16. Jahrhunderts bis 1859 ein Vasallenstaat des Osmanischen Reichs. Getreidelieferungen nach Konstantinopel sicherten die innere Autonomie. Dafür baute der Sultan keine Moscheen in dem Donaufürstentum und gewährte ihm Schutz vor äußerer Bedrohung, wie dem russischen und habsburgischen Expansionsdrang im 18. und 19. Jahrhundert.

Siehe auch: Geschichte Rumäniens

Russische Zeit

Bessarabien im 19. Jahrhundert
Russische Verwaltungseinteilung (Karte von 1883)

Konsequenz des russischen Expansionsdrangs in Richtung Konstantinopel war der 1806 begonnene 6. russische Türkenkrieg. Während des Krieges siedelten um 1810 russische Truppen Teile der im Budschak nomadisierenden Turkvölker auf die Krim um, ein Großteil war bereits mit den Osmanen geflohen und in die Dobrudscha evakuiert worden. 1812 drängte der russische Zar Alexander I. zum Friedensschluss, um sich auf den bevorstehenden Krieg mit Napoleon zu konzentrieren. Im Frieden von Bukarest bekam Russland die östliche Hälfte des Fürstentum Moldau zugesprochen, die westliche blieb weiterhin im Einflussbereich des Osmanischen Reichs. Die Grenze zwischen dem Osmanischen Reich und Russland verlief ab 1812 nicht mehr am Dnister, sondern 100 km bis 125 km weiter westlich, am Pruth. Im zugesprochenen Gebiet errichtete Russland das Gouvernement Bessarabien, das kleinste des Zarenreichs. Hauptstadt wurde das mittelbessarabische Kischinew (Chişinău).

Als Russland 1812 Land zwischen den Flüssen Pruth und Dnister mit einer Fläche von etwa 45.000 km² übernahm, dehnte es den ursprünglich nur für den Südteil geltenden Begriff Bessarabien auf das gesamte Gebiet aus. Das Zarenreich wollte eine neue bessarabische Identität stiften, um die eigenen Machtansprüche auf die darin lebenden Rumänen historisch abzusichern. Russland gelangte in den Besitz von 5 Festungen, 17 Städten, 685 Dörfern und 482.000 Menschen. Nach der ersten russischen Volkszählung von 1817 bestand die Bevölkerung aus:

  • 83.848 rumänischen Familien (86 % der Gesamtbevölkerung)
  • 6.000 ruthenischen Familien (6,5 %)
  • 3.826 jüdischen Familien (1,5 %)
  • 1.200 lipowanischen Familien (1,5 %)
  • 640 griechische Familien (0,7 %)
  • 530 armenische Familien (0,6 %)
  • 241 bulgarische Familien (0,25 %)
  • 241 gagausische Familien (0,25 %)

Die russischen Machthaber gewährten anfangs Autonomie und griffen nicht in das innere Gesellschaftsgefüge ein, erhöhten aber später den Russifizierungsdruck durch Einführung von Russisch als Amtssprache, nachdem 1828 der Autonomiestatus der Region aufgehoben wurde. Das Land war hauptsächlich in der Hand von Großgrundbesitzern, den Bojaren. Der Großteil der Bevölkerung waren kleine Bauern, die für den Eigenbedarf produzierten. Viele flüchteten nach der Eroberung Bessarabiens westlich des Pruth-Flusses aus Angst vor der kommenden Einführung der russischen Leibeigenschaft, die zu diesem Zeitpunkt in Bessarabien nur noch bei Zigeunern praktiziert wurde, aber im restlichen Russland noch alle ethnischen Gruppen umfasste und sehr verbreitet war.

Zwischen 1856 und 1878 kam der südwestliche Teil Bessarabiens (Cahul, Bolgrad und Ismail) infolge des Krimkrieges wieder zur Moldau, beziehungsweise Rumänien (ab 1859).

1856 lebten in Bessarabien 990.000 Menschen, darunter 736.000 Rumänen (74 %) und 254.000 Nichtrumänen (24 % der Gesamtbevölkerung). Davon waren 12 % Ukrainer, 8 % Juden, 4,8 % Bulgaren und Gagausen, 2,4 % Deutsche, 1,1 % Zigeuner und 0,6 % Russen.

