Umgebungslärm

Umgebungslärm

Unter dem Begriff Umgebungslärm sollen die Lärmeinwirkungen der Schallquellen Straßenverkehr, Schienenverkehr, Flugverkehr sowie Industrie zusammen betrachtet werden. Der Begriff wurde durch die EG-Richtlinie 2002/49/EG (Umgebungslärmrichtlinie) neu eingeführt und europaweit definiert.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Ziel der Umgebungslärmrichtlinie ist es u. a., den Lärm zu kartieren und die Zahl der von Lärm betroffenen Bewohner zu berechnen. Hierzu soll - ausgehend von der jeweiligen Schallquelle - die Stärke der Einwirkung berechnet oder gemessen und in 5-dB-Abstufungen dargestellt werden. Die EG-Richtlinie erlaubt sowohl Berechnungen als auch Messungen. Es sollen Maßnahmen zur Verbesserung in Form von Aktionsplänen entwickelt werden. Die Kartierung und die Maßnahmen sollen spätestens alle fünf Jahre überprüft und überarbeitet werden. Neu ist auch die vorgeschriebene Information und Beteiligung der Öffentlichkeit.

Am 26. Oktober 2009 veröffentlichte die Europäische Umweltagentur (EUA) die erste umfassende Lärmkarte Europas[1].

Deutschland

Bisher gibt es in Deutschland eine Reihe von Gesetzen und Normen zur Berechnung und Beurteilung von Lärmwirkungen, die bei den verschiedenen Lärmquellen unterschiedliche Maßstäbe anwenden. So wird der Verkehrslärm nach geltendem Recht nicht gemessen, sondern nur berechnet. Eine besondere Ausnahme bildet der Fluglärm an Verkehrsflughäfen, der als einzige Lärmquelle täglich 24 Stunden kontinuierlich gemessen wird.

In den Jahren 2005 und 2006 hat die Bundesregierung auch für Deutschland die entsprechende gesetzliche Grundlage für den Vollzug der Umgebungslärmrichtlinie geschaffen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten hat der Gesetzgeber in Deutschland keine Messungen vorgesehen. Es wurden neue Berechnungsvorschriften erlassen, die sich von den bisherigen unterscheiden. Dies führt in der Öffentlichkeit häufig zur Verwirrung, weil die Verkehrsbehörden z. B. beim Bau von Straßen nach der alten Vorschrift RLS-90 rechnen, in der Lärmkartierung aber die Berechnungsvorschrift VBUS verwendet wird. Im Unterschied zu anderen Ländern wird Freizeitlärm in Deutschland nicht von der Umgebungslärmrichtlinie erfasst.

Bereits seit 1990 gab es aufgrund der alten Fassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die gesetzliche Verpflichtung in Deutschland, sogenannte Lärmminderungspläne aufzustellen. Dieser Verpflichtung sind bisher nicht alle Städte und Gemeinden flächendeckend nachgekommen. Mit der Umgebungslärmrichtlinie soll versucht werden, dieses Ziel europaweit zu erreichen.

In Deutschland liegt die Pflicht zur Lärmkartierung bei den Gemeinden oder den nach Landesrecht zuständigen Behörden, soweit es sich nicht um Schienenlärm auf Schienenwegen des Bundes handelt. Dieser wird durch das Eisenbahn-Bundesamt kartiert; die Ergebnisse sind im Internet auf einer Karte zu sehen.[2]

Die Kartierungsergebnisse müssen der Öffentlichkeit und der EU mitgeteilt werden. Die Öffentlichkeit soll beteiligt werden, um insbesondere über die Lärmprobleme zu informieren. Die Umgebungslärmrichtlinie hat dabei einen demokratischen Ansatz, indem eine Mitwirkung der Bürger bei der Aufstellung der Aktionspläne zur Lärmminderung angestrebt wird. Wie diese Mitwirkung im Einzelnen aussehen soll, ist den Ländern, Städten und Gemeinden überlassen.

Bis 18. Juli 2008 sollten sogenannte Aktionspläne zur Lärmminderung fertiggestellt werden. Diese Aufgabe fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Daher ist es schwer, einen Überblick zu bekommen, inwieweit diese europäische Richtlinie in Deutschland tatsächlich umgesetzt wird.

Andere Länder

In Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Portugal, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich Großbritannien erfolgte die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht nicht fristgerecht, worauf die Europäische Kommission seit Juli 2005 rechtliche Schritte einleitete.

Aufschlussreich wird im europäischen Rahmen ein Ländervergleich sein. Ob sich die deutsche Vorgabe, den Lärm nur zu berechnen, auf europäischer Ebene durchsetzen wird, ist zweifelhaft. Gegenwärtig scheint sich eher eine Mehrheit für Messungen herauszubilden. Technisch sind Messungen - insbesondere in Ballungsräumen (Großstädten) - heutzutage machbar. Im Gegensatz zu Berechnungen wären Messungen immer aktuell und könnten die Gesamtsituation erfassen.

Kritik

Eine wichtige Erkenntnis aus der Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen bleibt für die betroffenen Bürger: Ein Rechtsanspruch ergibt sich aus der Umgebungslärmrichtlinie bisher nur hinsichtlich der Information. Für alle verbindlichen Maßnahmen zur Lärmminderung gilt - zumindest in Deutschland - weiterhin das bisherige Recht.

Angesichts der Tatsache, dass viele betroffene Städte und Kommunen hoch verschuldet sind, bleibt der Politik die Entscheidung überlassen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Belastung durch Lärm zu verringern. Dabei spielt es am Ende für den einzelnen Bürger keine Rolle mehr, ob die Grundlage dieser Entscheidung auf Messungen oder Berechnungen beruht.

Ein Vergleich auf europäischer Ebene wird dadurch erschwert, dass die Qualität der Daten sehr unterschiedlich ist. Während in einigen Städten (z. B. London und Berlin) bereits vor Inkrafttreten der Umgebungslärmrichtlinie entsprechende Lärmkarten erstellt worden waren, fehlten andernorts teilweise noch die technischen Voraussetzungen, um die zu ermittelnden Daten aufzubereiten.

Referenzen

  1. http://www.eea.europa.eu/pressroom/newsreleases/eea-draws-the-first-map-of-europe2019s-noise-exposure Presseerklärung der Europäischen Umweltagentur
  2. Internetseite des Eisenbahnbundesamtes zur Lärmkartierung

Quellen

  • Richtlinie 2002/49/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm
  • Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 24. Juni 2005
  • Vierunddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Lärmkartierung – 34. BImSchV) vom 6. März 2006
  • Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Schienenwegen (VBUSch) vom 22. Mai 2006
  • Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Straßen (VBUS) vom 22. Mai 2006
  • Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Flugplätzen (VBUF) vom 22. Mai 2006
  • Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm durch Industrie und Gewerbe (VBUI) vom 22. Mai 2006
  • Vorläufige Berechnungsmethode zur Ermittlung der Belastetenzahlen durch Umgebungslärm (VBEB) vom 9. Februar 2007

Weblinks


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