1897, bei der letzten Volkszählung im zaristischen Bessarabien wurden 1.935.412 Personen gezählt, darunter 1.092.000 (56 %) Rumänen, 373.000 (18,9 %) Russen und Ukrainer und 229.000 (11,7 %) Juden. Alle andere Nationen Bessarabiens (Bulgaren, Gagausen, Deutsche, Zigeuner, Griechen und Armenier) machten 13,4 % der Bevölkerung aus.

Russifizierung

Der Russifizierungsprozess in Bessarabien war vor allem gegen die einheimische rumänische Mehrheitsbevölkerung gerichtet. Während der russischen Herrschaft in Bessarabien verringerte sich der Anteil der Rumänen in 80 Jahren (von 1817 bis 1897) von 86 % der Gesamtbevölkerung auf 56 %. Dieser Prozess fand auf unterschiedliche Weise statt. Zum einen wurden fremde Ethnien beworben, sich in Bessarabien niederzulassen. Andererseits wurden die Rumänen unterstützt, sich in anderen Regionen des Russischen Reiches niederzulassen (vor allem in Sibirien und in der Kuban-Region). Dazu kam noch eine sehr restriktive russifizierende Sprachpolitik der Regierung.

1812, bei den Verhandlungen in Bukarest, versprach Russland eine weite Autonomie für Bessarabien, in dem die Region weiterhin von den moldauischen Bojaren regiert werden sollte. Jedoch wurde diese Autonomie nach nur 16 Jahren aufgehoben und Bessarabien wurde in ein gewöhnliches Gouvernement umgewandelt. 1829 wurde das Benutzen der rumänischen Sprache in der Verwaltung verboten. Seit 1833 durften Gottesdienste nicht mehr in rumänischer Sprache abgehalten werden und alle rumänische Kirchenbücher wurden verbrannt. 1842 wurde in allen Gymnasien die rumänische Sprache durch die russische ersetzt. 1860 wurde der rumänische Unterricht sogar in den Grundschulen eingestellt.

Verwaltungsstruktur

Die Hauptstadt des neuen russischen Bessarabien war zunächst ab 1812 Bender. 1818 wurde der Regierungssitz nach Kischinjow verlegt, einem bis dahin unbedeutenden Marktflecken, und Bessarabien zur Oblast Bessarabien aufgewertet. Damit war auch die Errichtung eines Obersten Rates verbunden, in dem die Bojaren Sitz und Stimme hatten und der die regionale Regierung Bessarabiens war. Bereits 1828 wurde seine Bedeutung eingeschränkt, er durfte nur noch den Gouverneur des Oblastes beraten, der wiederum dem Generalgouverneur von Neurussland untergeordnet wurde. Damit war auch eine soziale Angleichung der Bojaren an die russischen Adeligen verbunden. Im Jahr 1864 wurden die Sonderrechte gänzlich beseitigt und 1873 die Oblast in ein normales russisches Gouvernement umgewandelt. Die Ujesd (deutsch: Distrikt) waren: Akkerman, Beltsy, Bendery, Izmail, Khotin, Kishinev, Orgeyev und Soroki.

Generalgouverneur von Neurussland und Bessarabien wurde 1823 Michail Semjonowitsch Woronzow.

Kolonisierung

Nach der russischen Vertreibung und Umsiedlung der Tataren um 1810 aus dem südlichen Landesteil, dem Budschak, setzte ab 1812 die russische Kolonisation mit systematischer Besiedlung ein. Die russische Krone warb in Russland, aber vor allem mittels Werber im Ausland, gezielt Kolonisten mit zugesicherten Privilegien an, wie: Landschenkung, zinsloser Kredit, Steuerfreiheit auf 10 Jahre, Selbstverwaltung, Religionsfreiheit und Freiheit vom Militärdienst.

Ab 1814 wanderten insgesamt etwa 9000 deutsche Auswanderer ein, die später die Volksgruppe der Bessarabiendeutschen bildeten. Sie gründeten insgesamt 150 deutsche Siedlungen, hauptsächlich im Steppengebiet des Budschak (siehe auch Geschichte der Russlanddeutschen). Die russische Krone siedelte unter ähnlichen Bedingungen neben Russen auch weitere Nationalitäten wie Bulgaren, Ukrainer und Schweizer an. Da in Bessarabien nicht die sonst üblichen Verbote für Juden in der Landwirtschaft galten, entstanden im Norden 17 Dörfer, wo 1858 mehr als 10.000 Menschen vom Ackerbau lebten und damit im gesamten Russland eine geduldete Ausnahme darstellten.

Neben der Urbarmachung des Landes verfolgte Russland mit der Kolonisierung auch das politische Ziel, die Mehrheit der ursprünglich dort lebenden rumänischen Bevölkerung zu verändern. Einwanderer erhielten Privilegien und das beste Land, was ansässigen Rumänen vorenthalten blieb.

Die moldauisch-russische Grenze von 1856/1857 bis 1878

Gebietsabtretungen

Die russische Niederlage im Krimkrieg 1853–1856 führte zum Pariser Frieden von 1856. Als Folge dessen ging ein Teil des 1812 von Russland gewonnenen südlichen Bessarabiens im Bereich der Donaumündung (etwa ein Viertel der Gesamtfläche) mit den Kreisen Cahul, Bolgrad und Ismail wieder zurück ans Fürstentum Moldau. Sieben europäische Staaten übernahmen die Schutzherrschaft über dieses Gebiet, durch das Russland den strategisch wichtigen Zugang zur Donaumündung verlor. Allerdings musste Rumänien diesen Teil Bessarabiens im Vertrag von Berlin 1878 wieder Russland abtreten.

Rumänische Zwischenkriegszeit nach 1918

Die Vereinigungserklärung Bessarabiens mit Rumänien
Bessarabien als Teil Rumäniens (deutsche Karte von 1926)
Bessarabien als Teil Rumäniens (rumänische Karte von 1933)

Auch im russischen Gouvernement Bessarabien kündigte sich durch Revolten Anfang des 20. Jahrhunderts ein Sturz des Zarenregimes an. Am 22. August 1905 eröffnete die Polizei das Feuer auf 3000 demonstrierende Landarbeiter in der bessarabischen Hauptstadt Kischinew (Chişinău).

Nach Ausbruch der russischen Revolutionswirren übernahm im November 1917 eine nationale Vollversammlung mit der Bezeichnung Landesrat (Sfatul Ţării) mit Sitz in Kischinew die Regierung. Sie bestand aus 120 Vertretern aus Bessarabien und 10 aus Transnistrien.

Am 2. Dezember 1917 erklärte der Landesrat Bessarabien als Moldauische Demokratische Republik unabhängig. Ähnliches geschah auch in der Ukraine, am Don und auf der Krim. Die Verhältnisse im Lande waren chaotisch, denn die russische Front des Ersten Weltkrieges hatte sich aufgelöst und Armeeeinheiten zogen auf dem Heimatweg plündernd durch Bessarabien. Des Weiteren hatten sowjetische Truppen des Rumtscherod am 5. Januar 1918 Kischinew besetzt und so geriet Bessarabien für wenige Tage im Januar 1918 in die Hände der Bolschewisten. Der Landesrat rief Rumänien um militärischen Beistand an, woraufhin rumänische Truppen einmarschierten.

Am 9. April 1918 (russischer Kalender: 27. März) erklärte Bessarabien bei großer Begeisterung der Bevölkerung, unter Beibehalt einer Teilautonomie, den Anschluss an Rumänien für ewige Zeiten. Im November 1918 wurde die Vereinigung mit Rumänien vollzogen und der Sfatul Ţării löste sich auf. Aus sowjetischer Sicht, die den Anschluss an Rumänien nicht anerkannte, handelte es sich dabei jedoch um eine inszenierte Abspaltung von Russland und eine planmäßige Annexion durch Rumänien.

Die völkerrechtliche Anerkennung Bessarabiens als Teil Rumäniens kam 1920 im Friedensvertrag von Versailles zustande. Das Gebiet wurde Rumänien zugesprochen.

Die nach 1922 entstandene Sowjetunion hatte den Verlust Bessarabiens nie anerkannt, und beanspruchte das Land weiterhin. Deshalb wurde am Ostufer des Dnister 1924 die „Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik“ (MASSR) gegründet.

Anfangs wurde noch die Autonomie Bessarabiens im rumänischen Staat respektiert, aber mit der Zeit setzte sich die zentralistische Verwaltung durch. In der Zwischenkriegszeit von 1918–1940 gab es eine wirtschaftliche Entwicklung und Rumänen setzte sich stark für den Ausbau der Infrastruktur in Bessarabien ein. Ein gewisser Rumänisierungsdruck auf Minderheiten (der den Russifizierungsdruck ersetzte) fand in Bessarabien dennoch statt. Dieser war jedoch nicht so stark wie die zuvor stattgefundene Russifizierung. Die Institutionen der Minderheiten blieben weitgehend bestehen. Probleme bereiteten die innenpolitisch schwierigen Verhältnisse in Rumänien wie etwa der Aufstieg der ultranationalistischen, antisemitischen und faschistischen Eisernen Garde, die 1937 drittstärkste Partei bei den rumänischen Parlamentswahlen wurde.

In Bessarabien war jetzt erstmals nach 1812 für die Mehrheit der Bevölkerung wieder ihre Muttersprache Amts- und Schulsprache. Auch konnten durch die Agrarreform von 1920 mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mit mehr als 100 Hektar) viele besitzlose Bauern zu eigenem Land gelangen. Seit 1937 bestand allerdings für Juden ein Verbot, Land zu erwerben.

Sowjetische Besetzung 1940

Nach dem Ende des deutschen Westfeldzugs mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiègne am 22. Juni 1940 sah die Sowjetunion den Zeitpunkt gekommen, die Rückgabe Bessarabiens nach 22 Jahren (aus ihrer Sicht widerrechtlicher) Zugehörigkeit zu Rumänien zu erreichen. Mit dem besiegten Frankreich hatte Rumänien seinen Bündnispartner verloren. Am 28. Juni 1940 besetzte die sowjetische Rote Armee das Territorium Bessarabiens. Rumänien bekam zuvor ein 48-stündiges Ultimatum zur Abtretung gestellt, dem es kampflos nachkam. Wie im Geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakts von 1939 verabredet, duldete das Deutsche Reich die Besetzung. Gegenüber der Sowjetunion bekundete es sein Desinteresse an der Bessarabischen Frage, aber nicht am Schicksal der dort lebenden etwa 93.000 Bessarabiendeutschen. Deren Umsiedlung ins Deutsche Reich im Herbst 1940 ermöglichte der am 5. September 1940 geschlossene Umsiedlungsvertrag.

Am 2. August 1940 teilte die Sowjetunion Bessarabien und gründete für den größten Teil des Nordens und der Mitte des Landes die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (MSSR) und schlug ihr die östlich des Dnister gelegene Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (MASSR) zu. Der Süden und das Gebiet im Norden um die Stadt Chotyn (Oblast Czernowitz) ging an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR).

Unmittelbar nach der Besetzung kollektivierte die Sowjetunion die Landwirtschaft, löste Großgrundbesitz auf, verteilte Land an landlose Bauern und gründete Sowchosen sowie Kolchosen. Gleichzeitig setzte eine Welle der Repression mit Verhaftungen gegen die rumänische (moldauische) Bevölkerung, Deportationen von etwa 250.000 Personen und einer Ansiedlung von Russen, Ukrainern und Weißrussen ein. Diese Politik richtete sich gegen die vermeintlich politische Opposition, wie Gutsbesitzer, Kulaken (Großbauern), Großkaufleute, Parteimitglieder, frühere Weißgardisten. Von der Verfolgung waren nur die Bessarabiendeutschen ausgenommen, die unter dem Schutz des Deutschen Reichs standen und bis November 1940 ausgesiedelt wurden.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Behelfsbrückenbau über den Pruth, 1. Juli 1941
Juden in einem Lager in Bessarabien, September 1941
Bessarabien im Verbund der Sowjetunion

Am 22. Juni 1941 begann mit dem Unternehmen Barbarossa der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, an dem sich etwa eine Million rumänische Soldaten beteiligten. Beim kriegsbedingten Rückzug hinterließen die Sowjets in Bessarabien verbrannte Erde und transportierten alle beweglichen Güter per Bahn nach Russland. Ende Juli 1941 stand das Land nach einjähriger sowjetischer Besatzungszeit wieder unter rumänischer Verwaltung.

Bereits während der militärischen Rückeroberung begingen rumänische Soldaten unter Beteiligung der Bevölkerung Pogrome gegen bessarabische Juden mit Tausenden von Toten. Der Hass beruhte teilweise darauf, dass man den Juden ein Paktieren mit den Sowjets vorwarf, die sie 1940 wegen Hitlers antisemitischer Vernichtungspolitik als Befreier ansahen. Einzelne Juden waren zuvor tatsächlich als Politkommissare gegen antisowjetische Elemente in der Bevölkerung vorgegangen. Gleichzeitig gab es Tötungsaktionen der SS-Einsatzgruppen (hier die Einsatzgruppe D) an Juden unter dem Vorwand, sie seien Spione, Saboteure oder Kommunisten. Die politische Lösung der „Judenfrage“ war vom rumänischen Diktator Marschall Ion Antonescu jedoch eher durch Vertreibung als durch Vernichtung gewollt. Die jüdische Bevölkerung (ca. 200.000 Personen) kam zunächst in Ghettos oder Auffanglager, um sie 1941/42 bei Todesmärschen in Lager, wie beispielsweise Bogdanowka, im rumänisch okkupierten Transnistria zu deportieren, das teilweise, anders als das rumänische Mutterland, von der SS kontrolliert wurde.

Sowjetischer Großangriff im August 1944 auf deutsche und rumänische Truppen in Bessarabien

Nach dreijähriger Friedenszeit in Bessarabien war 1944 die deutsch-sowjetische Front wieder bis an die östliche Landesgrenze am Dnister herangekommen. Am 20. August 1944 begann die Rote Armee mit etwa 900.000 Soldaten eine groß angelegte Sommeroffensive unter der Bezeichnung Operation Jassy-Kischinew. In einer Zangenoperation überrannten die Angreifer Bessarabien in fünf Tagen. In Kesselschlachten bei Kischinew und Sarata wurde die nach der Schlacht von Stalingrad neu gebildete 6. deutsche Armee mit ca. 650.000 Soldaten aufgerieben. Zeitgleich mit dem erfolgreichen russischen Vorstoß kündigte Rumänien das Waffenbündnis mit Hitler und wechselte die Fronten. Am 23. August 1944 wurde Marschall Ion Antonescu abgesetzt und König Michael I. wiedereingesetzt.

Nach dem sowjetischen Sieg wurde die Aufteilung Bessarabiens von 1940 wieder in Kraft gesetzt und blieb bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 bestehen. Die Moldauische SSR zerfiel danach in die Republik Moldau und die östlich des Flusses Dnister gelegene, völkerrechtlich nicht anerkannte Transnistrische Moldauische Republik, deren Territorium jedoch nie zu Bessarabien gehörte (ausgenommen die Stadt Tighina mit ihren Nachbardörfern).

Museum

Siehe auch

Literatur

  • George Cioranescu: Bessarabia – Disputed land between east and west. Dumitru, München 1985, Editura Fundaţiei Culturale Române, Bucureşti 1993, ISBN 973-9155-17-0
  • Hannes Hofbauer, Viorel Roman: Bukowina, Bessarabien, Moldawien – Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Russland und der Türkei. Promedia, Wien 1993, ISBN 3-900478-71-6
  • Ion Alexandrescu: A short history of Bessarabia and northern Bucovina. in: Romanian civilization. Romanian Cultural Foundation, Iaşi 1994, ISSN 1220-7365
  • Abt. Ic einer Ostarmee: Bessarabien - Ukraine - Krim, Der Siegeszug Deutscher und rumänischer Truppen, Berlin 1943 (Verlag Erich Zander).
  • Axel Hindemith: Bessarabien im 2. Weltkrieg. in: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien. Heimatkalender. Hilfskomitee, Hannover 2004, ISBN 3-9807392-5-2
  • Mardari, Ioan, Micleşti din Ţinutul Orheiului: Monografie istorisită în 2001, Editura Universităţii din Piteşti, 2003, ISBN 973-690-140-8

Einzelnachweise

  1. Jewish Encyclopedia von 1901 bis 1906: Bessarabie, Jewish Agriculturists: Herman Rosenthal, S. Janovsky, J. G. Lipman
  2. Jewish Encyclopedia von 1901 bis 1906: Kishinef, Anti-Semitic Riots: Herman Rosenthal Max Rosenthal

Weblinks

46.833333333333297Koordinaten: 46° 50′ 0″ N, 29° 0′ 0″ O


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